Neue Technologien, neue Wettbewerber, neue Märkte: Aktuelle und künftige Herausforderungen an die Automobilindustrie beschreibt die Studie „FAST 2025 – Future Automotive Industry Structure“ der Unternehmensberatung Oliver Wyman und des Verbandes der Automobilindustrie (VDA).

Seit mehr als 100 Jahren ist die Automobilindustrie von starkem Wachstum geprägt. Selbst fundamentale Krisen wie der Zweite Weltkrieg, die Ölkrisen I und II sowie die Finanz- und Wirtschaftskrise 2008/2009 konnten ihrer dynamischen Entwicklung wenig anhaben. Zuletzt erzielte die Automobilindustrie mit rund 80 Millionen produzierten Fahrzeugen neue Rekordwerte und ist heute eines der zentralen Standbeine der Weltwirtschaft.

So leisten Fahrzeuge und Fahrzeugkomponenten 2012 in den USA etwa 13 Prozent der gesamten Wertschöpfung, in Europa sind es 14 Prozent – und selbst die noch jungen Automärkte China und Indien kommen bereits auf 8 beziehungsweise 10 Prozent.

Die beschäftigungspolitische Bedeutung der Automobilindustrie ist ebenfalls immens. Hunderttausende von Ingenieuren entwickeln weltweit neue Modelle und technologische Innovationen, mehrere Millionen Mitarbeiter sind mit Fertigung und Montage befasst.

Gleichwohl erlebt die Automobilbranche einen starken strukturellen Wandel, etgwa durch zunehmende Modell- und Variantenvielfalt bei kürzeren Produktlebenszyklen, hohe Dynamik beim Einsatz neuer Technologien im Auto und die Elektromobilität.

Darüber hinaus hat die Bedeutung von Schwellenländern wie China oder Indien als Absatz- und Produktionsmärkte stark zugenommen. Entsprechend investieren dort die Automobilhersteller und -zulieferer zunehmend in den Auf- und Ausbau von Produktions-, Vertriebs- und Entwicklungsstandorten in diesen Ländern. Mittlerweile ist China mit einem Viertel der globalen Fahrzeugfertigung der größte Produktionsstandort der Welt.

Bis 2025 wird der Wandel der Automobilindustrie noch massiver werden. Der Studie zufolge werden sechs Trends zu fundamentalen Veränderungen führen. Die anhaltend starke Entwicklung der Schwellenländer bewirkt, dass Asien seine Position als dominante Automobilregion mit den höchsten Wachstumsraten und der größten Produktionskapazität weiter ausbaut. Tatsächlich wird dort schon heute mehr als die Hälfte aller Kraftfahrzeuge (Nutzfahrzeuge und Pkw) gefertigt.

Individuelle Kundenwünsche forcieren die Vervielfältigung von Fahrzeugmodellen und -optionen. Kamen Anfang der 1990erJahre Audi, BMW oder Mercedes-Benz noch mit jeweils 7 bis 8 Modellen aus, so hat sich diese Zahl verdreifacht. Bei gleichzeitig immer kürzeren Produktlebenszyklen treibt dies nicht nur die Kosten, sondern auch die Komplexität von unternehmensinternen Strukturen und Prozessen.

Die Innovationsbestrebungen der OEMs gelten künftig weniger dem Komfort, sondern vor allem Umweltfreundlichkeit und Effizienz. Gerade die Themen Elektromobilität und Leichtbau stehen im Fokus und werden drastische Wertverschiebungen nach sich ziehen. Der Kostendruck hält an. Kunden wünschen immer höherwertigere Fahrzeuge, Gesetzgeber fordern immer effizientere Fahrzeuge. Höhere Fahrzeugpreise aber lassen sich angesichts des starken Wettbewerbs kaum oder überhaupt nicht durchsetzen.

Schließlich erweitern zunehmende Fahrzeugvernetzung und Integration innovativer Services die traditionelle automobile Wertschöpfungskette. Neben zusätzlichen Wachstumspotenzialen erhöht sich damit der Wettbewerbsdruck durch neue Player aus anderen Industrien. Die Volatilität der Automobilindustrie, die schon seit geraumer Zeit besteht, wird sich weiter fortsetzen und sogar noch verstärken, sodass die Unternehmen für regionale oder globale Krisen mit kurzfristigen starken Absatzschwankungen gerüstet sein müssen.

Laut „FAST 2025“ ist für die weltweite Automobilindustrie bis 2025 mit einem insgesamt soliden Wachstum von jährlich rund 3 Prozent zu rechnen. Nach 840 Milliarden Euro im Jahr 2012 wird die globale automobile Wertschöpfung ohne Aftermarket auf 1 250 Milliarden Euro steigen. Getrieben wird diese Entwicklung vor allem durch China und Indien. So wird das Reich der Mitte mit rund 300 Milliarden Euro Wertschöpfung bis 2025 seine Position als wichtigstes Produktionsland weiter ausbauen. Das auch weiterhin starke Europa bleibt führender F&E Standort.

Die regionalen Fahrzeugsegmente wandeln sich ebenfalls. Zwar sind die Premiumfahrzeuge auch in Zukunft die Domäne von Europa, doch wird China, traditionell stark im Volumensegment, bis 2025 signifikant am Wachstum des Premiumsegments partizipieren. Indien hingegen baut seinen Anteil bei den Kleinwagen deutlich aus.

Eine weitere Verschiebung tritt auch in der Arbeitsteilung zwischen OEMs und Zulieferern auf. Insgesamt wird laut FAST-Studie der Anteil der OEMs an der globalen F&EWertschöpfung von heute 60 auf 47 Prozent im Jahr 2025 sinken, während sich der Anteil der Zulieferer von 32 auf 36 Prozent erhöht und die Engineering-Dienstleister ihren Anteil von 9 auf 17 Prozent fast verdoppeln. Im Produktionsbereich verstärken die Zulieferer ihre Position, ihr Wertschöpfungsanteil steigt von 65 auf 71 Prozent. Entsprechend wird der Wertschöpfungsanteil der OEM auf 29 Prozent zurückgehen.

Bezogen auf die Fahrzeugmodule werden die OEMs beim Outsourcing künftig selektiver und modulspezifischer vorgehen. Die größte Verschiebung hin zu den Zulieferern erfolgt bei elektrischen Antrieben. Die Hersteller werden zwar in diesem Bereich weiterhin Schlüsseltechnologien kontrollieren, doch ihr Anteil an der automobilen Wertschöpfung dieses Moduls wird bis 2025 auf 9 Prozent sinken, da die Produktion nur in geringem Umfang selbst durchgeführt wird.

Im Bereich Verbrennungsmotoren und Aggregate werden sich OEMs künftig noch stärker auf Montage und Systemkompetenz fokussieren. Ihr Anteil an der Wertschöpfung geht auf 32 Prozent zurück. Auch beim Exterieur, traditionell von den OEMs dominiert, geht der Trend hin zu den Zulieferern.

Das stärkste Wachstumsfeld in der Produktion werden hingegen die elektrischen Antriebe sein – trotz aller Unsicherheiten hinsichtlich der Entwicklung der Kundenakzeptanz. Die Wertschöpfung für dieses Modul steigert sich bis 2025 – getrieben durch die anhaltend hohen Preise für entsprechende Komponenten und Systeme – pro Jahr um mehr als 20 Prozent. Verglichen damit nimmt die weltweite Produktionswertschöpfung von 2012 bis 2025 jährlich um gut 3 Prozent zu – von 730 auf 1 100 Milliarden Euro.

Besonders die automobile Zulieferbranche, die es in den jüngsten Krisenjahren 2008/2009 noch schwerer hatte als die OEMs, bewegt sich künftig in einem Spannungsfeld zahlreicher Dimensionen. Zu ihren vordringlichsten Aufgaben gehört es, den globalen Footprint in F&E, Produktion und Vertrieb zu optimieren, die  Innovationskraft zu verbessern, flexible Strukturen und schlanke Organisationen zu schaffen,  Segmententwicklungen zu verstehen und Wachstumsfelder zu identifizieren, neue Kunden zu gewinnen sowie Kompetenzen und Kapazitäten aufzubauen.

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