Ein Robotaxi von Cruise steht auf der Straße, während ein Fahrradfahrer vorbeifährt.

Cruise startet seinen Robotaxi-Dienst mit einer umgebauten Variante des Chevrolet Bolt. (Bild: Cruise)

San Francisco galt bis vor kurzem als großer Testfall für die selbstfahrenden Fahrzeuge der General-Motors-Tochter Cruise und der Google-Schwesterfirma Waymo. Erst im August 2023 bekamen beide Unternehmen die Erlaubnis zur Ausweitung ihrer dortigen fahrerlosen Beförderungen. Jetzt setzte die kalifornische Verkehrsbehörde nach zwei Vorfällen mit Fußgängern die entsprechende Erlaubnis der GM-Tochter unbefristet aus. Cruise darf vorerst keine Autos ohne Menschen am Steuer mehr auf die Straßen in San Francisco schicken.

Dieser Beschluss basiert vorrangig auf einem Unfall im Oktober, bei dem eine Frau unter ein Cruise-Fahrzeug geraten und von dem Wagen rund sechs Meter mitgeschleift worden war. Das selbstfahrende Auto habe zwar gebremst, den Zusammenstoß jedoch nicht mehr verhindern können. Im Zuge der Ermittlungen trat Kyle Vogt von seinem Posten als Cruise-CEO zurück. Vogt war seit Februar 2022 Chef von Cruise. Er wolle nun Zeit mit seiner Familie verbringen und neuen Ideen nachgehen, wie er selbst auf der Online-Plattform X mitteilte. Zusätzlich entlässt Cruise nun über 20 Prozent seiner Vollzeit-Beschäftigten. Betroffen sind rund 900 Stellen, hauptsächlich im nicht-technischen Bereich, hieß es in einer veröffentlichten E-Mail an die Mitarbeiter.

Nun soll die Software der 950 autonomen Fahrzeuge aktualisiert werden. Mit den Änderungen verhält sich das Computer-System in solchen Situationen künftig anders, heißt es in Unterlagen zu dem Update bei der US-Verkehrssicherheitsbehörde NHTSA. Cruise selbst deklarierte das Update als freiwillige Rückrufaktion. Nachdem die Fahrten ohne Menschen am Steuer in San Francisco untersagt wurden, stoppte die GM-Tochter diese auch in anderen US-Städten. Das Update sei zunächst in der Testflotte installiert worden und die Wiederaufnahme der Fahrten ohne Fahrer soll erst stattfinden, wenn alle Fahrzeuge es erhalten haben, erläuterte der Hersteller in den von der NHTSA veröffentlichten Unterlagen.

Zusätzlich setzt General Motors unterdessen den Bau einer künftigen Fahrzeug-Generation von Cruise ohne Lenkrad und Pedale aus. Nach der Fertigung einer kleinen Zahl von Vorserien-Fahrzeugen werde die Produktion vorläufig gestoppt, teilte ein Sprecher des OEMs mit. Er machte hingegen keine Angaben dazu, wie schnell sie wieder anlaufen könnte. Die Fahrzeuge der Baureihe Origin wurden zusammen mit Honda entwickelt und sollen nach bisherigen Plänen in einigen Jahren auch in Japan zum Einsatz kommen.

Die Zeiten, in denen Cruise noch als Erfolgsgeschichte galt, sind damit wohl endgültig beendet. Als General Motors das Startup im Jahr 2016 übernahm und damit seine Aktivitäten beim autonomen Fahren bündelte, kauften sich die US-Amerikaner laut eigener Aussage einen „einzigartigen Technologievorsprung“ ein. Sieben Jahre später schien endlich der große Wurf gelungen. Die kalifornische Behörde California Public Utilities Commission (CPUC) stimmte dem uneingeschränkten Betrieb von Robotaxis in San Francisco zu – ohne Sicherheitsfahrer, rund um die Uhr und im gesamten Stadtgebiet.

Eine Woche später hagelte es bereits den erstem Dämpfer für die euphorische Stimmung. Ein selbstfahrendes Auto kollidierte nachts mit einem Leiterwagen der Feuerwehr. Der Fahrgast kam mit leichten Verletzungen ins Krankenhaus. Das Robotaxi habe den Feuerwehrwagen „fast sofort“ erkannt, als dieser um die Ecke kam, schreibt das Unternehmen in einem Blog-Beitrag. Dass dies so spät erfolgte, sei auf die schlechte Einsehbarkeit der Kreuzung zurückzuführen, die Mensch und Maschine gleichermaßen vor Probleme stelle. Auch die Sirene habe das Fahrzeug „so schnell wie möglich“ aus dem Hintergrundlärm herausgefiltert. Da das Rettungsfahrzeug jedoch auf der Gegenfahrbahn fuhr, habe sich die Vorhersage des Fahrtwegs „verkompliziert“. Die Kollision sei trotz Bremsmanöver nicht vermeidbar gewesen.

Robotaxis sind Kritikern ein Dorn im Auge

Es war nicht der erste Vorfall in dieser kurzen Zeit: Ein Cruise-Taxi blieb bei Straßenbauarbeiten in nassem Beton stecken, andere blockierten aufgrund des überlasteten Mobilfunknetzes die Straße. Mit dem Unfall schritt nun das Department of Motor Vehicles (DMV) und beschränkte bis zum Abschluss der Untersuchung die Anzahl autonomer Taxis. Tagsüber darf Cruise nun maximal 50 und nachts bis zu 150 Robotaxis auf die Straße schicken. Mit der Halbierung der Flotte ist Cruise somit – wie zuvor – fast nur in der Nacht unterwegs. Ein herber Rückschlag für die Vision von Cruise-Chef Kyle Vogt, der jüngst noch tausende autonome Taxis in Großstädten prophezeite und zugleich Wasser auf die Mühlen der Kritiker.

Seit Monaten regt sich Widerstand gegen die Robotaxis. Verkehrsbetriebe, Parlamentarier und Einwohner hatten immer wieder Sicherheitsbedenken geäußert und dafür technische Defekte sowie das Blockieren von Verkehr oder Rettungswagen angeführt. Zu den Kritikern zählte ausgerechnet auch die Feuerwehrchefin der Stadt, Janine Nicholson. Sie bezeichnete die Technologie als „noch nicht reif“ und beklagte mehr als 60 Zwischenfälle in den vergangenen 15 Monaten. Cruise äußerte sich in seinem Blog-Beitrag zwar nicht konkret dazu, führte aber allein in den ersten sieben Monaten des Jahres mehr als 168.000 Interaktionen mit Rettungsfahrzeugen an. Insgesamt kommt die GM-Tochter auf über 4,2 Millionen Kilometer an vollautonomen Fahrten in San Francisco.

General Motors investiert massiv in Robotaxis

Der Grundpfeiler für den Robotaxi-Dienst von Cruise ist der vollelektrische Chevrolet Bolt, der am Standort Orion Township in Michigan gefertigt wird. Ausgestattet ist dafür mit Lidar, Radar, Kameras sowie Algorithmen auf Basis künstlicher Intelligenz. Nach Kyle Vogts medienwirksamer Probefahrt ohne Sicherheitsfahrer nahm der Dienst im Februar 2022 offiziell seinen Betrieb auf, war zunächst aber auf einige Stadtteile sowie nächtliche Fahrten beschränkt. Mary Barra, CEO von General Motors, bezeichnete ihre erste autonome Fahrt als „surreal“ und Highlight ihrer Karriere als Ingenieurin.

Die Vergrößerung der Flotte strebt General Motors vor allem mit dem Cruise Origin an. Das dediziert auf Ridehailing ausgelegte, elektrische und autonome Shuttle wurde Anfang 2020 als Prototyp auf die Räder gestellt. Im Folgejahr wurden die ersten Testfahrzeuge gebaut, noch in diesem die Serienproduktion am Standort Detroit-Hamtramck beginnen. Dass Cruise bis Ende des Jahrzehnts rund 50 Milliarden US-Dollar zum Umsatz von GM beitragen soll, verdeutlicht die gigantische Geldmenge von 35 Milliarden US-Dollar, die der Autohersteller in elektrische und selbstfahrende Autos stecken will. „Wir investieren aggressiv“, verkündete GM-Chefin Mary Barra.

Der autonome Cruise Origin fährt auf der Straße.
Der Cruise Origin soll im kommenden Jahr in Serienproduktion gehen. (Bild: Cruise)

Cruise will seinen Robotaxi-Dienst exportieren

Nach den anfänglichen Investitionen – an denen sich etwa auch Honda beteiligte – genoss Cruise zunehmend das Wohlwollen des Mutterkonzerns. Zunächst floss 2020 ein weiterer Milliardenbetrag in die Tochter, nachdem der autonome People Mover präsentiert wurde. Im Sommer 2021 erhöhte GM die Kreditlinie des Unternehmens dann auf zehn Milliarden US-Dollar und erwarb im Anschluss an den Launch des Robotaxi-Dienstes nicht nur für 2,1 Milliarden US-Dollar die Kapitalbeteiligung des Softbank Vision Fund, sondern übernahm auch dessen zugesicherte Zahlung in Höhe von 1,35 Milliarden US-Dollar.

Während GM die Rolle von Cruise somit einerseits finanziell und andererseits durch den Zukauf von Unternehmen wie dem Rivalen Voyage oder dem Radarhersteller Astyx weiter stärkt, werden Partner wie Microsoft (beim Cloud Computing) oder Honda zunehmend in die Aktivitäten eingebunden. So wird nicht nur Geld in die Kassen gespült und Expertise hinzugewonnen, auch die Markteinführung des Cruise Origin könnte beschleunigt werden. In Japan soll der Dienst von Honda Mobility Solutions angeboten werden. Und auch Dubai steht schon auf dem Plan. Wären da nur nicht Zwischenfälle wie jener in San Francisco.

 

Wie treibt Cruise autonome Taxis voran?

Bevor General Motors beim 2013 gegründeten Cruise Automation einstieg, zielte das Startup auf den Endverbraucher ab – mit nachrüstbaren, autonomen Systemen für die Autobahn. Später schwenkte es auf die Entwicklung eines vollautonomen Fahrzeugs um und intensivierte die Software-Entwicklung. Seit der Übernahme im März 2016 liegt der Fokus auf dem Launch eines Robotaxi-Dienstes. Zunächst mussten dafür umgerüstete Chevrolet Bolt herhalten, zeitgleich entwickelte das Unternehmen mit Sitz in San Francisco jedoch den Cruise Origin – ein autonomes Modell ohne Lenkrad.

Das Kompetenzranking im Zukunftsfeld Autonome Fahrsysteme.
Bei autonome Fahrsystemen dominieren bislang die großen Tech-Konzerne. (Bild: CAM)

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