Seit vielen Jahren ist die RFID-Technologie in der Automobilindustrie vorrangig in der Produktionsautomatisierung im Einsatz. RFID-Tags an Montageschlitten oder Karossen identifizieren Produkt oder Auftrag und melden die Position im Fertigungsprozess an ein zentrales Steuerungssystem. Nur zögerlich gewinnt die Technik in Logistikprozessen, hier vor allem im internen Materialfluss (z.B. Kanban Produktionsversorgung) und in der Identifikation und Lokalisierung von Fahrzeugen an Bedeutung.

Hemmnisse und Potenziale

Neben physikalisch bedingten Hemmnissen wie der „Unverträglichkeit“ der Radiowellen mit metallischen Oberflächen, der Durchdringung von Flüssigkeiten oder einer begrenzten Temperaturresistenz sind es vor allem organisatorische Hürden, die die Ausbreitung der RFID-Nutzung in der Automobilindustrie bremsen. Beispielsweise ist die Festlegung eines Branchenstandards noch nicht abgeschlossen – unabdingbar für einen unternehmensübergreifenden RFID-Einsatz in der Supply Chain. Auch ist die Zusammenarbeit der Partner einer Lieferkette bereits in hohem Maße automatisiert, so dass eine Anpassung bzw. Ablösung der bestehenden Abläufe häufig nur zu geringen Produktivitätsverbesserungen in der Lieferkette führen würde – bei vergleichbar hohem Aufwand.

Dennoch liegen in der unternehmensübergreifenden Nutzung der RFID-Technologie die größten Potenziale. Beispiele sind Behältermanagement in übergreifenden Kreisläufen oder ein automatisierte Verbauprüfung und -dokumentation zur lückenlosen Fahrzeughistorie. Ein weiteres Potenzial liegt in der Möglichkeit der Speicherung von Fahrzeugdaten über den gesamten Lebenszyklus eines Fahrzeugs oder Teils auf einem RFID-Chip.

Vorgehensmodell zum Einsatz von RFID

Anwender und Systemberater konnten in in den vergangenen Jahren in Pilotprojekten viel Erfahrung mit der RFID-Technologie sammeln. Allianzen mit hoch spezialisierten Infrastrukturlieferanten wurden geschmiedet, der Markt an vorhandenen Technologien und Systemen ist transparent. Auch T-Systems ist seit einigen Jahren als Systemintegrator und Betreiber von AutoID-Systemen am Markt und hat ein fünfstufiges Vorgehensmodell zur Einführung der RFID-Technologie entwickelt: Die Ergebnisse der ersten drei Schritte erlauben jeweils eine Entscheidung über Fortsetzung oder Einstellung des Projektes, falls beispielsweise die angestrebten Ziele nicht mit vertretbarem Aufwand erreicht werden können:

1. RFID-Assessment

Meist ist die RFID-Kompetenz in Unternehmen im IT-Bereich angesiedelt, was aber nicht zu dem Schluss führen darf, dass RFID-Projekte reine IT-Projekte sind. Das Gegenteil ist der Fall – Am Anfang steht immer ein Assessment mit der Identifikation und Analyse der relevanten Prozesse und deren Schwachstellen. Die Anforderungen an eine RFID-Unterstützung der Prozesse sollten möglichst frühzeitig formuliert und in Form von KPIs (Key Performance Indicators) messbar sein. Eine solche Anforderung ist beispielsweise die konkrete Zeitersparnis und Qualitätsverbesserung durch die automatische Identifikation verbauter Teile. Auch die Integration der RFID-Infrastruktur in die bestehende Systemumgebung ist in dieser ersten Phase zu erfassen und zu dokumentieren.

Die technischen Rahmenbedingungen stellen im rauen Produktionsumfeld immer noch eine der größten Restriktionen dar. So müssen äußere Einflüsse wie Temperatur, Feuchtigkeit, bauliche Beschränkungen etc. bei der Technologieauswahl berücksichtigt werden. Ergebnisse eines RFID-Assessments sind erste Aussagen zu technischen  Einsatzmöglichkeiten in den betrachteten Prozessen, zu den Projekt- und Infrastrukturkosten sowie zur erforderlichen Projektdauer.

2. Test und Verifizierung

Dem RFID-Assessment folgt in der Regel eine möglichst realistische Testphase zur Verifizierung der Technologie. Ein neutraler Technologielieferant sollte über das notwendige Know-How und Equipment verfügen, um solche Tests vor Ort oder in einem Testlabor durchzuführen. Eine Detaillierung der Wirtschaftlichkeitsrechnung kann durch eine Simulation der neu zu gestaltenden Soll-Abläufe und Vergleich mit dem Ist-Zustand untermauert werden.

Ein positiver Business Case sollte allerdings nicht das alleinige Entscheidungskriterium für die Fortführung oder den Abbruch des Vorhabens sein, da viele Nutzen-Effekte zum Zeitpunkt des Tests noch nicht messbar oder generell nicht monetär zu bewerten sind.

3. Pilotierung

Nach einer Feinspezifikation erfolgt die Realisierung und der Aufbau des Systems in einer eingegrenzten Produktivumgebung. Die Anwender werden in den neuen Abläufen geschult, Fallbackmechanismen müssen einen reibungslosen Rückbau auf die bisherige Technologie (z.B. Barcode, manuelle Eingabe) ermöglichen. In der Regel ist auf dem RFID-Label die Ident-Nummer als Barcode oder in Klarschrift aufgedruckt.

4. Rollout

Nach einer Konsolidierungsphase des Piloten kann das System mit vergleichsweise geringerem Aufwand auf weitere Prozesse des selben Typs übertragen werden. Im Idealfall liegt nach dem Piloten ein Template vor, das bereits einen Großteil der Anforderungen weiterer Prozesse abdeckt. Voraussetzung ist auch hier eine größtmögliche Harmonisierung gleichartiger Prozesse im Unternehmen.

5. Produktiver Betrieb

Die Beschaffung und Wartung der RFID-Komponenten (Tags, Schreib- und Lesegeräte, Systemsoftware und Server) kann entweder innerhalb der eigenen IT-Maintenance erfolgen, oder aber an einen Dienstleister ausgelagert werden. T-Systems hat hierfür ein Betriebskonzept Right-Time Enterprise Services (RES-Plattform) entwickelt. Die komplette RFID-Infrastruktur und Datenhaltung bis zur Schnittstelle in die Anwendungssysteme wird auf einer sicheren Plattform mit transparenten Serviceprozessen betrieben. Die Inanspruchnahme dieses Services wird nutzungsorientiert auf der Basis von Service Level Vereinbarungen abgerechnet. Dadurch ist für den Anwender höchstmögliche Flexibilität in Bezug auf Verfügbarkeit und Kosten gegeben.

Fazit

Die RFID-Technologie hat bereits heute in vielen Unternehmensprozessen ihren Nutzen nachgewiesen. Voraussetzung für den Erfolg von RFID-Projekten ist eine klare Formulierung der Anforderungen und Erwartungen sowie eine konsequente Umsetzung. Wo möglich sollten Standards genutzt werden, bzw. die Realisierung von Standards in den entsprechenden Gremien eingefordert und unterstützt werden. Heute ist die Frage nicht mehr, ob sich die RFID-Technologie durchsetzen wird, sondern eher, wann sie sich durchsetzen wird. Ein Warten auf entsprechende Kundenanforderungen führt lediglich zu hohem Druck und Fremdbestimmung bei der Umsetzung.

Autoren

Karl-Heinz Braun, Solution Manager SCM im Business Development bei T-Systems

Christian Schwöbel, Senior Consultant im Automotive Segment bei T-Systems

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