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Das Software-Defined Vehicle definiert die Zukunft der Automobilindustrie. (Bild: Volkswagen)

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Der automotiveIT car.summit am 5. November 2024 in München bringt Experten und Stakeholder von OEMs, Zulieferer und Tech-Player an einen Tisch, um die Herausforderungen um das Software-Defined Vehicle, autonomes Fahren und Connectivity zu diskutieren. Gleichzeitig soll die Brücke zwischen klassischer Fahrzeugentwicklung und Software/IT geschlagen werden, da die Autobranche das Auto von Grund auf neu denken und verstärkt auf Kollaborationen setzen muss. 🎫 Jetzt Ticket sichern!

Die so oft beschriebene Transformation der Automobilindustrie ist untrennbar verbunden mit der technologischen Evolution hin zum Software-Defined Vehicle (SDV) – oder Software-definierten Fahrzeug. Neue und künftige softwarezentrierte Fahrzeuge repräsentieren dabei einen Paradigmenwechsel, bei dem Software nicht nur eine unterstützende, sondern die zentrale Rolle spielt. Während traditionelle Fahrzeuge durch mechanische und hardwarebasierte Systeme definiert wurden, entstehen nun Fahrzeuge, deren wesentliche Funktionen durch Software gesteuert und definiert werden. Dies hat auch massive Auswirkungen auf die Hersteller und deren Belegschaft. „Software-first ist auch im Hinblick auf den Fachkräftemangel ein wichtiger Punkt", betonte etwa Pedro Pacheco, VP Research bei Gartner bereits auf dem automotiveIT Kongress 2023. Aktuell finde der Kampf um den Thron als bester Software-Autobauer zwischen den USA und China statt, so der Analyst.

Dieser Artikel soll grundlegende technologische, sicherheitsrelevante, rechtliche und wirtschaftliche Fragen rund um das Software-Defined Vehicle beantworten.

Ab wann ist ein Auto ein Software-Defined Vehicle?

Eine klare Abgrenzung, welche Modelle als Software-Defined Vehicle eingeordnet werden können und welche nicht, gibt es nicht. Dennoch gibt es generelle Merkmale eines SDVs:

  • Zentrale Steuerung durch Software: Hauptfunktionen werden durch Software gesteuert und optimiert.
  • Over-the-Air-Updates (OTA): Software kann drahtlos aktualisiert werden, um neue Funktionen hinzuzufügen oder bestehende zu verbessern.
  • Modularität und Flexibilität: Die Softwarearchitektur ermöglicht unabhängige Updates und Weiterentwicklung des Fahrzeugs.
  • Autonomes Fahren und Assistenzsysteme: Integration fortschrittlicher Fahrerassistenz- und autonomer Fahrfunktionen.
  • Personalisierung und datengetriebene Dienste: Hohe Anpassbarkeit und Integration datenbasierter Dienste.

SDV benötigt robuste und sichere Softwarearchitekturen

Die technologische Grundlage eines Software-Defined Vehicles ist eine hochentwickelte Softwarearchitektur, die für ihre Robustheit und Sicherheit entscheidend ist. Um sicherzustellen, dass die Software zuverlässig funktioniert, müssen Entwickler rigorose Testverfahren und formale Verifikationsmethoden anwenden. Insbesondere in sicherheitskritischen Bereichen wie Bremsen oder autonomen Fahrsystemen ist es unerlässlich, dass die Software fehlerfrei und unter allen Bedingungen stabil bleibt. Hierfür sind redundante Systeme, Echtzeitüberwachung und Notfallprotokolle notwendig, die sofort eingreifen können, wenn ein Fehler auftritt.

Modulare und zentrale Softwarearchitekturen

Die Herausforderung der Integration besteht darin, dass ein Software-Defined Vehicle zahlreiche unterschiedliche Software- und Hardwarekomponenten miteinander verbinden muss. Dabei geht der Trend klar weg von einer modularen hin zu einer zentralisierten Softwarearchitektur, die es ermöglicht, verschiedene Komponenten unabhängig voneinander zu aktualisieren und auszutauschen. Während eine modulare Architektur standardisierte Schnittstellen und Kommunikationsprotokolle erfordert , um sicherzustellen, dass alle Systeme reibungslos zusammenarbeiten, unabhängig davon, ob sie von unterschiedlichen Herstellern stammen, wird bei einer zentralisierten Softwarearchitektur die Steuerung und Verwaltung aller elektronischen Systeme und Funktionen des Fahrzeugs von einer zentralen Recheneinheit, übernommen.

So wird das Software Defined Vehicle gesteuert

In SDVs werden Electronic Control Units (ECUs), also klassische Steuergeräte, die spezifische Funktionen wie Motorsteuerung, Bremsen, oder Infotainment überwachen und steuern, zunehmend durch zentrale Rechenplattformen und Domain-Controller ersetzt:

  • Zentrale Rechenplattformen (HPCs) steuern mehrere Fahrzeugfunktionen parallel und laufen auf Betriebssystemen, die virtuelle Maschinen unterstützen.

  • Domain-Controller verwalten anstelle vieler ECUs verschiedene Funktionsbereiche des Fahrzeugs (z.B. Antrieb, Infotainment) in einer zentralen Einheit.

  • Gateway-Controller sind zentrale Knotenpunkte, die die Datenkommunikation zwischen verschiedenen Systemen und der Außenwelt koordinieren.

Diese Architekturen reduzieren die Anzahl der Hardwarekomponenten, verbessern die Leistung und ermöglichen eine flexiblere, softwarebasierte Fahrzeugsteuerung.

So wichtig sind sichere Over-the-Air-Updates (OTA)

Over-the-Air-Updates sind ein zentraler Bestandteil des SDV-Konzepts, da diese ermöglichen, die Software kontinuierlich zu verbessern und neue Funktionen hinzuzufügen, ohne dass das Fahrzeug in die Werkstatt muss. Um die Sicherheit dieser Updates zu gewährleisten, sind verschlüsselte Kommunikationskanäle und strenge Authentifizierungsverfahren notwendig. Hersteller müssen sicherstellen, dass OTA-Updates das Fahrzeug nicht anfällig für Cyberangriffe machen und dass die Updates keine neuen Sicherheitslücken einführen.

Minimierung von Sicherheitsrisiken

Mit der zunehmenden Vernetzung von Software-Defined Vehicles steigt auch das Risiko von Cyberangriffen. Hersteller müssen daher umfassende Sicherheitsstrategien entwickeln, die den gesamten Lebenszyklus eines Fahrzeugs abdecken. Dies umfasst den Einsatz von Firewalls, Intrusion-Detection-Systemen und regelmäßigen Sicherheitsaudits. Darüber hinaus müssen die Fahrzeuge so konzipiert werden, dass im Falle eines Angriffs kritische Systeme wie Bremsen und Lenkung weiterhin manuell kontrollierbar bleiben.

Datenschutz und Privatsphäre im SDV

Software-Defined Vehicles sammeln eine Vielzahl von Daten, darunter Standortinformationen, Fahrgewohnheiten und biometrische Daten der Insassen. Es ist daher entscheidend, dass strenge Datenschutzrichtlinien eingehalten werden. Die Daten müssen sicher gespeichert und verarbeitet werden, Nutzer sollten volle Kontrolle darüber haben, welche Daten gesammelt und wie diese verwendet werden. Transparenz seitens der Hersteller und klare Einwilligungsprozesse für die Datennutzung sind unerlässlich, um das Vertrauen der Nutzer zu gewinnen und zu bewahren.

Rechtliche Aspekte rund um das Software-Defined Vehicle

Software-Defined Vehicles werfen insbesondere in Bezug auf automatisierte Fahrfunktionen eine Vielzahl rechtlicher Fragen auf. Traditionelle Haftungsmodelle, die sich bei Unfällen auf den Fahrer konzentrieren, müssen je nach SAE-Level überarbeitet werden, um den Fällen gerecht zu werden, in denen die Software für Fahrentscheidungen verantwortlich ist. Mehr dazu lesen Sie hier.

Die Level des autonomen Fahrens:

 

Um den Grad der Automatisierung von Fahrzeugen zu beschreiben, wird seit 2014 die Norm J3016 der SAE International herangezogen. Sie klassifiziert die Systeme automatisierten Fahrens in sechs Stufen.

 

Level 0 – keine Automatisierung

Level 1 – Fahrerassistenz

Level 2 – Teilautomatisierung

Level 3 – Bedingte Automatisierung

Level 4 – Hochautomatisierung

Level 5 – Vollautomatisierung

Zertifizierung und Standards

Die Zertifizierung von Software-Defined Vehicles erfordert neue Ansätze, da herkömmliche Testmethoden, die sich auf Hardware konzentrieren, nicht ausreichen. Es müssen standardisierte Verfahren entwickelt werden, um die Sicherheit und Zuverlässigkeit der Software zu bewerten. Dies kann Simulationen, Prüfstände und umfangreiche Feldtests umfassen. Internationale Normen und Standards spielen eine wichtige Rolle, um die Interoperabilität und Sicherheit von SDVs weltweit zu gewährleisten.

Verschiedene Unternehmen entwickeln hierfür fortschrittliche Plattformen. Internationale Standards, etwa ISO 26262 und UNECE-Regelungen, werden angepasst, um die Sicherheit und Interoperabilität von SDVs zu gewährleisten. Kooperationen wie beispielsweise Automotive Grade Linux und die 5G Automotive Association fördern die Standardisierung und Vernetzung von SDVs weltweit.

SDV sorgt für neue Geschäftsmodelle

Traditionelle Geschäftsmodelle, die sich auf den Verkauf von Fahrzeugen konzentrieren, werden zunehmend durch neue Mobilitätsdienste, abonnementbasierte Softwarefunktionen und datengetriebene Dienstleistungen ergänzt. Die Anpassung der Wertschöpfungsketten ist hierbei essenziell, um die zunehmende Bedeutung von Software und Elektronik zu berücksichtigen. Auch neue Partnerschaften mit Technologieunternehmen werden unabdingbar.

Software-Defined Vehicles leben deutlich länger

Mit der Einführung von SDVs lässt sich der Lebenszyklus von Fahrzeugen erheblich verändern. Regelmäßige Software-Updates können die Nutzungsdauer von Fahrzeugen verlängern, indem sie neue Funktionen hinzufügen und bestehende Systeme verbessern. Dies bedingt einen Wandel im Fahrzeugmarkt, bei dem der Wiederverkaufswert von Fahrzeugen stärker von der Aktualität der Software als von der Abnutzung der Hardware abhängt.

Kontrolle über Daten und Algorithmen

Die Frage, wer die Kontrolle über die Algorithmen hat, die SDVs steuern, ist von zentraler Bedeutung. Es muss sichergestellt werden, dass diese Systeme transparent und überprüfbar sind, um Missbrauch zu verhindern. Darüber hinaus müssen klare Regelungen festgelegt werden, wer Zugriff auf die von SDVs gesammelten Daten hat und wie diese verwendet werden dürfen. Regierungen und Aufsichtsbehörden spielen eine wichtige Rolle dabei, einen rechtlichen Rahmen zu schaffen, der den Schutz der Verbraucher gewährleistet und gleichzeitig Innovation fördert.

Das Software-Defined Vehicle stellt einen entscheidenden Wandel in der Automobilindustrie dar. Während die Technologie eine immense Chance bietet, die Art und Weise, wie wir Fahrzeuge nutzen und wahrnehmen, zu revolutionieren, bringt sie auch eine Reihe komplexer Herausforderungen mit sich. Von technologischen und sicherheitsrelevanten Fragen bis hin zu rechtlichen, wirtschaftlichen und ethischen Überlegungen – die Einführung von SDVs erfordert einen ganzheitlichen Ansatz, der Innovation, Sicherheit und gesellschaftliche Akzeptanz in Einklang bringt.

Für die Automobilindustrie und die Gesellschaft insgesamt dürfte entscheidend werden, diese Herausforderungen proaktiv anzugehen und dabei einen klaren Fokus auf die langfristigen Vorteile zu legen, die SDVs bieten können: mehr Sicherheit, Effizienz und eine personalisierte Mobilität der Zukunft.

Was hemmt die Entwicklung von Software Defined Vehicles?

Viele OEMs tun sich bei der Entwicklung von SDVs aus folgenden Gründen schwer:

 

  • Komplexität der Softwareentwicklung: OEMs haben traditionell Expertise in Hardware, weniger in der hochkomplexen Softwareentwicklung, die SDVs erfordern.
  • Mangel an IT-Kompetenz: Oft fehlt es an ausreichend qualifizierten Software-Ingenieuren, und der Kulturwandel hin zu einer Software-zentrierten Denkweise ist herausfordernd.
  • Fragmentierte Zuliefererlandschaft: Die Koordination von Hardware- und Software-Zulieferern ist komplex und erschwert die Integration.
  • Sicherheitsanforderungen: SDVs müssen extrem sicher und zuverlässig sein, was umfangreiche Tests und Cybersecurity-Maßnahmen erfordert.
  • Neue Geschäftsmodelle: Hersteller müssen von traditionellen Verkaufsmodellen auf softwarebasierte Erlösmodelle umstellen, was hohe Investitionen erfordert.
  • Wettbewerb mit Tech-Unternehmen: OEMs stehen in direkter Konkurrenz zu Tech-Giganten, die in der Softwareentwicklung oft voraus sind.
  • Regulatorische Hürden: Unterschiedliche und strenge Vorschriften sowie Haftungsfragen verlangsamen die Entwicklung.

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