Was verbindet Eiskunstlauf und Coden? Nadin-Katrin Apel, eine AI-Ingenieurin und ehemalige Leistungssportlerin im Eiskunstlauf, hat die Antwort: „Durch meine Erfahrungen im Leistungssport bin ich bereits mit der Präsentation von Technik auf hohem Niveau vertraut“, erklärt sie. Doch einfache Beherrschung ist für sie nicht gut genug. „Ich bemühe mich stets, Code mit einem innovativen Ansatz zu entwickeln.“
Technisch perfekt sein, garniert mit einem kräftigen Schuss Kreativität – das macht in den Augen der 29-Jährigen gute Software aus, die solide, leistungsstark und ausbaufähig ist. Drei Jahre lang entwickelte Apel bei Porsche Software für das Webportal von My Porsche, der zentralen Schnittstelle zwischen Fahrzeug und Kunde. Seit zwei Jahren ist sie als AI-Engineer im Bereich Fahrzeugdaten und Qualität unterwegs. Eine Position, die es bei den Zuffenhausenern seit 2021 gibt.
Was macht ein AI Engineer?
„Wir bauen Machine Learning-Modelle, um unsere Fahrzeuge besser zu verstehen, Abläufe vorhersehbar zu machen und intelligente Services zu entwickeln“, erklärt Apel. Als AI-Engineer ist sie für die Vorverarbeitung beim Machine Learning (ML) verantwortlich, dem sogenannten Preprocessing der Daten, aus denen letztlich künstlich intelligente Anwendungen gestrickt werden.
Was ist Data Preprocessing?
Das sogenannte Data Preprocessing bezieht sich auf den Prozess der Vorbereitung von Daten oder Informationen, bevor sie von einem Computerprogramm oder einer Anwendung verarbeitet werden. Es kann sich auf verschiedene Arten von Vorverarbeitung beziehen, wie etwa Datenbereinigung, Datenformatierung, Datenreduktion oder Datenaggregation. Der Zweck des Preprocessings besteht darin, die Daten so vorzubereiten, dass sie für die weitere Verarbeitung geeignet sind und die Genauigkeit und Effizienz der Ergebnisse verbessert werden. Preprocessing wird in verschiedenen Bereichen wie der Datenanalyse, der Bildverarbeitung und der Sprachverarbeitung eingesetzt.
„Ich arbeite eng mit der jeweiligen Fachabteilung zusammen, die die Anforderung an den jeweiligen Use Case definiert“, berichtet Apel. Von Komfortanwendungen bis hin zur vorausschauenden Wartung. Das Feld ist weit. In der #DigitalFamily beschäftigt Porsche zusammen mit den Tochtergesellschaften MHP und der Porsche Digital mehr als 100 AI-Engineers.
Warum es in dem Job um mehr als Coden geht
Dabei ist es von Vorteil, über den Tellerrand hinauszuschauen. So hat Apel mit ihrem Team vor rund drei Jahren den Porsche AI Hackathon mit einer intelligenten Gesundheitsmanagement-App gewonnen. Mittels KI unterstützt die App Mitarbeiter von Porsche dabei, ihren Arbeitsplatz ergonomisch einzurichten und bietet geführte Trainings unter physiotherapeutischer Anleitung – im Office und am heimischen Schreibtisch. Die App wurde bereits unternehmensintern ausgerollt. Mit den Rollen Projektmanager, Product Owner, Scrum Master und Tech Lead kennt sie sich aus. Und das sollte man auch als AI-Engineer. Denn Kommunikation und Führung gehört zur Grundausstattung.
„Ich habe mehrere Tutorial-Blogs geschrieben und nehme regelmäßig an Konferenzen und Meetups mit Entwicklern auf der ganzen Welt teil, um meinen Horizont zu erweitern und ein Gespür für die neuesten KI-Trends zu bekommen“, sagt Apel. Große Sprachmodelle wie ChatGPT und generative KI-Anwendungen dominieren aktuell die Szene. Insbesondere Transformer-Architekturen erleben ein rapides Wachstum, wobei ChatGPT insbesondere im alltäglichen Gebrauch bereits etabliert ist. Doch im automobilen Umfeld ist Apel besonders daran interessiert, wie man multivariate Zeitreihen der Fahrzeugsensoren orchestriert und nutzbar macht. Auch hierfür werden teilweise Architekturen in Anlehnung der Transformer-Modelle eingebaut.
Wesentlich ist, dank Machine Learning Prognosen und Vorhersagen rund um das Fahrzeug treffen zu können. Während mancher hierfür noch versucht, aus Excel-Tabellen schlau zu werden, setzt mittlerweile ML die Maßstäbe. Denn damit lassen sich auf kurzem Weg bestimmte Abhängigkeiten modellieren, Planungsprozesse optimieren und Fehleranfälligkeiten drastisch reduzieren. Ein wichtiges Werkzeug hierfür, erklärt die Expertin, sind automatisierte Zeitreihenprognosen (Time Series Forecasting).
Welche Skills benötigt ein AI-Engineer?
„Letztlich ist ein AI-Engineer eine Unterkategorie der Softwareentwicklung“, sagt Apel. Denn Programmieren zählt unverändert zu ihren Hauptbeschäftigungen. Man sollte also Kenntnisse in Python, Datenbanken und Frameworks wie Pytorch oder Tensorflow mitbringen. Als AI-Engineer ist es vorteilhaft, ein Studium in Bereichen wie Wirtschaftsinformatik, Informatik oder Elektrotechnik abgeschlossen zu haben. „Ohne sehr gute mathematische Kenntnisse und analytische Fähigkeiten geht es nicht“, unterstreicht Apel.
Zu den wichtigsten Soft Skills zählen Durchhaltevermögen, Zuverlässigkeit, lösungsorientiertes Denken, Kommunikationsstärke und Teamfähigkeit. „Nicht jeder, der entwickeln kann, ist geeignet“, sagt Apel. Denn man arbeitet im Team, muss die Use Cases der Fachabteilungen verstehen, um Machine-Learning-Modelle richtig trainieren und evaluieren zu können – das erfordert nun mal viel Absprache, eben auch mit Menschen aus Abteilungen, mit denen man sonst nicht viel zu tun hat und in deren Themen man sich erstmal einfuchsen muss.
Apel ist selbst keine Fahrzeugingenieurin, was aber keineswegs hinderlich ist, solange man offen für Neues ist und fragt. Umgekehrt geht es aber auch darum, dass KI-Ingenieure ihr Wissen intern und extern, etwa bei Konferenzen, weitergeben. Im stillen Kämmerlein wird das nicht funktionieren. Von einer gewisse Portion Extrovertiertheit kann dann die ganze Abteilung profitieren. Nicht schlecht ist auch, fit in aktuellen Präsentationstechniken zu sein.
Selbst nach Feierabend liest Apel Blogs zum Thema und hört ihre Lieblings-KI-Podcasts. „Das Thema entwickelt sich ungeheuer schnell weiter“, sagt sie, „Da muss man am Ball bleiben.“ Aber auch die ehemalige Leistungssportlerin schaltet mal richtig ab, entspannt beim Beach-Volleyball, Joggen, Tanzen oder beim Eiskunstlauf.