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Um von Fußgängern wahrgenommen zu werden, müssen Elektrofahrzeuge künstliche Töne erzeugen. (Bild: Daimler)

Mit dem Sound von Autos verbinden Generationen von Menschen entsprechende Assoziationen Klingt ein Auto laut und sportlich kommen dem Betrachter sofort entsprechender Bilder in den Kopf Generationen haben sich mit dem Motorensound berauscht und PS in Dezibel verwandelt Außerdem wird mit dem Klang eines Fahrzeuges natürlich auch ein entsprechendes Image vermittelt Logisch: Ein Lada klingt anders als ein Porsche
Mit dem Sound von Autos verbinden Generationen von Menschen entsprechende Assoziationen. Klingt ein Auto laut und sportlich kommen dem Betrachter sofort entsprechender Bilder in den Kopf. Generationen haben sich mit dem Motorensound berauscht und PS in Dezibel verwandelt. Außerdem wird mit dem Klang eines Fahrzeuges natürlich auch ein entsprechendes Image vermittelt. Logisch: Ein Lada klingt anders als ein Porsche.

Doch was ist, wenn das Auto überhaupt keine Geräusche macht? Dieses Problem mussten Hersteller bis zum Juli lösen. Seitdem ist die stille leise Zeit der Elektroautos vorbei. Hintergrund ist eine entsprechende EU-Verordnung, nach der neue Elektroautos und Hybridfahrzeuge ein sogenanntes AVAS-Sound-Signal (Acoustic Vehicle Alert System) auslösen müssen. Im Juli 2020 müssen dann sogar alle in der EU verkauften und in der EU importierten Nutzfahrzeuge mit solchen Soundgeneratoren ausgestattet sein.

Denn: Bisher liegt das Problem im fehlenden Klang. Bei langsamer Geschwindigkeit sind Elektroautos bisher für Fußgänger schwer akustisch wahrnehmbar, was insbesondere für Menschen mit Sehbehinderung zu Schwierigkeiten führt. Nach der EU-Verordnung muss jetzt wieder ein entsprechendes Geräusch her, damit solche Autos auch bei langsamer Fahrt wahrgenommen werden können.

Doch wie muss ein Elektrofahrzeug klingen? Dazu haben sich die Hersteller und deren Zulieferer in den vergangenen Jahren Gedanken machen müssen. Die EU-Verordnung sieht nämlich vor, dass es sich um einen unaufdringliches, aber gut wahrnehmbares Geräusch handeln muss, dass ab Start bis etwa 30 km/h lauter wird und danach wieder ausgeblendet wird. Der AVAS-Sound ist detailliert vorgeschrieben: Dies betrifft die Mindest- und Maximallautstärke sowie bestimmte Geräuschanteile.

Die Sounds kommen aus einem Generator, der als kleiner Kunstoffkasten am Fahrzeug angebracht ist. Dieser erzeugt einen spezifischen elektronischen Klang, der von Lautsprechern an der Vorder- und Rückseite des Fahrzeugs wiedergegeben wird. Zulieferer Harman bietet OEMs zwei Lösungen an: Mit der External Electronic Sound Synthesis (eESS)-Technologie können Lautstärke und Klangeigenschaften aktiv gesteuert werden, um Fußgänger über die Geschwindigkeit, den Standort und die Annäherung eines Fahrzeugs zu informieren. Im Innenraum gibt es zusätzlich ein aktives Geräuschmanagement, um im Auto die gewünschten Klänge zu verstärken und zu reduzieren. In einem vorgegebenen Rahmen kann jeder Hersteller sogar selbst entscheiden, welchen Sound die eigene Modellpalette bekommen soll. BMW hat sich dafür Unterstützung aus Hollywood geholt.

Hans Zimmer ist normalerweise weltweit bekannt für seine Filmmusik. Gemeinsam mit Renzo Vitale, Akustikingenieur und Sound Designer bei der BMW Group, hat jetzt Hans Zimmer den E-Sound für den BMW Vision M NEXT in dessen Studios in London und Los Angeles komponiert. Hans Zimmer: „Ich war schon immer ein BMW-Fan. Als Kind konnte ich am Klang unseres BMW erkennen, wenn meine Mutter nach Hause kam. Ich freue mich sehr über die Möglichkeit, den Sound künftiger elektrischer BMW und damit auch Emotionen für die elektrische Fahrfreude der Zukunft gestalten zu dürfen.”

Mercedes Benz hat ebenfalls ein eigenes Team: Die in Sindelfingen ansässige Abteilung „Sound Quality & Sound Design“. In einem Akustikprüffeld im Mercedes-Benz Technologie Center (MTC) ist auch der neuste Sound für den Mercedes Benz EQC 400 4MATIC entstanden. Man habe bei der Entwicklung einen angenehmen und natürlichen AVAS-Klang kreiert. Für Europa, Japan und China unterscheide sich der Klang von Mercedes-Benz nur gering, heißt es seitens des Autobauers. Für die USA gelten andere Anforderungen, zum Beispiel an die Lautstärke. Die Akustiker prüfen aber auch, ob der Sound im Interieur nicht als störend wahrgenommen wird. Ausdrücklich sollen aus den Soundgeneratoren keine Science-Fiction-Sounds herauskommen. Eher möchten die Hersteller das Geräusch des Fahrzeugs betonen: Der Gesamtklang ist letztendlich eine Komposition von Auto-Ingenieuren.

Volumenhersteller Renault stattet seine Elektrofahrzeuge ZOE, Kangoo Z.E., Kangoo Maxi Z.E. und Master Z.E. ab Werk mit dem akustischen Warnsystem „Z.E. Voice“ aus. Der Fahrer kann sogar zwischen drei verschiedenen Signaltönen wählen. Die Sounds von Renault stammen selbstverständlich aus Frankreich und wurde mit entsprechender Software zur Audiosynthese und Audio-Samples komponiert. Sie wurden von Sounddesignerin Andrea Cera vom Institut IRCAM (Institut de Recherche et de Coordination Acoustique Musique) entwickelt. Die Differenzierung unterschiedlicher Fahrzeugmodelle sei auch bei Renault sehr wichtig: Derzeit arbeite der französische Autobauer an mehreren Varianten der Klangidentität für jeden Fahrzeugbereich, damit ein kleines Fahrzeug nicht die gleiche Stimme habe wie ein großes, auch wenn es auf der denselben Audio-DNA basiere, heißt es.

Auch BMW hat sich dieser Herausforderung gestellt, um seinen elektrifizierten Modellen ein passendes Sound-Angebot zu verpassen. „Wir wollen künftig mit BMW IconicSounds Electric auch für unsere Elektrofahrzeuge ein begeisterndes Angebot für Kunden schaffen, die viel Wert auf einen emotionalen Klang legen und Freude am Fahren mit allen Sinnen erleben wollen“, sagte Jens Thiemer, Leiter Marke BMW. Beim elektrischen Fahren erlebe der an Geräusche des Verbrenners gewöhnte Fahrer den Paradigmenwechsel der Antriebstechnologie. Der Sound des Vision M NEXT ziele darauf ab, Harmonie zwischen dem Fahrer und dem elektrisch betriebenen Fahrzeug herzustellen. Dazu Starkomponist Hans Zimmer. „Wenn der Fahrer mit dem Pedal interagiert, ist es nicht nur ein mechanischer Berührungspunkt, sondern ein performatives Element. Der Beschleunigungsvorgang wird für den Fahrer zu einem Erlebnis, in dem er sich durch eine Reihe von sich allmählich wandelnden Klangtexturen bewegt.“

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