Drei Audi stehen vor der TE.

Die Technische Entwicklung bei Audi setzt fortan auf Systems Engineering. (Bild: Audi)

Mit seiner Doppelrolle als Leiter der Engineering-IT im Volkswagen-Konzern und als CIO von Audi verdeutlicht Frank Loydl wie kein Zweiter, welche Synergien der Autobauer unter seinen Marken künftig heben will. Während im Frühjahr 2021 die Car.Software-Organisation zur Softwareschmiede Cariad umstrukturiert wurde und die Technische Entwicklung (TE) ihren Transformationsprozess forcierte, fungierte die Engineering-IT als Bindeglied des Wandels.

Neue Tools und Prozesse sowie die fachliche Bündelung sollen Redundanzen beseitigen und die markenübergreifende Zusammenarbeit effizienter gestalten. Ein Unterfangen, das durch die Coronakrise merklich beschleunigt wurde, betont Cornelius Menig, Head of Business Partner Management Research and Development bei der Audi-IT. „Wir erleben in Zeiten der Pandemie einen kulturellen Wandel in der Arbeitswelt. Online-Meetings und der bessere Datenaustausch wurden zur Notwendigkeit.“

Audi schafft standardisierte Schnittstellen für Daten

Die Folge: Wie in vielen Unternehmen wird auch bei Audi verstärkt auf Anwendungen wie Microsoft Teams oder SharePoint Online gesetzt, um Nachrichten und Daten schneller sowie standortübergreifend auszutauschen. „Solche Kollaborationsinitiativen kann man gar nicht überschätzen – vor allem im Homeoffice“, betont Menig. Übersteigt die Datenmenge die Leistung des heimischen Internets, kommt die Remote-Graphics-Software zum Einsatz, die es den Mitarbeitern ermöglicht, über einen virtuellen Desktop zu arbeiten.

Die Datenobjekte werden dabei von der Applikationsschicht getrennt, eine Durchgängigkeit der Daten durch standardisierte Schnittstellen geschaffen. „Dieser Datenpool hat uns im Anfangslockdown sehr geholfen“, erinnert sich Menig, während er die Einsatzfelder von Public und Private Cloud erläutert. Notwendige Tools werden somit einerseits eingekauft, andererseits aber auch gemeinsam mit dem Audi Software Development Center (SDC) entwickelt. „Es ist ein enormer Vorteil, dass wir die Tools, die wir benötigen, passgenau entwickeln können“, berichtet der Audi-Experte.

Fahrzeugentwicklung setzt auf Systems Engineering

Inwiefern das Unterstützen der Enterprise-IT zum Game Changer werden kann, verdeutlicht der Wechsel zahlreicher Audi-Mitarbeiter zu Cariad. Während diese dort markenübergreifend an der Fahrzeugsoftware arbeiten, wird ihr Umzug von allerlei organisatorischem Aufwand begleitet. Accounts, Lizenzen, Tools, Laptops und Server – neue Abteilungen und neue Berechtigungen stellten den Konzern auf die Probe, ermöglichten jedoch neue Synergien.

Bei der Zusammenarbeit zwischen Engineering-IT, Cariad und Fachbereich TE müssen Prozesse und Tools zusammengedacht werden, stellt Menig klar. „Das geht nicht allein, sondern nur im Konzernverbund, wo Audi einen starken Lead einnimmt.“ Am deutlichsten wird dies bei der klassischen Fahrzeugentwicklung. Das softwarebasierte Fahrzeug fordert eine neue Denke: Plattformen werden stärker von der Elektronik und Softwarearchitektur gedacht, Alleingänge der einzelnen Marken werden zum Hemmschuh. Über 1.400 Einzelsysteme existierten in der Technischen Entwicklung (TE), jede Marke hatte unterschiedliche Prozesse.

Mit der Unterstützung durch Cariad und Engineering-IT soll dies nun massiv eingedampft werden, berichtet Cornelius Menig. Für ähnliche Tätigkeiten sollen keine unterschiedlichen Prozesse und Tools mehr zum Einsatz kommen. Die TE entwickle zukünftig nach dem Grundsatz. „Bisher war die Entwicklung sehr stark bauteilgetrieben. Das hat jahrzehntelang sehr gut funktioniert, doch jetzt brauchen wir neue Prozesse.“ IT-Tools und Data-Centric Engineering werden in diesem Sinne zur Grundvoraussetzung für Themen wie das autonome Fahren.

Künstliche Intelligenz hilft beim Analysieren von Daten

Die starren Organisationseinheiten mit ihren speziellen Tools wurden deshalb als Systembereiche neu aufgestellt und profitieren nun vermehrt von der Expertise der Engineering-IT. Dies hebt Tool-Synergien etwa beim bereits ausgerollten Anforderungsmanagement, das alle Marken gleichermaßen betrifft, sowie beim Architekturmanagement, für das Audi die konzernweite Verantwortung übernommen hat.

Im Bereich Messdatenmanagement wird ebenfalls die Enterprise-IT tangiert. Hier kommen die Cloud-Computing-Plattform Microsoft Azure und AWS zum Einsatz. Aus eingefahrenen Erprobungsdaten von Prototypen werden nicht mehr nur zwei oder drei Datencontainer genutzt, sondern alle Daten mittels Elasticsearch auffindbar gemacht. Durch diese datenzentrierte Entwicklung können Fahrsituationen künftig unter verschiedenen Aspekten – etwa bei einer Vollbremsung oder bei starkem Seitenwind – mittels KI mit allen verfügbaren Daten abgeglichen und auf Schwachstellen analysiert werden. „Das wird ein ganz entscheidender Schritt für die datenzentrierte Entwicklung sein“, stellt Menig heraus.

Zum einen diene dies der Verbesserung im Sinne von Deep Learning, zum anderen der Validierung. Anhand dieses Beispiels wird klar: Erst eine datenzen-trierte Sicht schafft Datendurchgängigkeit – von der Entwicklung bis zum Ende des Fahrzeuglebens. Alle Geschäftsbereiche profitieren letztlich von diesem Durchstich. Am Ende werden dabei nicht nur Kosten eingespart, sondern auch die Entwicklungszeit bei Bauteilen und Software verkürzt. Vor allem bei Letzterer erwartet Audi-Experte Menig einen erheblichen Synergieeffekt durch die neuen Tools und Prozesse: Software wird zum Kern des Autobauers – im Produkt und hinter den Kulissen.

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