
Daniel Eilter ist CAIO bei Mercedes-Benz. (Bild: Mercedes-Benz)
Herr Eitler, Sie übernehmen seit Mai 2025 als Chief Data & AI Officer eine Schlüsselrolle in einer Schlüsseltechnologie in Mercedes' IT-Strategie. Was sind aus Ihrer Sicht die wichtigsten Prioritäten, die Sie in den ersten zwölf Monaten Ihrer erweiterten Verantwortung setzen möchten?
Meine Mission ist es, KI als Transformationsturbo bei Mercedes-Benz voll auszuschöpfen. Dabei konzentriere ich mich auf drei zentrale Punkte: Erstens, Führung durch Wissen: Wir müssen unser Management befähigen, die Potenziale von KI zu verstehen, damit es diese Erkenntnisse weitergibt und eine Kultur der Innovation fördert. Zweitens, Empowerment und Inspiration: Wir schaffen für unsere Mitarbeitenden den umfassenden Zugang zu KI-Technologien und motivieren sie, diese kreativ und produktiv zu nutzen. Drittens, AI Value Creation: Wir setzen auf Anwendungsfälle, die den größten Mehrwert für unsere Kunden liefern und die Produktivität entlang der gesamten Wertschöpfungskette steigern. So maximieren wir den Nutzen unserer Investitionen. Dabei können wir mit unserem Team auf ein sehr gutes und breites KI-Fundament im Konzern aufsatteln.
Warum braucht es eigentlich einen Chief KI Officer in Automobilunternehmen?
KI transformiert die Industrie und unsere Branche im Besonderen. Die volle Auswirkung ist heute noch gar nicht absehbar. Um KI erfolgreich im Unternehmen zu verankern, braucht es jeden Einzelnen. Jede Mitarbeiterin und jeder Mitarbeiter spielen eine entscheidende Rolle dabei, KI für sich zu nutzen und in den Arbeitsalltag zu integrieren. Man kann sich das vorstellen wie ein intelligentes Antriebssystem: Jeder Einzelne leistet seinen Beitrag und ist Teil der Kraft, die das Unternehmen nach vorne bringt. Meine Aufgabe ist es, die Steuerzentrale optimal aufzustellen: Durch zentrale Tools, Methoden, Prozesse und Trainings, die die Umsetzung von KI einfach, schnell, sicher und im Rahmen unserer internen KI-Prinzipien ermöglichen. Durch die Bündelung dieser Aufgaben in einer Funktion können wir die Wirksamkeit im Konzern erhöhen.
Sie führen künftig eine Organisation, die Cybersecurity, Datenmanagement und künstliche Intelligenz unter einem Dach vereint. Welche Herausforderungen bringt diese neue Schnittstellenrolle mit sich – insbesondere in einem Konzern mit globaler Aufstellung?
Die fachliche Zusammenführung von KI, Daten und Cybersecurity ist absolut sinnvoll, da sich die Themengebiete ideal ergänzen: KI entfaltet ihre volle Wirkung nur auf solider Datenbasis, und der Erfolg von KI-Anwendungen hängt von ihrer sicheren Implementierung ab. Was die Bündelung der Themen und die Ausgestaltung dieser Rolle anbelangt, sind wir Vorreiter unter den Dax-40-Unternehmen. Das Feedback aus meinem Netzwerk ist hier übrigens durchweg positiv. Die eigentliche Herausforderung liegt in der Geschwindigkeit der Veränderung. KI entwickelt sich rasant – oft schneller, als wir sie flächendeckend implementieren können. Klassische Top-Down-Modelle stoßen da schnell an Grenzen. Stattdessen brauchen wir neue Formen der Zusammenarbeit: mehr Autonomie in den Teams, klar ausgerichtet an gemeinsamen Prinzipien. Gerade in einer global aufgestellten Organisation mit komplexer Technologielandschaft und Regulatorik ist das anspruchsvoll – aber auch eine große Chance. Wenn es gelingt, Wissen zu vernetzen, Erfahrungen zu teilen und regionale Stärken gezielt zu nutzen, steigern wir nicht nur unsere Innovationskraft, sondern stärken auch unsere globale Position.
Ihre direkte Chefin, CIO Katrin Lehmann, betont immer wieder die untrennbare Verbindung von Daten und KI. Wo liegen hier die Herausforderungen in den einzelnen Fachbereichen wie Entwicklung, Vertrieb oder Produktion? Und was sind die größten Hürden KI-Initiativen aus der Pilotphase in die Fläche zu bringen?
Entscheidend ist es, über die Optimierung bestehender Abläufe hinauszugehen und Prozesse grundlegend neu zu denken. Das gilt für alle Fachbereiche, dafür müssen wir uns unternehmensweit verzahnen und zusammenarbeiten. In der IT sehen wir uns hier als Tech-Frontrunner. Wir haben heute schon viele erfolgreiche Use Cases entlang der Wertschöpfungskette im Einsatz, die wir gemeinsam mit den Kollegen aus den Business-Bereichen aufgesetzt haben. Um KI-Initiativen aus der Pilotphase in die Breite zu bringen, müssen wir die richtige Balance zwischen kurzfristigen Zielen und langfristigen Investitionen finden. Das erfordert Mut, strategische Weitsicht und auch eine gewisse Risikobereitschaft. Das ist in einem Unternehmen wie unserem natürlich ein gewisser Prozess – aber wir sind gut unterwegs.
Ihre Laufbahn zeigt: Sie kommen aus der Cybersecurity und bringen tiefe IT-Erfahrung mit. Wie hilft Ihnen dieser Hintergrund, eine zukunftsfähige KI-Strategie zu entwickeln – und wo sehen Sie den größten kulturellen Wandel, den Sie innerhalb der Organisation anstoßen müssen?
Wie in der Cybersecurity wirkt auch KI nicht nur punktuell, sondern über das ganze Unternehmen hinweg. Damit sie volle Power entfalten kann, brauchen wir ein starkes internes Netzwerk und mehr Tempo bei der Umsetzung von Ideen, um echte Produktivitätsgewinne zu erzielen. In Sachen Kulturwandel müssen wir weg vom reinen Technologieverständnis hin zu einer Haltung, die Offenheit, Lernen und Experimentieren fördert. Der Mensch sitzt am Steuer, die KI ist der Copilot. Deshalb bauen wir gezielt internes Knowhow auf, bilden AI-Spezialistinnen und -Spezialisten aus und befähigen unsere Teams. Damit eine Kultur entsteht, in der KI nicht nur genutzt, sondern aktiv mitgestaltet wird.
Zur Person:
Daniel Eitler war seit April 2021 Chief Information Security Officer (CISO) der Mercedes-Benz Group AG und verantwortete die globale Organisation für Cyber Security und Digitale Identitäten mit Teams in Stuttgart, Toronto und Singapur. Zuvor war er in verschiedenen Führungspositionen bei der BMW Group tätig, zuletzt als Head of Cyber Security. Seine berufliche Laufbahn begann er als Berater bei Accenture und Oliver Wyman mit Schwerpunkt auf IT-Strategie und Transformation. Eitler hat Abschlüsse in Informatik und Betriebswirtschaft (MBA).