SOA

Die OEMs haben die Grundlagen für Service-orientierte-Architekturen geschaffen. Jetzt geht es darum, mit Hilfe von Geschäftsprozess-Management endlich den ROI einzufahren. Dabei sind zunehmend die Zulieferer gefragt.

In der Automobilindustrie gibt es „schon lange ein hohes Maß an automatisierter Zusammenarbeit, wie es beispielsweise historisch mit EDI der Internetplattformen der Fall ist“, so Peter Kraus, CIO der ZF Friedrichshafen AG. „Die Hoffnung in Bezug auf Service-orientierte Architekturen besteht darin, Integration schneller, flexibler und weniger aufwändig zu erreichen“, meint Kraus. Schon 2005 beschäftigte sich der Automobilzulieferer auf konzeptioneller Basis mit dem Thema, gemeinsam mit der Uni St.Gallen, SAP und anderen Unternehmen. „Wir reden bei SOA-Projekten über Jahre“, sagt Kraus. „Dazu gehört auch, im Unternehmen erst einmal Voraussetzungen zu schaffen, die nicht nur technischer Natur sind – für die Datenstandardisierung zu sorgen, ein Service- Verständnis im Business-Bereich aufzubauen und die Prozesse zu analysieren. Gerade in dezentralen Unternehmensstrukturen ist Governance ein wichtiges Thema und erfordert eine profunde Strategie“, so der ZF-CIO. Nutzenpotenziale sieht Kraus unter anderem im Aftermarket, der Kommunikation in internationalen Handelsorganisationen, aber auch in speziellen Bereichen wie dem Änderungsmanagement.

„Die ERP-Hersteller haben seit einiger Zeit versucht, SOA-basierte lattformen unter ihre Anwendungen zu bringen. Es ist allerdings nicht gelungen, überzeugend den Nutzen zu vermitteln“, meint Stefan Ried, Senior Analyst beim Marktforschungsinstitut Forrester Research. Mit SOA Geld zu verdienen, habe sich für die ERP-Anbieter als schwierig erwiesen. Auch in den verschiedenen Projekten selbst sieht es bisher eher verhalten aus. Jetzt gehe es darum, über das BPM (Business Process Management) endlich die ersehnte Ernte einzufahren. Gerade
bei so heterogenen IT-Landschaften wie in der Automotive-Industrie – mit ERP, PLM, SCM, Logistik-, Fertigungsoptimierungs- und Qualitätsmanagement-Tools – sei SOA besonders nützlich. Zunächst sei die neue Architektur jedoch eher vergleichbar mit einer Steckdose in jedem Raum: „Damit ist noch kein Geschäftsbeitrag generiert“, so Ried. Erst mit neuen Projekten auf SOA-Basis lasse sich der ganze Nutzen schöpfen, indem Integration einfacher und kostengünstiger und Prozesse agiler realisierbar würden. „Unternehmen, die in SOA investieren,
legen einen Teil der Herstellerabhängigkeit ab“, weiß Ried. Das Nebeneinander unterschiedlicher Systeme wird mit SOA einfacher, und die bisherigen Argumente für eine Single-Vendor-Strategie treten in den Hintergrund. Zu der häufigen Besorgnis, mit einem Best-of-Breed-Ansatz das Thema Compliance schwerer in den Griff bekommen zu können, sagt Ried: „Compliance und Governance liegen immer in der Hoheit des Unternehmens – und nicht des Softwarelieferanten. Auch mit einer homogenen Softwarestrategie ist die Compliance nicht automatisch gegeben“, meinte der Marktanalyst gegenüber automotiveIT.

Dass die Industrie ihre SOA-Investitionen nicht auf Eis legt, zeigt die Forrester Umfrage „Global Software Strategies Online Survey” vom November 2008. Demnach nutzen rund 37 Prozent der 198 befragten Unternehmen SOA in ausgewählten Projekten, bisher ohne firmenweite Strategie. In Europa verfolgen bereits 35 Prozent eine dezidierte SOA-Strategie. Für 2009/10 prognostizieren die Marktforscher einen deutlichen Anstieg der firmenübergreifenden SOA-Initiativen. „Die elektronische Kommunikation schwenkt zunehmend von EDI- auf XML-Standards um. Das fordert von den Zulieferern, dass sie SOA-fähig werden“, so Ried. „Die Tendenz geht dahin,dass die OEMs auf Basis von PLM und SOA immer tiefer in die Prozesse ihrer Lieferanten involviert sein möchten, beispielsweise in Bereichen wie Just-intime-Produktion oder Qualitätstracking. Die Verwebung der Landschaften wird erst durch entsprechende Architekturen möglich“, erklärt Ried.

Wer sich nicht selbst an die Entwicklung von Services machen will, muss sich aus Sicht von Kraus allerdings noch etwas gedulden, bis die Standardsoftware-Hersteller wie SAP, Microsoft und Oracle ein Repository von Services zur Verfügung stellen. Auf rund sechs bis acht Jahre schätzt Peter Kraus den Projektrahmen. Derzeit läge der Fokus angesichts der wirtschaftlichen Situation auf anderen Themen. Doch im nächsten Jahr soll das Thema wieder stärker forciert werden.Noch sei SOA in der Zulieferindustrie höchstens in der Pilotphase. Kraus ist jedoch optimistisch, dass der SOA-Ansatz sich auf lange Sicht durchsetzen werde.„Derzeit sind 2800 Services für ERP 6.0 und die Business Suite 7.0 verfügbar“, so Achim Ittner, Technischer Direktor EMEA bei der SAP. „Da Service-orientierte Prozesse unter Verwendung vorhandener Prozesse entwickelt werden, bleibt die Frage, mit welcher Technologie die Services konsumiert werden. Derzeit stellt SAP mit SAP NetWeaver BPM ein Tool im Ramp-up zur Verfügung, mit dem sich Prozesse einfach modellieren und ausführen lassen“, erklärt Ittner. Im letzten Jahr seien über 180 SOA-Referenzprojekte durchgeführt worden. So setze beispielsweise Volkswagen Financial Services ein Service-orientiertes Szenario im Leasing-Management ein. „Die Anforderungen im Markt verändern sich rasch, da ist es für Unternehmen immer wichtiger, ihre Prozesse nach außen zu öffnen und auch Non-SAP-Prozesse zu unterstützen“, so Ittner. Für kleine und mittelständische Anwender haben die Walldorfer SOA-Komponenten für Business One als Erweiterung im Angebot. Die SAP-Services sind auch über Werkzeuge anderer Hersteller nutzbar.

„Bei großen IT-Architekturprojekten vergeht viel Zeit, bis ein ROI erreicht wird. Daher wird heute vielfach mit eher kleinen Verbesserungsprojekten gestartet, beispielsweise bei der Integration von Kunden und Lieferanten oder der Vermeidung von Medienbrüchen. „Wichtig ist, im Rahmen von Change Management Awareness bei den betroffenen Mitarbeitern zu schaffen. Es geht nicht nur um die Steigerung der Prozessgeschwindigkeit,sondern auch um die notwendige Veränderung der Arbeitsinhalte“, meint Ittner. Grundsätzlich wird Flexibilität Kernthema sein. Die Zulieferer nehmen eine immer größere Rolle beim Thema Innovation ein. Das führt zu steigenden Anforderungen in der Kommunikation – nicht nur im Unternehmen selbst, sondern über alle Stationen in der Lieferkette hinweg. Um Kosten und Komplexität der B2B-Kommunikation zu reduzieren, sollen standardisierte Services dafür sorgen, die einzelnen Schritte im Änderungsmanagement, wie technische Freigaben oder die Bewertung aus finanzieller Sicht, zwischen Zulieferern und Herstellern möglichst durchgängig elektronisch zu unterstützen. Die technische Infrastruktur gibt es als Enterprise Service Bus oder Middleware schon in vielen Unternehmen – spannend wird es jedoch erst, wenn die Services mit einer fachlichen Note versehen werden und eine gemeinsame Semantik bieten. Sie könnten die bisher häufig noch existierenden Bruchstellen zwischen der externen Welt und den unternehmensinternen Systemen überbrücken helfen. Laut Schätzung des Verbandes der Automobilindustrie werden für die partnerspezifische Aufbereitung von Informationen im Schnitt 0,75 Tage aufgewendet,weil hier noch viele manuelle Prozesse vorherrschen. Service-orientierte Architekturen sind aus Sicht der Experten gerade dort relevant, wo Abläufe weniger strukturiert sind und alle geschäftskritischen Informationen zum Beispiel
über E-Mail ausgetauscht werden. Bei den aktuell anstehenden Projekten und Änderungen ist es daher ratsam, in der Zukunft in Richtung SOA zu denken.

„Der Mittelstand sollte sich mit dem Thema unbedingt auseinandersetzen und die Hersteller auffordern zu zeigen, wie sich durch das Öffnen von Geschäftsprozessen mit Hilfe von SOA Wettbewerbsvorteile erschließen lassen“, empfiehlt wiederum Stefan Ried.

Autorin: Daniela Hoffmann

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