Schnellere Entwicklungszyklen - ohne IT nicht zu schaffen

Die Entwicklungszyklen in der Automobilindustrie beschleunigen sich zunehmend. Hierbei kommt der IT eine Schlüsselrolle zu – von CAD/CAM in die PLM-Welt.

Auch wenn die großen Hersteller der so genannten Autorensysteme für CAD/CAE/CAM wie Dassault Systèmes, PTC oder Siemens PLM alle Bereiche der computergestützten Entwicklung und Überführung in ihrem Portfolio haben, hat jedes Produkt aus Anwendersicht spezifische Stärken. Ein kleiner Exkurs in die Landschaft der Pro-zesse, Funktionen und ebenso vielen Abkürzungen verdeutlicht den Umfang. Nachdem der Stardesigner einer Automobilmarke seine Ideen per Bleistift zu Papier gebracht hat, ist Schluss mit dem zweidimensionalen Zeichnen. Nun werden Modelle angefertigt, digital abgetastet und als Punktwolke im CAD-System dargestellt. Diese wird von den Strakern – so werden die Designer der Class-A-Außenhaut und Innensichtflächen in Anlehnung an die Tradition aus dem Bootsbau genannt – mit harmonischen Flächen überzogen. Icem Surf gilt hierbei als Referenzsystem im Markt. Straker arbeiten eng mit den Konstrukteuren der tragenden Baugruppen zusammen. Schon hier wird mit Simulationswerkzeugen gearbeitet, die etwa die Analyse der mechanischen Stabilität und Verformung, thermische oder Strömungsuntersuchungen ermöglichen.

 

nach Möglichkeit nicht immer wieder neu. Das gilt zum Beispiel in der Antriebsstrangentwicklung: Ob Aggregat oder Getriebe – es ist ein großer Vorteil, wenn auf eine digitale Bibliothek fertigungstechnisch ausgetesteter Konstruktionselemente zurückgegriffen werden kann“, sagt Alexander Lewald, Director Business Development Central Europe bei PTC. Das Zusammenspiel von mechanisch beweglichen Teilen und der Funktion der Steuerelektronik nimmt an Bedeutung zu. Hat das virtuell komplett montierte Fahrzeug die Bauraumtests mit digitalen Mock-up-Tools erfolgreich bestanden, werden Prototypen gefertigt. Dieser Prozess wird iterativ mehrmals durchlaufen, bis die Qualitätsstufen für die Pro-duktionsreife erreicht sind. Schließlich rundet die Visualisierung des Fahrzeugs, beispielsweise für den virtuellen Designfreigabeprozess durch den Vorstand, aber auch für die virtuelle Konfiguration durch den Endkunden, das CAD-Spektrum ab. Die Konstruktionsdaten werden unter der Überschrift CAM für die Herstellung von Produk-tionswerkzeugen, die NC-Maschinen-Programmierung bis hin zur Fertigungsplanung und Simulation ganzer Produktionsabläufe weiterverwendet.

 

Angesichts der funktionalen Komplexität der Softwarepakete verwundert es nicht, dass diese meist nicht aus einem Guss entwickelt wurden, sondern historisch durch Zusammenschlüsse und Zukäufe gewachsen sind. Die Automobilhersteller nutzen in der Regel ein führendes System sowie eine Vielzahl weiterer Systeme für spezielle Aufgaben. So ergibt sich ein bunter Mix, der sich bei den Zulieferern potenziert, die mehrere Marken bedienen. „Die Wertschöpfungskette findet heute zu etwa 30 Prozent bei den OEMs statt, der Rest bei den Zulieferern. Um mehrere OEMs beliefern zu können, halten sie alle am Markt eingesetzten Entwicklungswerkzeuge und die ent-sprechend ausgebildeten Fachkräfte vor“, sagt Olaf Stöckelmann, Key Account Manager, Sales Automotive Germany der Dassault Systèmes Deutschland AG. Um dem Schnittstellenchaos zu begegnen, sind die Automobil- und IT-Hersteller gemeinsam mit Forschungseinrichtungen im Prostep iViP Verein seit fast 15 Jahren mit der Standardisierung der Datenschnittstellen zwischen CAD, CAE, CAM und PDM beschäftigt. Resultat: Be-wertungskriterien für offene Systeme und das Format STEP, auch bekannt als ISO 10303. Regelmäßig werden Benchmarks der STEP-Prozessoren verschiedener CAD-Systemanbieter veranstaltet.

 

„Bei den Autorensystemen ist das Optimierungspotenzial relativ ausgeschöpft.Das Thema ist beackert – wenn auch nicht immer elegant gelöst“, meint Robert Huber, Business Development Manager Automotive beim IT-Consulting-Unternehmen Valtech GmbH. Kein Wunder also, dass die Hersteller heute in erster Linie von Strategien für das Product Lifecycle Management (PLM) sprechen. Zu den CAD/CAE/CAM-Paketen werden passende Lösungen für die Integration in die übergreifenden Entwicklungs-, Beschaffungs-, Produktions und Controlling-Prozesse angeboten. Derzeit investieren die Automobilbauer stolze Summen in PLM-Strategien, zu etwa zwei Dritteln in die Prozessoptimierung. Ein Drittel fließt in die unterstützende Software. Schwerpunkte liegen dabei in der Verschmelzung von mechanischem mit elektronischem CAD nach dem Vorbild der Flugzeug-industrie. Zudem geht es um die Lieferantenintegration (SCM) und das Produktdaten-Management (PDM) vom Entwurf über die Produktion bis zum Vertrieb – einschließlich der Synergiefindung durch eine gemeinsame Datennutzung mit dem ERP-System. Dieser Trend spiegelt sich in der neuen Catia-Version wieder. „Die kommende Catia V6 rührt weniger an der CAD/CAM-Welt der V5, vielmehr wird mit Enovia als festem Bestandteil der V6 die vollständige Verschmelzung mit PLM erreicht“, so Stöckelmann. Doch auch im CAD/CAE-Bereich gibt es Neuerungen. Zum Beispiel wurden spezielle Bereiche für Systemsimulation und Requirements-Management entwickelt. Zudem bietet die Echtzeit-Kollaboration die Möglichkeit, über verschiedene Standorte hinweg Ent-wicklungs- und Abstimmungsprozesse deutlich zu beschleunigen.

 

Darüber hinaus erhalten Security-Themen immer mehr Gewicht. „Das Digital-Rights-Management schützt das geistige Eigentum der Unternehmen auch außerhalb der Firewall. Über einen Richtlinienserver werden personen-bezogene und zeitlich begrenzbare Zugriffs- und Datenschutzrechte der verschiedenen Designmodelle verwaltet. So lassen sich solche Modelle bei der Weitergabe an Dritte nachhaltig vor Missbrauch schützen“, meint Lewald. Fazit der Experten: Die Reise geht in Richtung „Out of the Box“ – vom Wildwuchs in Richtung der Harmoni-sierung.

  • Eine umfangreiche Liste der CAD/CAM Hersteller finden Sie in Ausgabe 04/2009 auf Seite 38

Autoren: Stephan Sachse, Daniela Hoffmann

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