Deutschland kann sich auch in der Krise aus Sicht ausländischer Automobilmanager als führender Automobilstandort weltweit behaupten und belegt im Ranking der weltweit attraktivsten Automobilstandorte den ersten Platz. Das sind Ergebnisse des „European Automotive Survey 2009“ der Prüfungs- und Beratungsgesellschaft Ernst & Young. Befragt wurden Manager von 300 europäischen Unternehmen aus der Automobilindustrie.

Aus Sicht ausländischer Manager ist Deutschland sowohl der wettbewerbsfähigste als auch der stabilste Automobilstandort der Welt: 58 Prozent der Befragten bewerten die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Automobilindustrie hoch oder sehr hoch. Japan und China folgen mit 53 bzw. 52 Prozent. Auch in punkto Stabilität der Branche schneidet Deutschland am besten ab: 52 Prozent der Befragten bezeichnen die deutsche Automobilbranche als sehr stabil, 42 bzw. 40 Prozent attestieren Japans und Chinas Autoindustrie eine hohe Stabilität. Die osteuropäischen Länder hingegen tauchen auf den unteren Plätzen der Rankings auf. Jeweils 28 Prozent der Befragten bescheinigen der slowakischen und der tschechischen Automobilindustrie eine hohe Wettbewerbsfähigkeit. Damit erhalten diese beiden Länder unter den osteuropäischen Standorten die besten Noten.

„Nur auf den ersten Blick scheint Deutschland eher der Hauptverlierer der Krise zu sein als ein Gewinner – kaum ein anderes Land in Europa erlebt aktuell einen derart starken Einbruch der Wirtschaft, und die deutschen Automobilhersteller kämpfen zum Teil mit erheblichen Umsatzrückgängen“, kommentiert Peter Fuß, Partner bei Ernst & Young. „Dennoch ist das gute Abschneiden Deutschlands nicht überraschend“. Offensichtlich gehe die Mehrheit der Befragten davon aus, dass gerade die deutsche Automobilindustrie die Krise gut überstehen werden, so Fuß: „Das Ausland traut den deutschen Unternehmen zu, den Abschwung zu meistern, relativ stabil durch die Krise zu navigieren und die richtigen Antworten zu finden auf die großen Herausforderungen, vor denen die Branche steht“.

Wenn in mehreren europäischen Ländern die staatlichen Stützungsmaßnahmen für die Autoindustrie auslaufen, wird dies nach Meinung der Branche zu weniger Neuwagenkäufen führen: 61 Prozent der Unternehmen stellen sich auf sinkende Verkaufszahlen im Jahr 2010 ein, nur 13 Prozent erwarten einen positiven Trend bei den Neuzulassungen. Im Durchschnitt geht die Branche von einer 14-monatigen Dauer der Absatzkrise aus – erst Ende 2010 werden die Pkw-Neuzulassungen in Europa wieder steigen.

„Das Auslaufen der Abwrackprämien wird einen Einbruch bei den Neuzulassungen zur Folge haben – allerdings vor allem im Kleinwagensegment, das am stärksten von den Subventionen profitiert hatte“, erwartet Fuß. Mittelfristig wird nach Meinung der Branche dennoch gerade das Kleinwagensegment wachsen, während sich Fahrzeuge der Ober- und Luxusklasse schlechter verkaufen werden. 70 Prozent der Automobilmanager erwarten eine positive Entwicklung bei den Verkaufszahlen der Kleinwagen, nur 19 Prozent sehen im Premiumsegment einen Anstieg der Neuzulassungen. 45 Prozent erwarten hingegen zurückgehende Neuwagenverkäufe im Top-Segment.

Gerade für die deutsche Industrie spielt das Premiumsegment eine große Rolle. „Die aktuelle Krise stellt eine Bewährungsprobe für das Geschäftsmodell der deutschen Automobilindustrie dar“, kommentiert Fuß. „Die deutsche Autobranche muss sich neu definieren, um den gewandelten Kundenbedürfnissen auch in Zukunft gerecht werden zu können: Gerade die deutschen Premiumhersteller müssen einerseits dem Trend zu kleineren Autos folgen. Gleichzeitig stehen sie aber vor der Herausforderung, weiterhin den Standard in punkto Innovationskraft, Qualität und Fahrfreude zu definieren. Die gute Nachricht ist, dass die Branche es den deutschen Unternehmen zutraut, diesen Spagat zu schaffen“.

Unternehmen sparen – zukünftige Wettbewerbsfähigkeit gefährdet
Überall in der Automobilindustrie regiert derzeit der Rotstift: 76 Prozent der Befragten geben an, dass Kostensenkungsmaßnahmen für ihr Unternehmen aktuell von sehr großer Bedeutung sind. Anstrengungen im Bereich Forschung und Entwicklung spielen hingegen nur bei 64 Prozent der Befragten eine sehr wichtige Rolle. „Viele Unternehmen kämpfen derzeit ums Überleben, da sparen sie wo immer sie können – alles steht auf dem Prüfstand“, beobachtet Fuß. Allerdings komme die Absatzkrise zum denkbar ungünstigsten Zeitpunkt, so Fuß: „Vor uns liegt so etwas wie eine Revolution im Automobilbau. Viele Unternehmen – sowohl Zulieferer als auch Hersteller – müssen sich jetzt neu ausrichten und erhebliche Investitionen in technische Innovationen tätigen. Wer aber jetzt an Forschung und Entwicklung spart, läuft Gefahr, in Zukunft nicht mehr wettbewerbsfähig zu sein.“

„Die Spielregeln werden derzeit neu geschrieben“, stellt Fuß fest. „Erfolgskonzepte von früher werden zukünftig nicht mehr funktionieren. Es werden neue Anforderungen an die Technologiekompetenz und die Investitionsbereitschaft der Unternehmen gestellt“. Bei tendenziell sinkender Marge und schwachen Umsätzen müssten die Unternehmen genug Finanzkraft aufbringen, um aus eigener Kraft oder durch Kooperationen die Zukunftstechnologien entwickeln zu können, die über ihren zukünftigen Markterfolg entscheiden werden, so Fuß. „Wir sehen die große Gefahr, dass die dringend notwendigen Investitionen in Zukunftstechnik – vor allem bei Antriebstechnologien und Verbrauchsreduzierung – dem Rotstift zum Opfer fallen könnten.“ Diese Entwicklung hätte erhebliche negative Folgen, warnt Fuß: „Den Unternehmen, die jetzt den Anschluss verpassen, weil sie die enormen Innovationskosten nicht schultern können, könnte mittelfristig das Aus drohen“, prognostiziert Fuß.

Konsolidierungsprozess erwartet
Nicht alle Unternehmen werden die aktuelle Absatzkrise überleben und den zukünftigen Herausforderungen gewachsen sein: Jeder dritte Automanager geht davon aus, dass es zu Fusionen unter den Herstellern kommen wird, immerhin 14 Prozent der Befragten erwarten sogar, dass weitere Autohersteller insolvent werden. Vor allem die Hersteller selbst gehen davon aus, dass sich ihre Reihen lichten werden: Jeder zweite Manager eines europäischen Automobilherstellers erwartet, dass es in den kommenden Monaten zu Fusionen unter Herstellern kommen wird. „Die Branche sortiert sich neu: Während die Hersteller mit Finanzierungsproblemen und schwachen Absatzzahlen kämpfen, stehen gerade in China neue, finanzstarke Player in den Startlöchern. Diese schicken sich an, den etablierten Herstellern das Leben schwer zu machen.“

Sie möchten gerne weiterlesen?