Um mindestens zwei Jahre hinkt die deutsche Automobilindustrie der internationalen Konkurrenz bei der Entwicklung alternativer Antriebstechnologien hinterher. Ohne schlüssige Strategie werden die Folgen für den stärksten Wirtschaftsfaktor iin Deutschland dramatisch sein, warnen die Unternehmensberater von Technomar in einem Whitepaper ,,Optionen für Deutschlands Automobilindustrie“.
Danach bestehen heute kaum noch Zweifel, dass der Durchbruch der Elektromobilität in den nächsten 10 bis 15 Jahren erfolgt: Nicht zuletzt durch massive staatliche Förderung sind manche Modelle finanziell schon heute konkurrenzfähig und attraktiv. Besetzt wird dieser Markt künftig vor allem von Schwellenländern wie China und Indien, während Deutschland sich überwiegend mit Ankündigungen, Konzeptstudien und Kleinstserien beteiligt.
Technomar sieht die Gefahr, dass immer mehr gerade europäische Tradi-tionsmarken verschwinden oder von Asien aus aufgekauft werden wie bisher schon Jaguar und Volvo. Besonders gravierend würde das die kleinen und mittel-ständischen Unternehmen in Deutschland treffen, die von den großen Autobauern abhängen und  auf künftig weitgehend überflüssige Komponenten der Antriebstechnik spezialisiert sind.

Heute noch liegen beim Antriebsstrang 50 Prozent der Wertschöpfung direkt beim Autobauer und 49 Prozent beim meist deutschen Zulieferer wie Bosch für die Elektronik, ZF für Getriebe und Mahle für Kolben.  Doch die für Deutschlands Automobilindustrie so charakteristischen Vorteile wie überlegene Verbren-nungsmotoren und hoch präzise Getriebetechnik werden für Elektroautos nicht mehr gebraucht.

Der Kampf um die automobile Zukunft hat längst begonnen. Technomar nennt den Plan des chinesischen Batterie- und Autobauers BYD, von einer Europazentrale in Frankfurt aus schon 2011 Elektroautos mit einem sicher hervorragendem Preis-Leistungsverhältnis zu vertreiben, als ein  Alarmzeichen. Das sei ,,keine Panikmache, sondern knallharte Realität“, heißt es in dem Whitepaper. Für die möglichen Folgen gibt es Beispiele: Wer hätte noch vor wenigen Jahren geglaubt, dasss die Konkurrenz aus Fernost deutsche Traditionsprodukte wie Mobiltelefone von Siemens, Unterhaltungselektronik von Telefunken oder Computer von Nixdorf aus dem Markt boxt ?
Außerdem drängen noch neue Player in den Markt, vor allem große Stromversorger und Telekommunikationsfirmen. Mit einer eigenen Konzeptstudie, dem Elektroauto E 3, hat zum Beispiel EWE schon klar gemacht, dass man nicht auf Fahrzeuge der deutschen Autobauer warten will. Durch langjährige Kundenbindung und Quersubventionen können Stromversorger Elektromobilität zu konkurrenzlos günstigen Preisen anbieten. Die Stromversorger können den Autobauern die Markenhoheit nehmen und sie zu Zulieferern degradieren. Doch darüber hinaus müssen sich die etablierten Marken nicht nur gegen No-Name-Hersteller aus Fernost. sondern künftig vielleicht auch noch gegen Megabrands wie Google, Apple oder Red Bull verteidigen, die alle schon Kompetenz für den Automarkt der Zukunft aufgebaut haben.
Auch für die meisten Tankstellen kann die absehbare Entwicklung das Ende bedeuten. 80 Prozent der Deutschen wollen ein Elektroauto daheim aufladen, Ladesäulen an Tankstellen sind nur für längere Fahrten sinnvoll. Auch den von Betterplace geplanten Batteriewechselstationen gibt Technomar wenig Chancen: Die Stationen sind zu teuer, die Ablehnung eines einheitlichen Batteriestandards durch die Autobauer ist ein schwer wiegendes Hemmnis. ,,Sollten sich batteriebetriebene Elektroautos langfristig gegen Antriebe mit Verbrennungsmotoren durchsetzeb, bedeutet das mit großer Wahrscheinlichkeit das Ende herkömmlicher Tankstellen“, heißt es im Whitepaper.
Bei den Lithium-Ionen-Batterien hat Deutschland den Anschluss längst verloren, so Technomar. Wenn diesen Batterien ab 2020 der Durchbruch gelingt, verliert die deutsche Autobranche bis 2030 mehr als die Hälfte ihres Marktvolumens und  damit auch das Kapital, Marktanteile zurückzugewinnen.
In einem Kernkompetenz-Szenario hat Technomar nach Zukunftschancen für die deutsche Autoindustrie gesucht. Bis zum Jahr 2020 wird laut Whitepaper die Zahl der mit Erdgas und der als Hybriden betriebenen Autos schnell steigen. In beiden Fällen kann die deutsche Autobranche einen Großteil der Wertschöpfung verteidigen. Dann dürfte zunächst die Zeit der Lithium-Ionen-Batterien kommen. Trotz ihres großen Rückstandes sollte die deutsche Industrie dieses Segment nicht aufgeben, sondern für die Praxiserfahrung nutzen. Ab 2024 könnten dann neue Technologien wie Lithium-Luft-Batterien wichtiger werden – und die deutsche Autoindustrie mit heute schon forcierter Forschung dabei zum Marktführer werden. Das gilt auch für die verrmutlich ab 2030 wichtige Wasserstoff-Technologie.
Doch für so optimistische Szenarien  braucht es laut Technomar klare politische Rahmenbedingungen: Nur klare und harte gesetzliche Vorgaben bewegen den Verbraucher zum Umsteigen auf umweltschonende Technologien. Notwendig sind weitere Fördergelder für Unternehmen, die einen zeitnahen Umstieg auf alternative Antriebskonzepte anstreben. Hinzu kommen eine schlüssige Information der Verbraucher und last not least finanzielle Kaufanreize.

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