Donald Trump wehte ein steifer Wind um die Ohren als er Sonntagnachmittag in Macomb County, im Bundesstaat Michigan, in seiner Retterrolle schwelgte: „Wir haben eure Autoindustrie zurückgebracht. Sie war erledigt, euch wäre nichts geblieben“, rief er in die Menge. Die Botschaft ist seit seiner ersten Wahlkampfveranstaltung nach Ausbruch der Pandemie, im September und ebenfalls in Michigan, unverändert: die Obama-Regierung hätte die Autoindustrie „fast umgebracht“, Trump konnte das Steuer herumreißen. Damit bei den Michiganern kein Zweifel aufkam, wechselte er in die dritte Person: „Kein Präsident hat jemals so viel für Michigan getan wie Präsident Trump“. Und wer es da noch nicht verstanden hatte: „Am 3. November wählt ihr besser mich, immerhin habe ich euch so viele Autowerke hierhergeholt.“
Trump gewann in Michigan vor vier Jahren, mit einem Vorsprung von rund 10.700 Stimmen. Der Bundesstaat mit der großen Autoindustrie ist auch bei dieser Wahl wieder ein entscheidender Swing State. Trumps Retterszenario befand die Tageszeitung Detroit News allerdings als „fragwürdig“. Wahr ist vielmehr, dass Michigan seit 2017 eine Produktionsstätte von Fiat Chrysler sowie ein Motoren- und ein Getriebewerk von Ford und General Motors verlor. Doch es gab auch gute Nachrichten: Fiat Chrysler baut ein Jeep-Werk in Detroit und Alphabet-Tochter Waymo schlug ihre Zelte ebenfalls in der Motor City auf.
United States-Mexico-Canada Agreement
Trumps wichtigster Durchbruch im Bereich Automotive ist das NAFTA-Nachfolgeabkommen United States-Mexico-Canada Agreement (USMCA). Dieses sieht unter anderem vor, dass künftig 75 Prozent der Bestandteile eines Fahrzeuges aus den USA, Kanada oder Mexiko kommen müssen, um nicht mit Zöllen belegt zu werden. Unter NAFTA lag der Prozentsatz bei 62,5 Prozent. Hinzu kommt, dass ein bestimmter Prozentsatz an Autos von Mitarbeitern gefertigt werden muss, die mindestens 16 Dollar pro Stunde verdienen.
Bei seinen Rallys erklärt Trump, dass USMCA damit „ein Minimum von 76.000 neuen Automotive-Jobs“ schaffen soll. „In Wahrheit vermuten wir, dass die Zahl viel höher sein wird“, so der Präsident auf einer Wahlveranstaltung in Muskegan, in Westen des Bundesstaates. Experten gehen davon aus, dass der Wahlausgang keine Auswirkungen auf USMCA haben wird, zumal das Abkommen von beiden Parteien unterstützt wird. Auch Biden erklärte, dass er die Regeln streng durchsetzen würde. Im Macomb County erläuterte Trump, warum das Abkommen ein Erfolg sei: „Weil Mexiko und Kanada den Deal gar nicht mögen.“
Wirtschaft gut, alles gut
Kristin Dziczek ist Vice President für Research beim Center for Automotive Research: „Drei Parameter sind wichtig für Autos: die Gesundheit der Wirtschaft, die Außenhandelspolitik und gesetzliche Bestimmungen“, fasst sie in einem Strategiepapier zusammen. Auf die Sprünge helfen sollen der Wirtschaft unter anderem Investitionen in die Infrastruktur. Bei Trump ist dies ein Plan, der zwei Billionen US-Dollar kostet und sich über zehn Jahre streckt. Beglichen soll die Rechnung über weitere Schulden werden, immerhin seien die Zinsen in der Pandemie gerade günstig. Bei Biden beläuft sich das Infrastrukturpaket auf 1,3 Billionen US-Dollar. Die Finanzierung soll aus der Umkehr von Steuergeschenken kommen, die Trump an Unternehmen und Großverdiener verteilte.
Auf einer Wahlveranstaltung Anfang September in Warren, nördlich von Detroit, versprach Biden der „freundlichste Präsident für Gewerkschaften“ zu werden, den die USA jemals gesehen hätten. Obamas Vizepräsident sieht Bußgelder für Unternehmen vor, die Arbeitsplätze ins Ausland verlegen und Steuernachlässe für jene, die innerhalb des Landes investieren. Seine Botschaft für Organisationen, die nur den Aktionärswert und die Boni der CEOs im Auge hätten: „Wir werden nicht nur darauf schauen, dass die Profite voll versteuert werden, sondern wir garantieren auch einen zehnprozentigen Steuerzuschlag für die Verlagerung in Überseestandorte.“