automotiveIT car.summit 2024
Der automotiveIT car.summit am 5. November 2024 in München bringt Experten und Stakeholder von OEMs, Zulieferer und Tech-Player an einen Tisch, um die Herausforderungen um das Software-Defined Vehicle, autonomes Fahren und Connectivity zu diskutieren. Gleichzeitig soll die Brücke zwischen klassischer Fahrzeugentwicklung und Software/IT geschlagen werden, da die Autobranche das Auto von Grund auf neu denken und verstärkt auf Kollaborationen setzen muss. 🎫 Jetzt Ticket sichern!
Ein Blick in die Zukunft bedarf oftmals reichlich Fantasie. Hinsichtlich technologischer Entwicklungen kann man sich ob der rasanten Veränderungen in der Regel noch seltener sicher sein als ohnehin. Da kann es helfen, ab und an einen Blick in die Vergangenheit zu werfen, um potenzielle Veränderungen besser antizipieren zu können: „Hätte man mich vor 15 Jahren gefragt, ob ich aufhören würde, physische DVDs zu kaufen, hätte ich absolut nein gesagt – jetzt aber bin ich glücklich, digitale Inhalte zu abonnieren und diese auf Abruf zu streamen“, sagt Jonathan Davenport, Senior Director Analyst bei Gartner. Mit diesem Vergleich will der Experte andeuten, dass eine ähnliche Dynamik auch in der Automobilindustrie wahrscheinlich sei. Doch bevor die OEMs dauerhaft erfolgsversprechende Monetarisierungsstrategien für die Zeit nach dem Verkauf des Autos etabliert haben, dürften noch einige Jahre vergehen.
Sind aktuelle Autos schon Software-Defined Vehicles?
Die Frage, ab wann ein Auto als Software-Defined Vehicle gelten kann, spaltet die Experten. Eine hundertprozentige Einordnung gibt es nicht. „Wir haben heute bereits Fahrzeuge auf der Straße, die diesen Namen verdienen", sagt Jörg Tischler, Bereichsleiter Connected Mobility bei T-Systems. Überall dort, wo Software einen signifikanten Anteil der Fahrzeugfunktionen ausmache, könne von einem Software-Defined Vehicle gesprochen werden. Trotzdem stehe die Branche noch immer am Anfang der Entwicklung, insbesondere was die Monetarisierung von Features on Demand und Daten betrifft. „Die Erwartung der Kunden ändert sich, und sie erwarten, dass Software immer aktuell ist", so Tischler. Das werde sich in Zukunft sicherlich weiterentwickeln, aber im Moment sei es eher ein Kostenfaktor als eine Einnahmequelle.
Die komplexe Transformation der Architekturen
Zunächst gilt es, die Grundlagenarbeit zu leisten. „Ich erwarte nicht, dass es eine schnelle Implementierung von SDVs geben wird. Dies wird ein iterativer Prozess sein. Eine der größten Herausforderungen ist die Transformation der elektrisch/elektronischen (E/E) Fahrzeugarchitektur", sagt auch Davenports Gartner-Kollege Gaurav Gupa, seines Zeichens VP Analyst. Die Automobilindustrie müsse ihre Softwareentwicklung transformieren – vor allem in Bezug auf Microservices, Containerisierung und Hypervisoren, so Gupa weiter. In die gleiche Richtung argumentiert auch Christof Horn, Global Lead Software Defined Vehicle bei Accenture: „Vergleichsweise neue Hersteller wie Nio oder Tesla haben den Vorteil, dass sie als von Anfang an moderne Architekturen aufsetzen konnten, ohne Rücksicht auf Altlasten wie bei den traditionellen Herstellern nehmen zu müssen.“
Hier bringe es nichts, zwanghaft auf das gleiche Level kommen zu wollen. „Traditionelle Automobilhersteller verfügen nicht über das Talent und die Kultur, um den Entwicklungsprozess zur Verkürzung der Markteinführungszeit zu optimieren", stellt Gupa klar. Sie konkurrieren mit Nischen-Elektrofahrzeugherstellern aus China und etablierten großen EV-Herstellern wie Tesla, die über eine viel stärkere technologische Basis verfügen. Daher sollten sie sich, laut Gupa, eher darauf konzentrieren, keine Fehler zu machen und kleinere Ziele zu erreichen – ein zu schnelles Vorgehen führe zu Fehlern. Umso wichtiger sei daher die Zusammenarbeit mit Hyperscalern.
Die Chance von Open Source
Doch nicht nur bezogen auf Partnerschaften für Cloud-Dienste haben Tech-Giganten gezeigt, welchen Stellenwert sie längst in der Autoindustrie einnehmen. „Das zur Zeit erfolgreichste Beispiel für Open Source ist Android für Infotainment – die Vorteile einer skalierenden Plattform haben die meisten OEMs überzeugt“, sagt Christof Horn. Auch um die Entwicklungszeit zu verkürzen, betont er den Stellenwert von Kollaboration: Open Source schaffe Standards auf eine sehr effiziente Weise. „Nicht erst fünf Jahre Arbeitskreise, sondern Contribution first: Nützlicher Code setzt sich schnell durch." Standardisierungsgremien bräuchten häufig länger als die Technologiezyklen – das könne nicht funktionieren.
Externe Unterstützung ist gefragt
Die Gartner-Experten haben einen Trend beobachtet, der drei Phasen durchlaufen hat. Über einen Zeitraum von etwa vier Jahren ab 2018 konnte man beobachten, dass Automobilhersteller Partnerschaften mit Technologieunternehmen wie Microsoft, Nvidia und Foxconn eingegangen sind. Seit 2022 sehe man vermehrt Partnerschaften mit IT-Dienstleistungsunternehmen. „Meine Interpretation dieser Entwicklung ist, dass Automobilhersteller Schwierigkeiten hatten, internes Entwicklungstalent zu gewinnen, und daher auf die Erfahrung von IT-Dienstleistungsberatern zurückgreifen, während sie gleichzeitig das geistige Eigentum, das in ihre Fahrzeuge einfließt, besitzen und gestalten wollen", analysiert Davenport. 2024 sei eine dritte Partnerschaftsphase erreicht worden, in der Automobilhersteller Partnerschaften untereinander und insbesondere mit kleineren Akteuren eingehen, um Zugang zu Software- und Elektrik-/Elektronikarchitekturen für ihre Fahrzeuge zu erhalten. Jüngstes Beispiel hierfür war der Deal zwischen Volkswagen und Rivian.
Zentrale Architekturen als einzige Lösung?
Die Richtung, weg von vielen Steuergeräten hin zu wenigen leistungsfähigen Domain-Controllern ist gesetzt. Doch jeder Hersteller muss für sich definieren, wie schnell und in welchen Technologiesprüngen er dies umsetzt, betont Christof Horn. Auch Jörg Tischler findet, dass der Trend zwar klar erkennbar ist, aber nicht als Allheilmittel angesehen werden darf. „Einige OEMs suchen Partnerschaften mit großen Technologieunternehmen und nutzen deren Komponenten, unabhängig davon, ob sie in einem Domain-Controller oder in der Cloud laufen", so Tischler. Zentralisierung biete viele Vorteile, insbesondere in Bezug auf Ausfallsicherheit und Update-Fähigkeit. Es sei jedoch wichtig zu betonen, dass dies nicht der einzige Ansatz sei und die Gesamtarchitektur immer individuell betrachtet werden müsse.
Neue regulatorische Herausforderungen
Jegliche Hard- und Software für Fahrzeuge muss automobiltauglich zertifiziert sein. „Das ist sehr unterschiedlich zu Unterhaltungselektronik, und die Vorschriften sind sehr streng – kein Wunder, dass es eine langsam voranschreitende Industrie ist", sagt Gupa. Während zu Beginn der Entwicklung von Software Defined Vehicles viel Wert auf Features gelegt wurde, müssen nun auch regulatorische Anforderungen erfüllt werden. Diese seien in den letzten zwölf bis 18 Monaten stark definiert worden, was bedeute, dass Hersteller ihre Prozesse entsprechend anpassen müssten, so Jörg Tischler.
Wann lohnen sich SDVs auch finanziell?
Zwar ist die Richtung klar, doch wie schnell die Entwicklung von Software-definierten Fahrzeugen voranschreitet, hängt wie immer am Geld. „Wichtig ist, sich zu fragen, welche Ziele man eigentlich mit einer Software-definierten Architektur erreichen möchte. Die Monetarisierungsstrategie wird künftig zentral sein“, betont Horn. Hier sieht der Status Quo noch recht dürftig aus. Es bleibt abzuwarten, ob die Bereitstellung von Funktionen als Service erfolgreich sein wird und ob Kunden bereit sein werden, ihre Denkweise zu ändern und Fahrzeugfunktionen auf diese Weise zu erwerben. „Ich bin optimistisch, dass dieser Wandel kommen wird", sagt Davenport. Womit wir wieder beim Beispiel der DVDs vor fünfzehn Jahren wären. Doch damit sich eine ähnliche Entwicklung auch beim Auto durchsetzt, muss der Wandel zu Software as a Service für die Kunden sinnvoll sein. Das wiederum fordere die Unternehmen heraus, aus dem gewohnten Muster auszubrechen und innovativ in ihrer Preisgestaltung zu sein.