Es ist noch nicht lange her, da präsentierte die Aachener E-Auto-Schmiede e.Go den Produktionsbeginn seines kleinen Elektroflitzers e.Go Life in seinen modernen Produktionshallen. Im Juli beanspruchte das Unternehmen jüngst, die modernste Automobilfertigung zu sein. Der Hintergrund: Durch eine Kooperation mit Ericsson und Vodafone funkt e.Go ab August in seiner Produktion über den Mobilfunkstandard 5G. „Unsere Automobilindustrie braucht ein schnelles Netz. Direkt dort, wo die neuesten und innovativsten Autos gebaut werden“, wirbt Vodafone-Deutschland-Chef Hannes Ametsreiter. Doch was macht die 5G Technik für Unternehmen so interessant?
Im Frühjahr gingen dazu die Lizenzauktionen zu Ende, an der sich neben Vodafone drei weitere Mobilfunkanbieter beteiligten und Lizenzen erwarben. Doch nicht alle Frequenzblöcke gingen unter den Hammer. Einen Teil hielt die Bundesnetzagentur für Unternehmen außerhalb der Mobilfunkbranche zurück. Durch 5G werden hohe Übertragungsraten bei niedrigen Reaktionszeiten möglich, was für die Vernetzung von Fabriken ebenso wichtig ist wie für das autonome Fahren. Im dichten Raum können mit niedriger Sendeleistung tausende Anwender mit einem mobilen Breitband versorgt werden. Möglich ist dadurch ein autarkes lokales Netz, das sich beispielsweise auf ein einzelnes Werksgelände begrenzt.
Bei e.Go in Aachen mussten dazu 36 kleine Mobilfunkantennen in der Produktionshalle installiert werden. Vodafone spricht von den 5G-Technologien „Mobile Edge Computing“ (MEC) und „Network Slicing“. Dadurch sei es eine „echte 4.0 Fabrik“, die informationstechnisch voll vernetzt sei und zudem über ein autarkes Netz verfüge, heißt es von e.Go. Mit dieser Mobilfunk-Technologie sei es außerdem möglich, dass sich Transportfahrzeuge, Maschinen und Werkzeuge Informationen nahezu in Echtzeit miteinander austauschen. Dies wird in der Produktion immer wichtiger, da beispielsweise kollaborierende Roboter ohne Schutzzaun agieren oder Transportfahrzeuge völlig autonom durch die Werkshallen steuern.
Auch bei Volkswagen in Wolfsburg denkt man über diese Technik nach. „Wir wollen zeitnah Pilotbetriebe installieren und dann nach der Lizenzvergabe eigene lokale 5G-Netzwerke ausrollen. Wir streben nach dem Erhalt für 5G-Lizenzen für die industrielle Nutzung“, heißt es von einem Sprecher bei Volkswagen. Denkbar wären Wolfsburg und Zwickau als Pilotbetriebe, allerdings sei dieser Mobilfunkstandard noch weit weg von einem flächendeckenden Einsatz, auch deshalb, weil die Lizenzvergabe für die Industrie noch nicht stattgefunden hat.
Wie und in welcher Form lokale Frequenzen für die Industrie vergeben werden können, hänge auch vom Einzelfall ab, heißt es von der Bundesnetzagentur. Unternehmen können sich dazu in der zweiten Jahreshälfte für ein Vergabeverfahren bewerben. Das Antragsverfahren ist kostenpflichtig und Industrieunternehmen müssen Angaben über die Nutzung und lokale Eingrenzung abgeben. Explizit sehe man deswegen die Industrie-Frequenzen nicht als Konkurrenz zu Mobilfunkunternehmen, heißt es von der Regulierungsbehörde aus Bonn. „Hier geht es um eine lokale Strecke für die industrielle Nutzung. Wir haben das Ziel dem Markt diese Frequenzen möglichst schnell zur Verfügung zu stellen“, sagt Michael Reifenberg, Sprecher der Bundesnetzagentur.
Druck kommt aus Frankfurt: Der Verband der Maschinen- und Anlagenbauer (VDMA) fordert die Bundesnetzagentur dazu auf, die Vergabebedingungen möglichst schnell bekannt zu geben. Die Vergabe der Lizenzen sollte kein Geschäftsmodell sein, sondern sei zwingende Notwendigkeit für Wettbewerb und innovative Angebote.
Von Volkswagen heißt es auf Nachfrage von automotiveIT, dass die Technologie wichtig sei, weil auch der Softwareanteil im Fahrzeug steige. Mit der 5G-Technologie sei eine Softwarebetankung flexibel und standortunabhängig möglich, auch hohe Datenmengen ließen sich problemlos in der gesamten Produktionsumgebung übertragen. Eine Kooperation mit kommerziellen Netzbetreibern schließt VW nicht aus, allerdings streben die Wolfsburger einen eigenen Netzausbau in seinen Produktionsstandorten an.
Die Vorreiterrolle dieser Technologie möchten derzeit allerdings viele Hersteller für sich einnehmen. Neben Volkswagen haben jetzt auch Mercedes-Benz und BMW bekannt gegeben, erste Produktionsstätten auf 5G umzustellen. BMW Brilliance hat etwa in drei Automobilwerken im chinesischen Tiexi und Dadong sowie dem Motorenwerk flächendeckende 5G-Signalabdeckung in Betrieb genommen. In nur drei Monaten seien die Übertragungsraten von anfänglich 600 Megabyte pro Sekunde auf ein Gigabit pro Sekunde optimiert worden, heißt es von BMW. Auch die Werke in Deutschland sollen mit 5G ausgestattet werden.
In Daimlers „Factory 56“ in Sindelfingen werden derzeit ebenfalls vom Telekommunikationsanbieter Telefónica Deutschland solche Mobilfunknetze installiert. Langfristig hat aber auch der Hersteller mit Stern andere Ambitionen: Nach Abschluss der Installation und Inbetriebnahme werde das Netz dann von Mercedes-Benz Cars betrieben, heißt es in einer Pressemitteilung. Langfristig plant man also auch in Sindelfingen mit eigenen Industrie-Lizenzen.