
Die deutschen Autobauer setzen bei YouTube noch zu stark auf klassische Werbesports. (Bild: Screenshots (YouTube-Content Hersteller)
Seit gut fünfzehn Jahren sind die deutschen Automarken nun auf YouTube vertreten. Die Videoplattform ergänzt mittlerweile nicht nur die Fernsehwerbung, sondern ermöglicht neue Formen der Kundenbindung sowie einen besseren Zugang zu jüngeren Käuferschichten. Die Reichweite spielt dabei eine eher untergeordnete Rolle, erklärt Simon Kaiser, Geschäftsführer der YouTube-Agentur „Klein aber“, der zusammen mit automotiveIT die Kanäle der deutschen OEMs analysiert und ihre Strategien bewertet hat.
Thumbnails schaffen einen Überblick
Abonnentenanzahl und Klicks sind seines Erachtens längst nicht so bedeutsam wie die Zeit, die der Kunde mit den Videos verbringt. Wichtig sei dafür der Wiedererkennungswert in Form von Thumbnails und Titeln. Den besten Überblick schaffe Opel. Im Gegensatz zu VW, Audi oder Porsche seien die Inhalte der Rüsselsheimer auf den ersten Blick leichter zu unterscheiden.
Bei BMW und Daimler falle in dieser Hinsicht vor allem eine Diskrepanz zwischen den verschiedenen Unternehmenskanälen auf: Gerade die deutschen Markenauftritte böten kaum Unterscheidungsmöglichkeiten, obwohl der Inhalt der Videos mitunter stark variiere. Zudem gebe es Verbesserungspotenzial beim Design. Bildsprache und Ästhetik wirkten etwa bei Audi und Mercedes austauschbar und beliebig, moniert Kaiser.

Erste Anlaufstelle für Kunden
Auch der Inhalt der Videos erfüllt mitunter nicht die Ansprüche des Experten: Ein Großteil des Contents besteht aus Werbespots jedweder Art. „Nutzer sind nicht auf YouTube, um Werbung zu sehen“, betont er. „Sie wollen vielmehr inspiriert, unterhalten oder informiert werden.“ Notwendig seien dafür drei unterschiedliche Formate.
Erstens die sogenannten Hero-Videos, die eine breite Masse ansprechen. Sie sollen die Markenwerte über die Kernzielgruppe hinaus verbreiten, ohne das Produkt in den Vordergrund zu stellen, und dadurch zum Teilen animieren. Hier sticht vor allem Opel positiv heraus, wenngleich Prominente wie Jürgen Klopp oder Eva Padberg primär für Werbekampagnen genutzt wurden.
Zweitens sollten sich die OEMs mit Help Content als erste Anlaufstelle bei Kundenfragen positionieren. Tutorials zu Fahrzeugfunktionen oder Erklärvideos zu neuen Technologien finden sich jedoch nicht bei allen Herstellern: Einzig Opel, Volkswagen und der Hauptkanal von BMW widmen sich regelmäßig derartigen Inhalten. Audi vernachlässigt zwar den Help Content, beantwortet aber zumindest konkrete Community-Fragen in Videoform.
Autobauer zögern bei seriellen Formaten
Damit Zuschauer den Kanal abonnieren und an die Marke gebunden werden, bedarf es letztlich der dritten Form des Formats – der Serie. Auch hier hatte Opel laut Simon Kaiser zunächst den richtigen Weg eingeschlagen, die seriellen Formate jedoch zu schnell eingestellt. VW agierte noch zurückhaltender und veröffentlichte in den letzten vier Jahren einzig eine dreiteilige Serie zum Jubiläum des GTI.
Bei den Premium-OEMs sind sogenannte Hub Videos schon eher zu finden. Während Audi mittlerweile die Serie „Neuland“ gestartet hat, nachdem zuvor nur wenige und viel zu kurze Formate produziert wurden, ergänzt Porsche sein 9:11 Magazine etwa durch die neue Porsche Passion School.
Vorreiter bleiben BMW und Mercedes. Die Münchner veröffentlichen auf beiden Kanälen das regelmäßig erscheinende „BMW Today“, das sich zwar durch eine angemessene Videodauer, aber auch durch ein suboptimales Hochkantformat auszeichnet. Mit den vor einem Jahr erschienenen Fanblick-Folgen, zeigte der deutsche Auftritt laut Kaiser zudem, wie ein Format aussehen könnte, das die Community zur Interaktion animiert.
Mercedes hingegen setzt auf eine Zusammenarbeit mit den bei Autoliebhabern bekannten Moderatoren JP Kraemer und Matthias Malmedie. Sie testen neue Modelle, werfen einen Blick hinter die Kulissen und bewahren dabei den Unterhaltungsfaktor der reichweitenstarken Videos.
Fazit des YouTube-Experten
„Zwischen Werbespots, Imagevideos, Kampagnen mit Sponsoring-Partnern oder How-to-Videos fällt somit nur Mercedes mit einem sehr erfolgreichen Format auf – zumindest für die Laufzeit der Produktion“, analysiert Kaiser.
Keiner der OEMs würde das Potenzial von YouTube damit voll ausschöpfen, besonders das Community-Management fehle gänzlich. Die Marken sollten kurzfristige Aktionen vermeiden, das Werbebedürfnis unterdrücken und selbst zu Influencern werden. Nur so könne aus einem Date mit einem Kunden eine langfristige Beziehung werden.
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