ZOLL

Das neue Atlas-Verfahren des Zolls verlangt die hundertprozentige Erfüllung der freigegebenen Packlisten der Ausfuhrgenehmigung. Eine Herausforderung für Unternehmen der Automobilindustrie, die in Just-in-Time-Lieferketten organisiert sind.

Die Container sind gepackt und mit dem Schiff unterwegs in die USA. Dort werden die Teile aus Europa in den Werken der OEMs erwartet. An einem europaweiten Konsolidierungspunkt hat der Zulieferer zunächst sämtliche Güter für den Export eingesammelt, sie in Chargen für die Ausfuhr in die jeweiligen Werke und Länder aufgeteilt und sie dann über die Hafenterminals auf den Weg geschickt.

Ein Lieferant verschifft auf diese Weise tausende Container aus dem Wirtschaftsraum der EU. Doch die verantwortlichen haben ein rechtliches Problem – denn tatsächlich weiß oft niemand exakt, was auf die Schraube genau in den Containern transportiert wird. Die juristischen Bestimmungen sind hingegen eindeutig. Die exportierenden Unternehmen müssen ihre geplanten Ausfuhren – spätestens ab dem ersten Juli 2009 – digital an die Zollämter melden. Diese erarbeiten, analysieren und bewerten danach die vorliegenden Informationen mit dem neuen IT-System „Atlas“ – dem „Automatisierten Tarif- und lokalen Zollabwicklungssystem“. Als Nächstes geben Computer oder Mitarbeiter des Zolls die angemeldete Ausfuhr frei. Entscheidend für jeden weiteren Schritt ist die Verbindlichkeit der Packliste: Jeder Container muss exakt so gepackt sein, wie der Zoll ihn freigegeben hat. „Und genau das ist das Problem“, sagt Frank Mysliwitz, Geschäftsführer Beratung bei Amotiq Automotive. „Wir schätzen, dass bei einem jährlichen Versandvolumen von 1 000 000 Packstücken bis zu 80 Packstücke in irgendeiner Weise falsch deklariert sind, das entspricht 80 ppm – problems per million.“

 An sich eine geringe Zahl. Doch der Ärger ist damit schon programmiert. Das ausführende Unternehmen macht sich so 80 einzelner Zollvergehen schuldig.„Es handelt sich um die Tatbestände der Unter- und Überfakturierung, bei Unterfakturierung also um Schmuggel“, so Mysliwitz weiter. „Und der wird auf jeden Fall bemerkt – wenn der Zoll den Fehler übersieht, wird er spätestens bei der Steuerprüfung des Unternehmens auffliegen.“ Denn der Zoll hat Atlas mit den Steuerbehörden verschaltet: Es ist somit sehr einfach, Rechnungen, Lieferscheine und Ausfuhrlisten zu vergleichen.Bei einem Kunden im Ausland muss exakt das berechnet sein, was beim Zoll genehmigt wurde. Die Intention ist,mit Atlas die Abfertigung der Ausfuhren zu beschleunigen. Zu diesem Zweck wird das Papierformular für den Zollantrag – das so genannte „Einheitspapier“ – durch den elektronischen Austausch von Daten ersetzt. Je nach Status der Antragsteller beim Zoll werden die Anträge der Unternehmen automatisch ausgewertet und
bewilligt: Ein „zugelassener Ausführer“ kann binnen Minutenfrist mit einer entsprechenden Bewilligung rechnen.

Der weitgehende Verzicht auf die Vorlage von Unterlagen wie Rechnungen oder Präferenznachweisen im Zeitpunkt der Abfertigung führt zu einer zusätzlichen Beschleunigung des Verwaltungsverfahrens. Die Inanspruchnahme dieser schnellen Atlas-Zollabwicklung setzt allerdings bestimmte Hard- und Softwareausstattungen voraus. Je nach Anzahl der Abfertigungen reicht das Spektrum von einer kompletten Inhouse-Lösung bis hin zu einem Online-Zugang über ein Clearing-Center. „Typischerweise generiert ein spezielles Modul des SAP-Systems die erforderlichen Daten für die Zollanmeldung automatisch aus den erstellten Rechnungen“,erklärt Rita Dillmann, Technology Consulting und Projektleitung beim Beratungshaus Itelligence. „Die Daten werden an den Zoll weitergeschickt, dort freigegeben und zurückgereicht. Das Atlas-System des Zolls antwortet, abhängig vom Status des Unternehmens,automatisch – rund um die Uhr.“ Es liegt also in der Verantwortung des Unternehmens,die Container so packen zu lassen,dass sie den Listen entsprechen – und zwar zu einhundert Prozent. An dieser Stelle vermutet die Expertin die Fehleranfälligkeit des gesamten Vorganges.Denn früher bestand die Möglichkeit, zuerst die Container zu packen, dann die „Einheitspapiere“ mit der Schreibmaschine zu tippen und der Ausfuhr beizugeben. „Damals wie heute kann die Qualitätssicherung beim Warenausgang nur manuell sichergestellt werden. Das ist ein offensichtliches Prozessproblem,das unabhängig vom Zoll besteht“, führt Dillmann weiter aus.

Wie lässt sich das Problem lösen? Rechnungen kann man beispielsweise auch erst dann erstellen, wenn die Container bereits gepackt sind. Oder: Bei falsch gepackten Containern lässt sich der Beleg stornieren und neu beantragen. Bleibt das Problem des Schmuggels. Mit Atlas stellt der Zoll kein Werkzeug zur Verfügung, um falsche Deklarationen zu bereinigen. Über Unternehmen, die nicht zu hundert Prozent erfüllen, hängt immer die Bedrohung eines Zollvergehens.Kommunikationskanal zum Zoll können die IHKs oder die Außenhandelsverbände sein. „Wir haben Seminare und Veranstaltungen zu Atlas gemacht, dieses Thema ist bei uns eigentlich durch. Wir stehen aber mit Rat zur Verfügung, wenn unsere Mitglieder Probleme mit dem Zoll haben“, betont Andreas Mühlberg vom Außenhandelsverband NRW.
Autor: Christian Raum

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