
Google-Schwester Waymo testet neuerdings in San Francisco ihren fahrerlosen Robotaxi-Dienst - so wie mittlerweile viele andere Tech-Unternehmen weltweit. (Bild: Waymo)
Als vor etwa sieben Jahren Google seine kleinen weiß-grauen Testfahrzeuge fürs autonome Fahren auf die Straßen Kaliforniens schickte, wurde der Internetriese noch belächelt. Die als Knutschkugeln verniedlichten Vehikel waren nicht unbedingt leistungsfähig und waren von Google nie für einen potenziellen Serieneinsatz vorgesehen. Damals war nicht klar, wie ernst der Megakonzern aus Mountain View das Thema autonomes Fahren nehmen würde. Mittlerweile gehört die vom Dachkonzern Alphabet ausgegründete Tochter Waymo bei Selbstfahrtechnologien zu den tonangebenden Playern weltweit.
Und Waymo ist nicht das einzige Technologieunternehmen, das die Automobilbranche auf dem Zukunftsfeld autonomes Fahren herausfordert. Dazu gehören neben Alphabet auch andere US-Großkonzerne wie etwa Intel, Amazon oder Apple. Aus China gesellen sich etwa der Internetgigant Baidu oder der Fahrdienstvermittler Didi Chuxing in die Runde der Konkurrenten. Ganz dem Thema autonomes Fahren verschrieben, haben sich zudem Startups wie Zoox, das mittlerweile zu Amazon gehört, Cruise (GM-Tochter), Pony.AI oder AutoX. Und diese Liste ließe sich noch deutlich erweitern.
Warum autonomes Fahren so viele neue Player auf den Plan ruft
„Die Automobilbranche besteht längst nicht allein aus Automobilherstellern und Zulieferern“, sagt Ricky Hudi, ehemaliger Elektronikchef bei Audi und heute unter anderem Chairman von The Autonomous, eines internationalen Netzwerks für sichere autonome Mobilität. „Chiphersteller, Softwareentwickler, Disruptoren, Cloudanbieter und viele weitere spielen eine vitale Rolle, um das sichere autonome Fahren zu entwickeln. Die Branche kann dabei von der Denk- und Arbeitsweise des Silicon Valleys lernen, das durch die Zusammenarbeit als Ökosystem weltweit so erfolgreich geworden ist.“
Dass in den letzten Jahren die Zahl der neuen Akteure auf dem Technologiefeld autonomes Fahren regelrecht explodiert ist, wundert angesichts des enormen monetären Potenzials kaum. Zahlen des Beratungshauses Strategy& zufolge könnte das weltweite Marktvolumen von Fahrerassistenzsystemen und autonomen Fahrfunktionen im Jahr 2030 bei mehr als 270 Milliarden US-Dollar liegen. In der letztjährigen Connected-Car-Innovation-Studie hat das Center of Automotive Management (CAM) die Marktpotenziale von autonomen Fahrdienstleistungen auf Level 3 und 4 für 2030 auf rund 60 Milliarden Euro beziffert. Kein Wunder also, dass nicht nur die etablierten Automotive-Akteure ein Stück vom Erlös-Kuchen autonomer Mobilität abhaben wollen.
Vor allem im Bereich der Robotaxi-Angebote könnten die neuen Mobility Provider sogar schneller sein als die alte Auto-Welt, weiß Harald Proff, Partner und Leiter Automobilindustrie bei Deloitte: „Sofern es die Gesetze und Regularien zulassen, werden Ridehailing-Anbieter das Marktpotenzial von Robotaxi-Diensten mit am schnellsten erschließen. Bei einigen der heutigen Anbieter basiert im Prinzip das ganze Geschäftsmodell sowie die zugrunde gelegte Unternehmensbewertung bereits auf der Annahme, dass in absehbarer Zukunft autonome Fahrdienste zur Tagesordnung werden.“

Kompetenzen beim autonomen Fahren sind klar verteilt
In der Studie des CAM wird darüber hinaus deutlich, welche Unternehmen im Zukunftsfeld Autonome Fahrsysteme, also ganzheitliche Plattformen für die höheren Automatisierungslevel, strategisch am besten aufgestellt sind und über die meisten Kompetenzen verfügen. In die Bewertung eingeflossen sind diverse Hard- und Software-Skills wie Sensorik, Aktuatorik, Rechnerarchitektur, Software und Daten sowie Testkilometer, Flottengröße und die bereits getätigte Investitionen.
Im Kompetenz-Ranking ganz oben stehen dabei nicht etwa die Autohersteller, sondern die Technologie- und Big-Data-Player: An der Spitze rangiert Alphabet mit Waymo, dahinter Intel mit der israelischen Tochter Mobileye und E-Commerce-Riese Amazon, der sich im vergangenen Jahr das Startup Zoox einverleibt hat. Erst dahinter folgt mit General Motors dank Tochter Cruise der erste Automobilkonzern. Im Mittelfeld bewegen sich die deutschen Hersteller um Volkswagen, Daimler und BMW.
Waymo ist führend bei Robotaxis
Die höchste Kompetenzbewertung im Bereich vollautonomes Fahren schreibt das CAM der Google-Mutter Alphabet zu, die 2016 die Firma Waymo ausgründete. Das Unternehmen, das jahrelang vom ehemaligen Hyundai- und Ford-Manager John Krafcik geleitet wurde, verfügt laut CCI-Studie über das spezifische Software- und Hardware-Knowhow, insbesondere bei der Systemintegration und der Datenkompetenz.
Alleine in Kalifornien waren Ende des Jahres 2021 rund 700 Robotaxis des Unternehmens auf öffentlichen Straßen zugelassen, ein Jahr zuvor waren es nur etwa 240 Fahrzeuge, so die kalifornische Verkehrsbehörde DMV. Im Sunshine-State habe Waymo dabei im Jahr 2020 gut 885.000 Kilometer in seinen Testfahrzeugen zurückgelegt. Gemeinsam mit der GM-Tochter Cruise führt es laut DMV auch 2021 die Liste mit den größten Testumfängen an. Und freilich sind die finanziellen Mittel, die Waymo durch den Mutterkonzern Alphabet zur Verfügung stehen, schier endlos.

Unter dem Namen Waymo One läuft einer der ersten kommerziellen Robotaxi-Dienste, der für Testkunden on-demand zur Verfügung steht. Als Fahrzeugbasis greift Waymo sowohl in Phoenix als auch in San Francisco ausschließlich auf den Jaguar I-Pace zurück. Bereits im September 2021 hat das Tech-Unternehmen die entsprechende Erlaubnis der kalifornischen Straßenverkehrsbehörde erhalten. Damit kann Waymo seinen Dienst in San Francisco und dem Silicon Valley auch in Sachen Preisgestaltung vollumfänglich aufbauen.
OEMs suchen den Schulterschluss mit Mobileye
Ähnlich wie Waymo zielt auch Mobileye, die Tochter des US-amerikanischen Chipkonzerns Intel, auf eine ganzheitliche Plattformlösung beim autonomen Fahren ab. Besonders hoch bewertet das CAM in der CCI-Studie die Softwarekompetenz bei der Bildverarbeitung als auch die Stärke in Sachen Kamerasensorik. Größere Aufmerksamkeit in der Automobilbranche erlangte Mobileye erstmals 2016 im Rahmen einer Partnerschaft mit BMW, in der die Israelis ihre Expertise im Bereich Machine Vision einbrachten.
Es folgten weitere Kooperationen mit Automobilkonzernen wie Great Wall, Geely oder Toyota, bei denen es allesamt um die Entwicklung bestimmter Fahrerassistenzsysteme ging. Auf besonderes Interesse stieß dabei die EyeQ-System-on-Chip (SoC)-Technologie, mit der die Computer-Vision-Fähigkeiten autonomer Fahrzeuge verbessert wird. Bis zum Jahr 2025 soll der EyeQ Ultra mit seiner Rechenleistung von 176 TOPS auf den Markt kommen, heißt es auf der CES 2022. Die einzige Ankündigung im Rahmen des Events war dies jedoch nicht: So arbeite das Unternehmen einerseits mit Zeekr an autonomen Taxis, und andererseits mit Volkswagen an der cloud-basierten Nutzung von Schwarmdaten für hochauflösende Karten. Letztere sollen unter anderem Spurhaltefunktionen ohne Fahrbahnmarkierungen ermöglichen.
Mobileye will mehr sein als nur Zulieferer
Doch Mobileye will mehr sein als nur Hard- und Softwarelieferant. „Wir wollen selbst als Mobility-as-a-Service-Anbieter auftreten, wo dies sinnvoll ist“, sagte Johann Jungwirth, Vice President MaaS bei Mobileye gegenüber automotiveIT. Im Frühjahr 2020 akquirierte Intel dafür die israelische Mobilitätsplattform Moovit, über die Mobileye ein eigenen Robotaxi-Dienst zur Verfügung stellen will. Hierzulande hat das Unternehmen bereits die Zulassung erhalten, autonome Fahrzeuge in Stadtgebieten, auf Landstraßen sowie auf Autobahnen zu testen und will gemeinsam mit Sixt schon 2022 einen Service mit vollautonomen Shuttles in München launchen. Eine weitere Kooperation mit der Deutschen Bahn soll zudem mit Hilfe autonomer Fahrzeuge dazu beitragen, die Lücke zwischen Schiene und Straße zu schließen. Hiervon sollen unter anderem Menschen in ländlichen Gebieten mit schwacher ÖPNV-Abdeckung profitieren.
Nach dem Erhalt einer AV-Testgenehmigung darf Mobileye seine selbstfahrenden Pkw zudem auf den Straßen von Paris einsetzen. Künftig können Mitarbeiter des Kaufhauses Galeries Lafayette Paris Haussmann an vier Tagen pro Woche über die Moovit App eine Fahrt zur Arbeit buchen. Städte wie Paris stellen mit ihren komplexen Straßensystemen, Fußgängern und dem hohen Verkehrsaufkommen autonome Fahrzeuge vor große Herausforderungen. Sie seien laut der Inte-Tochter daher wichtige Testfelder, um weltweit fahrerlose Dienste zu entwickeln. „Der Betrieb von autonomen Fahrzeugen auf den Straßen von Paris ist ein weiterer Meilenstein auf dem Weg zur Verwirklichung unserer Vision einer selbstfahrenden inklusiven Mobilität“, sagt Johann Jungwirth.
Für den nordamerikanischen Markt plant Mobileye indes einen Service mit eigens produzierten Elektromobilen auf SAE-Level 4. Kernstück ist dabei das System Mobileye Drive. Die Fertigung der People Movers soll 2024 starten und wird inklusive Entwicklung sowie Systemintegration vom Kooperationspartner Benteler übernommen. Mit an Bord ist zudem der Mobility-Player Beep: Er steuert Betriebssysteme, weitere Technologien sowie seine Dienstleistungen bei.
Wann kommt das autonome iCar von Apple?
Die Riege der US-Konzerne vollendet schließlich Apple: Der Tech-Player steht schon seit längerer Zeit im Verdacht, die Markteinführung eines autonomen Fahrzeugs zu planen. Potenzielle Partner aus der Automobilindustrie wie der Hyundai-Konzern oder Nissan dementierten die Gerüchte bislang jedoch prompt. Nach einem Bericht von Bloomberg soll das auf autonome Elektroauto des Smartphoneherstellers dennoch in vier Jahren auf den Markt kommen.
Ob es sich dabei um ein Fahrzeug für den Privatkundenmarkt oder für Robotaxiflotten handelt, ist indes ungewiss. Sicher ist aufgrund der kalifornischen Meldepflicht nur, dass Apple an Software zum autonomen Fahren arbeitet und die 38 selbstfahrenden Testautos des Konzerns im Jahr 2021 gut 21.000 Kilometer zurücklegten.
Cruise startet seinen Robotaxi-Service
General Motors investiert zunehmend in Cruise
Um mit dem Tempo der Entwicklung Schritt halten zu können, verlassen sich einige Autohersteller nicht nur auf die eigene Kompetenz - zum Beispiel General Motors. Der US-Autokonzern sicherte sich schon 2016 das aufstrebende Technologie-Startup Cruise. Mithilfe des Jungunternehmens aus San Francisco ist es GM gelungen, ein elektrisches und autonomes Shuttle auf die Räder zu stellen. Und GM scheint mit der Entwicklung zufrieden zu sein: Im Sommer 2021 erhöhte die Konzernmutter die Kreditlinie von Cruise auf zehn Milliarden US-Dollar. Bereits im kommenden Jahr soll die Serienproduktion des fahrerlosen Cruise Origin beginnen.
Wie der Konkurrent Waymo - mit dem die Liste der Testkilometer in Kalifornien angeführt wird - lässt Cruise seine Robotaxis zunächst in San Francisco fahren. Dafür nutzt das Unternehmen bislang umgebaute Chevrolet Bolts. Im Jahr 2021 kam das Unternehmen auf 183 selbstfahrende Autos sowie gut 10.000 Kilometer ohne Sicherheitsfahrer. Nach jahrelangen Tests und Kyle Vogts (Mitgründer, CTO und CEO) medienwirksamer Probefahrt ohne Sicherheitsfahrer nahm der Dienst im Februar 2022 schließlich offiziell seinen - wenn auch eingeschränkten - Betrieb auf. GM scheint dies zu überzeugen: Der Autobauer erwarb im Anschluss nicht nur für 2,1 Milliarden US-Dollar die Kapitalbeteiligung des Softbank Vision Fund, sondern übernahm auch dessen Zahlungsverpflichtung in Höhe von 1,35 Milliarden US-Dollar.
Motional entwickelt autonome Ioniq 5
Vergleichsweise jung ist Motional. Das 2020 als Joint Venture von Hyundai und Aptiv entstandene Unternehmen konnte flott eine autonome Version des elektrischen Ioniq 5 präsentieren. Das Robotaxi basiert auf der Electric Global Modular Platform (E-GMP) von Hyundai und fährt auf SAE-Level 4 ohne Sicherheitsfahrer. Mehr als 30 am Fahrzeug angebrachte Sensoren – bestehend aus Kameras, Radar und Lidar – sind dabei für die 360-Grad-Umfelderkennung verantwortlich. Die fahrerlose Technologie von Motional greife Hyundai zufolge auch auf maschinelle Lernsysteme zurück, die mit Daten aus dem realen Straßenverkehr angelernt wurden. Ursprünglich sollte eine Partnerschaft mit Lyft für den Aufschlag im Jahr 2023 sorgen, seit Februar 2022 ist der Dienst aber bereits tagsüber mit der Via-App in Las Vegas buchbar. Insgesamt komme Motional auf umgerechnet rund 3,2 Millionen autonome Testkilometer und 100.000 öffentliche Fahrten ohne Zwischenfall.
„Dem Ioniq 5 Robotaxi haben wir verschiedene redundante Systeme hinzugefügt, zusätzlich zu einem Paket essenzieller Technologien, die die Sicherheit und die Bequemlichkeit der Insassen gewährleisten“, sagt Woongjun Jang, Leiter des Autonomous Driving Center bei Hyundai. So könne sich etwa bei schwierigen Streckenverhältnissen ein Motional-Mitarbeiter mit dem Fahrzeug verbinden. Man konzentriere sich nun auf die Massenvermarktung, ergänzt Karl Iagnemma, Präsident und CEO von Motional. Dafür will das Unternehmen die Expertise des TÜV Süd bei der Bewertung von Sicherheitsarchitekturen, funktionaler Sicherheit und Cybersicherheit nutzen, um Prozesse, Systemdesigns und Analysedaten zu überprüfen.
Baidu, Didi und AutoX wollen eigene autonome Dienste
Enorm viel Bewegung in Sachen autonomer Mobilität herrscht auch auf dem immer noch wichtigsten Automarkt der Welt, China. Im Reich der Mitte forciert vor allem das Google-Äquivalent Baidu die Weiterentwicklung selbstlenkender Fahrzeuge. Die eigene Testflotte besteht aus mehr als 500 Einheiten, die bereits über sieben Millionen Testkilometer auf öffentlichen Straßen absolviert haben. Im Jahr 2017 hat Baidu das Ökosystem Apollo ins Leben gerufen, an dem sich schon weit über einhundert Unternehmen aus Automobil- und Tech-Welt beteiligen – auch deutsche OEMs wie BMW und Daimler sind an Bord. Die offene Plattform soll den beteiligten Akteuren Daten, Schnittstellen, Quellcode und Tools für die Weiterentwicklung von autonomen Fahrfunktionen ermöglichen.
Ähnlich wie lange Zeit Uber in den USA ist es in China der Ridehailing-Dienst Didi Chuxing, der an einem eigenen Robotaxi-Service feilt. Im Frühjahr ist der Mobilitätsanbieter dafür eine Kooperation mit Volvo eingegangen. Der schwedische Premiumhersteller stellt für die Robotaxi-Tests speziell umgebaute SUVs des Typs XC90 zur Verfügung, die über die notwendigen Assistenz- und Unterstützungssysteme zum automatisierten Lenken und Bremsen verfügen. Zusammen mit dem chinesischen Unternehmen wird zusätzliche Soft- und Hardware integriert. Für die Weiterentwicklung selbstlenkender Fahrzeuge will Didi Chuxing Medienberichten zufolge rund eine halbe Milliarde US-Dollar von Investoren einsammeln. Die Bewertung der Roboterwagen-Sparte des chinesischen Mobilitätsgiganten soll insgesamt bei gut sechs Milliarden Dollar liegen.
Auf dem Weg zu einem eigenen Robotaxi-Dienst ist auch das in westlichen Gefilden noch relativ unbekannte Startup AutoX. Das unter anderem von der chinesischen Onlinehandelplattform Alibaba unterstützte Startup gibt es erst seit gut vier Jahren, hat aber bereits über 100 selbstlenkende Shuttles in fünf chinesischen Metropolen im Einsatz. Darunter befindet sich auch Shenzen, wo AutoX erstmals 25 Testfahrzeuge gänzlich ohne Sicherheitsfahrer auf eine innerstädtische Testfläche von 144 Quadratkilometern geschickt hat. Wie Waymo setzt AutoX dabei auf den Minivan Chrysler Pacifica, den das chinesische Jungunternehmen als Selbstfahr-Version mittlerweile auch in Kalifornien testet.

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