Veränderte Mobilitätsbedürfnisse schaffen neue Geschäftsfelder, doch werden sie das klassische Geschäftsmodell der Autoindustrie nicht ablösen. Dieses Fazit ziehen die Autoren der Studie ,,Vom Automobilbauer zum Mobilitätsdienstleister“ der Strategieberatung Bain & Comnpany.
So werden aber immer mehr Großstädter auf alternative Mobilitätsangebote ausweichen und kein eigenes Auto besitzen. Viele Automobilhersteller haben ihre Chance auf die Erschließung neuer Geschäftsfelder erkannt und pilotieren derzeit ergänzende Angebote wie Car-Sharing oder kombinierte Dienste bis hin zur Mobilitätskarte.
Allerdings haben die wenigsten Hersteller schon Geschäftsmodelle etabliert, die die Möglichkeiten der neuen Mobilität und ihr traditionelles Kerngeschäft mit Neuwagen, Ersatzteilen, Service und Finanzdienstleistungen vernetzen.
Neu entstehende Geschäftsfelder wie Car-Sharing, Elektromobilität, mobile Dienstleistungen und intermodale Mobilität können profitabel betrieben werden und eröffnen erhebliche Wachstumschancen und langfristig auch großes Ertragspotenzial für die Hersteller.
Gleichzeitig drängen neue Spieler aus angrenzenden Bereichen in diese Geschäftsfelder wie zum Beispiel Autovermieter oder Car-Sharing-Spezialisten bis hin zu etablierten Technologiekonzernen wie Google oder Apple, die etwa über Apps Kunden an sich binden.
Die Automobilbauer laufen dadurch Gefahr, die Schnittstelle zum Endkunden und damit die strategische Kontrolle zu verlieren. Die Herausforderung für die Hersteller liegt darin, traditionelle Pfade zu verlassen und vorhandenes Know-how völlig neu einzusetzen. Sie sind gefordert, diese neuen Angebote mit ihrem traditionellen Geschäftsmodell zu vernetzen. ,,Eine Aufgabe, die in der Branche größtenteils ungelöst ist“, so Automobil-Experte und Bain-Partner Dr. Klaus Stricker.
,,Obwohl der traditionelle Automarkt vor allem durch die hohe Dynamik in den Schwellenländern wächst, gibt es in den Städten deutlich erkennbare Trends, die vom eigenen Auto über das ‚geteilte‘ Auto bis zur vernetzten Mobilität reichen“, sagt Stricker. Schon heute fehlt es gerade in den Metropolen an Verkehrsinfrastruktur und Parkplätzen für das Fahren mit dem eigenen Auto.
Daneben verliert das Auto als Statussymbol insbesondere unter Jüngeren in den Metropolen an Bedeutung: Bereits für 22 Prozent der heute 18- bis 25-Jährigen in Deutschland steht beim Auto der funktionale Nutzen im Vordergrund, die emotionale Bindung nimmt also ab. Zudem gibt es mehr und mehr lokale Richtlinien, die den Besitz oder Gebrauch von Autos unattraktiver machen, etwa durch Gebühren für die Londoner City oder die beschränkte Ausgabe von Autozulassungen in Shanghai und Peking.
Diese Trends zeigen sich bereits in Zahlen: Bei den Mobilitätsdiensten erreicht Car-Sharing Wachstumsraten von bis zu 40 Prozent, wenngleich auf einer noch sehr geringen Basis. Nach Bain-Analysen haben die traditionellen Automobilhersteller noch höchstens 18 Monate, um integrierte Geschäftsmodelle zu entwickeln.
Denn um beispielsweise das Potenzial der Elektromobilität auszuschöpfen, müssen auch Lösungen für Batterieleasing, ,,grünen Ladestrom“, die so genannte intelligente ,,Wallbox“ und eine funktionierende Ladeinfrastruktur bereitgestellt werden. Bereits heute tummeln sich auf diesem Markt Newcomer, die sich den Herstellern als Partner mit schnellen, pragmatischen Ansätzen anbieten.
,,Der Mobilitätsmarkt ist grundsätzlich interessant und wächst schnell, löst aber das bisherige Geschäftsmodell der Automobilindustrie nicht ab“, erklärt Stricker. ,,Neue Strategien rund um individuelle Mobilität sollten deshalb das Kerngeschäft ergänzen und die bestehenden Strukturen nutzen, wie zum Beispiel das Händlernetz oder Beziehungen zu Geschäftskunden.“
Viele Automobilhersteller haben bereits eigene Pilotprojekte zu Car-Sharing und kombinierbaren Mobilitätsdiensten gestartet: Der französische PSA-Konzern testet mit seiner Marke Citroën ein umfangreiches Mobilitätsangebot, bei dem die Automarke als Mobilitäts- und Reiseagentur fungiert. Solche Angebote – auch von deutschen Herstellern – sind bisher jedoch nur fragmentiert vorhanden und kaum in die Kerngeschäftsprozesse der Automobilhersteller integriert.