Digital Listening

Manager sollten unbedingt ein digitales Ohr auf die Wahrnehmung des eigenen Unternehmens richten. (Bild: Illustration: Andreas Croonenbroeck)

Meinungsumfragen, Marktforschung, Mitarbeiterbefragung. Kann man alles machen. Ist aber aufwändig und mittlerweile nur bedingt aussagekräftig. Wer wirklich wissen will, wo er, sein Unternehmen, sein Team und sein Produkt steht, kommt um eine neue Disziplin nicht herum: Digital Listening. Hinter der Wortkreation steckt nichts anderes, als das Internet, vor allem Foren, Blogs und Social-Media-Kanäle, permanent zu „belauschen“. Genau hinzuhören, was über das eigene Unternehmen, Fahrzeuge, aber auch das Arbeitsklima gesprochen wird.

Es gibt zwar etliche Tools, die das Netz nach Schlagworten durchforsten. Doch damit ist es nicht getan. Mitarbeitende in F&E-Teams sowie deren Chefs müssen mitunter selbst diese Werkzeuge bedienen, sie müssen in jedem Fall aber deren Fundstücke zu deuten wissen und die richtigen Schlussfolgerungen ziehen. Zumal bei Digital Listening weniger die harten Fakten als vielmehr das Gefühl analysiert wird, das hinter den Social Media Posts steckt.

Digitale Tools helfen beim Lauschen

„Führungskräfte müssen wissen, was über ihr Unternehmen, ihre Produkte oder auch über sie selbst geschrieben wird“, sagt Philipp Rodewald, Mit-Gründer und Geschäftsführer von Webbosaurus, einem Anbieter für Review Monitoring und Social Listening. Was ist der Effekt? „Wer versteht, wie Endnutzer das eigene Produkt nutzen, welche Probleme sie haben, was gut funktioniert und was nicht, der baut langfristig bessere Produkte“, erklärt der Experte.

So sieht das auch Melina Alexa, Professorin für Online Marketing an der Hochschule Darmstadt: „Das Listening kann für die Produktentwicklung nützliche Impulse oder auch konkrete Hinweise liefern. Etwa wenn in Online-Reviews oder Diskussionen in Nutzerforen Kunden ein Produkt besprechen und auf konkrete Schwachstellen hinweisen oder sogar mögliche Verbesserungen vorschlagen, ist dies eine Fundgrube.“ Und an Autoblogs sowie -foren im Netz mangelt es wahrlich nicht.

Die Produktentwicklung profitiere vor allem, weil sie durch Digital Listening ein „unmittelbares, ungefiltertes Kundenfeedback einholen kann“, betont Social Media Consultant Tobias Tellers. „Daraus lassen sich dann wieder Rückschlüsse ableiten: Welche Features sich Kunden wünschen, womit sie noch nicht ganz zufrieden sind und so weiter.“ Digital Listening eigne sich natürlich auch zur Konkurrenzanalyse: Was gefällt Kunden an anderen Autos und Mobilitätsservices? Gibt es Probleme, die noch niemand für die Zielgruppe gelöst hat? „Das könnte der entscheidende USP des eigenen Produktes werden", erklärt Tellers.

Warum auch Personaler Digital Listening beherrschen sollten

Damit wird klar, dass digitales Lauschen vor allem in den Bereichen Produktentwicklung, Marketing, Kommunikation und CRM wichtig ist. Aber auch für die Personalarbeit, so Rodewald, sei die Methode wertvoll, um im Netz Beiträge von Mitarbeitenden und potentiellen neuen Kräften zu finden. Allerdings bedienten sich Personalverantwortliche noch kaum dieses Instruments.

Dabei könnten sie ungeschminkt herausfinden, was sich Bewerbende wünschen und was Mitarbeitende beschäftigt: „Darauf können Digital-Listening-Analysen eine klare Antwort geben“, sagt Tellers. Online Marketing-Expertin Melina Alexa sekundiert: „Für die Personalarbeit, auch im Zusammenhang mit dem Employer Branding, bietet sich Digital Listening allein schon an, um den Einschätzungen und Bewertungen auf Arbeitgeber-Bewertungsplattformen wie Kununu oder Glassdoor zuzuhören.“ Aus ungefilterten Online-Beiträgen ließe sich hervorragend herausdestillieren, wie das Unternehmen als Arbeitgeber wahrgenommen werde. „Dies ist insbesondere für den Wettbewerb um die jungen Talente oder besten Köpfe wesentlich.“

So funktioniert Digital Listening

Aber wie wird man überhaupt zum digitalen Zuhörer? „Der allererste Schritt ist, dass man sich bewusst macht, dass es eine Unmenge von öffentlich zugänglichen Online-Daten gibt, die man auswerten kann“, erläutert Melina Alexa. Dafür gebe es professionelle Services und Tools: „Es gibt eine große Bandbreite von sehr einfachen bis hin zu sehr komplexen und von kostenlosen bis hin zu sehr teuren Lösungen.“

Wichtig ist zu überlegen, welche Art von Beiträgen man finden möchte, ist Rodewalds Rat: Handelt es sich um Produktbewertungen, Filialbewertungen oder um Kundenstimmen in Foren? Dann sollte man festlegen, was man beobachten möchte: Marken, Produkte, Geschäftsführer oder Nutzer? „Zudem sollte man überlegen, wer im Unternehmen mit diesen Beiträgen arbeiten soll. Wer erhält die Beiträge per Alert, wer kümmert sich operativ um das Tool, wer benötigt nur fertige Reportings?“

Anschließend sei es wichtig, einen effektiven Prozess aufzusetzen, sagt Tellers: „Abfragen sollten aus der Perspektive der Zielgruppe gestellt sein und mindestens eine Person benannt werden, die sich federführend um die Analysen kümmert.“ Meistens könne man diese automatisieren, die Auswertung müsse aber händisch erfolgen. Außerdem sollte festgelegt werden, welche Mitarbeiter Zugriff auf die Analyseergebnisse brauchen.

Diese Fehler sollte man nicht machen

Wobei niemand erwarten sollte, auf Knopfdruck tiefschürfende Einsichten zu erhalten. „Digital Listening kann eine sinnvolle Ergänzung sein, sollte aber keinesfalls andere Analyse-Tools ersetzen oder als alleinige Entscheidungsgrundlage dienen“, warnt Tellers. „Letztlich begehen viele den Fehler und denken, sie würden beim Digital Listening ‚das Internet befragen‘, das ihnen dann dezidiert ‚antwortet‘. Das ist nicht der Fall.“ Entsprechende Analysen seien nur sinnvoll, wenn sie über einen längeren Zeitraum gemacht werden, damit Daten verglichen und richtig interpretiert werden können. Wer dem Digitalen lauscht, sollte also langen Atem mitbringen, damit es sich lohnt.

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