SOA hat sich – trotz einiger Entzauberung – in den letzten Jahren auch im Automotive-Umfeld durchgesetzt, vielfach im Zusammenhang mit BPM-Projekten (automotiveIT 08/09 – 2011). Neben den traditionellen Anbietern etabliert sich zunehmend ein breites Angebot an Open-Source-Lösungen, das sich derzeit in Richtung kommerzieller Pakete mit Support professionalisiert. Künftig könnte SOA eine neue Rolle als Grundlage für die Automatisierung spezifischer, wissensbasierter Prozesse (Adaptive Case Management) spielen. Der Reihe nach: Service-orientierte Architekturen sind kein Selbstzweck. Laut Experten liegt der Projektschwerpunkt derzeit meist auf BPM-Projekten (Business Process Management) mit Workflow- und Integrationscharakter, die SOA-Komponenten nutzen. Ziel ist in der Regel, standardisierte Prozesse zu automatisieren und damit Kosten zu sparen. Im BPM-Umfeld wird seit kurzem über dynamischere Ansätze debattiert, die auch bei der Automatisierung unstrukturierter, wissensbasierter Prozesse helfen sollen. Unter dem Titel „Mastering the Unpredictable“ erschien im letzten Jahr ein Sammelband von Keith D. Swenson, der sich mit dem so genannten Adaptive Case Management befasst. Die Möglichkeiten der Technologie dürften von der Industrie entdeckt werden. „Gerade im Automobilbereich kann man kaum noch von Massenfertigung, sondern eher von massenhafter Einzelfertigung sprechen. Ob es beim Thema Service darum geht, den Kunden spezifisch auf sie zugeschnittene Add-ons anzubieten oder von der Produktionsseite her sicherzustellen, dass Kombinationswünsche umsetzbar sind – die Komplexität steigt massiv. Im 1:1-Umfeld der individualisierten Herstellung geht es darum, ein Höchstmaß von verteilten Informationen zusammenzuführen und wiederum weiter zu verteilen“, sagt der unabhängige SOAExperte und Autor Nicolai Josuttis. Basis für diesen Ansatz sind Integrationsstrategien wie SOA. „Das Thema Adaptive Case Management ist noch nicht sehr präsent am Markt, in zwei bis drei Jahren wird es hier jedoch mehr als erste Gehversuche geben“, meint Sven Hellmann, Bereichsleiter Business Engineering bei dem ITBeratungshaus Opitz Consulting.
Neben dem breiten Markt kommerzieller SOA-Hersteller hat sich mittlerweile auch ein respektables Angebot an Open-Source-Lösungen (OS) entwickelt. „Open-Source-Lösungen sind immer dann interessant, wenn keine komplett integrierte Anwendung benötigt wird oder eine Technologie im Pilotprojekt erstmal getestet werden soll. Sie eignen sich auch für kleinere Unternehmen“, sagt Daniel Kleine-Albers, Mitglied SOA Competence Center und Berater bei Opitz Consulting. Zu den OS-Lösungen gehören beispielsweise JBoss/JBPM, Apache Camel, Apache Active MQ oder die Activiti-BPM-Suite. Nach Erfahrung von Hellmann schneiden OS-Lösungen allerdings entgegen den Kundenerwartungen bei ROI-Betrachtungen oft gegenüber Herstellerlösungen schlechter ab, wenn eine ganzheitliche Betrachtung über den Lebenszyklus angesetzt wird. „Wichtiger Entscheidungspunkt – unabhängig von der ROI-Betrachtung – ist aber häufig das Bedürfnis der Unternehmen, am Ende des Tages einen Verantwortlichen für die Bereitstellung der Technologie zu haben“, resümiert Hellmann. Dieser Trend werde nun zunehmend auch durch Anbieter adressiert, die Support für am Markt verfügbare Open-Source-Lösungen anbieten. Diese Strategie ging im BI-Bereich mit Anbietern wie Jedox (Palo), Jaspersoft oder Proratio (Pentaho) bereits auf. Jetzt will zum Beispiel Talend nach der Übernahme von Sopera mit dem SOA-Framework eine Paketlösung mit professionellem Support anbieten, die den Anwendern das kleinteilige Basteln erspart.
Insgesamt dürfte sich ein realistischerer Blick auf das ehemalige Hype- Thema SOA lohnen. „Der Begriff SOA ist für viele schon verbrannte Erde – assoziiert mit hohen Kosten ohne Effizienzgewinn“, konstatiert Kleine-Albers. Verantwortlich dafür ist die Idee, praktisch alles mit SOA machen zu wollen. „Je mehr Systeme ich mit SOA lose aneinander kopple, desto problematischer werden die Themen Verfügbarkeit und Geschwindigkeit. Wenn 25 Systeme verbunden werden, die für sich genommen 99 Prozent Verfügbarkeit hatten, kann sich die Verfügbarkeit insgesamt leicht auf um die 70 Prozent absenken“, berichtet der SOA-Experte weiter. Geschwindigkeitsverluste entstehen zum Beispiel, wenn in XML umgewandelt wird. Der Schlüssel liegt in überschaubaren Projekten und einer guten Planung. „Das Design ist entscheidend, um sich keine Steine in den Weg zu legen“, erläutert Kleine-Albers. „Eine gewisse Ernüchterung“ stellt auch Nicolai Josuttis fest, ist sich aber dennoch sicher: „Integrationsarchitekturen werden gerade angesichts der Globalisierung der IT mit der immer stärkeren Auslagerung an Dienstleister und zunehmender Verzahnung unterschiedlichster Systeme dringender denn je gebraucht.“
Autorin: Daniela Hoffmann