Die Formel 1 steht vor größeren Veränderungen als wir sie je hatten“, sagt Dr. Mario Theissen, der Motorsportdirektor von BMW, „und diese werden uns sehr in Atem halten.“  Drei große Veränderungen prägen das neue Reglement des Automobilweltverbandes FIA, und alle dienen vorrangig einem Ziel: Das Überholen zu erleichtern und damit der Formel 1 zusätzliche Attraktivität zu verleihen. Dazu sind einschneidende Maßnahmen in den Bereichen Aerodynamik, Energierückgewinnung und Reifen getroffen worden.
 
Diese Neuerungen bestimmen künftig das Design und das Fahrverhalten der Formel-1-Rennwagen:
 
   – Die Aerodynamik: Die Frontflügel werden breiter (1800 statt 1400
     mm), abgesenkt und können über einen Druckknopf am Lenkrad vom
     Fahrer zwei Mal pro Runde verstellt werden. Die Heckflügel
     werden schmaler (750 statt 1000 mm) und höher. Zusatzelemente,
     wie man sie heute noch am Chassis sieht, entfallen. Die
     Austrittsöffnungen für die Kühlluft werden geschlossen. Der
     Unterboden wird zur Kanalisierung der Luftströmung völlig neu
     gestaltet.
 
   – Die Energierückgewinnung: Ein weiteres mal fördert die Formel 1
     zukunftsträchtige Technologien, denn künftig kann ein Teil der
     beim Bremsen frei werdenden Energie über das elektrische Kinetic
     Energy Recovery System (KERS) gespeichert werden. Diese kann
     über einen so genannten „Boost Button“ am Lenkrad zu einer
     kurzfristigen Steigerung der Motorleistung um etwa 82 PS für
     maximal 6,6 Sekunden pro Runde zugeschaltet werden. Diese Art
     der Hybridtechnologie ist Neuland für alle Rennställe.
 
   – Die Reifen: Die 1998 eingeführten Rillenreifen werden durch
     profillose Pneus abgelöst. Durch den Wegfall der Rillen
     vergrößert sich die Auflagefläche der Reifen, die dadurch besser
     auf der Piste „kleben“.
 
Verständlich, dass die Weiterentwicklung des BMW Sauber F1.08 mit den letzten Testfahrten Ende September zum größten Teil eingestellt worden ist. Die  Anstrengungen in den Rennfabriken in München und dem schweizerischen Hinwil konzentrieren sich vor allem auf die Konstruktion des Nachfolgers F1.09, mit dessen Entwicklung angesichts der radikalen Neuorientierung ungewöhnlich früh, nämlich bereits Anfang 2008, begonnen wurde.
 
„Die Datenverarbeitung spielt eine extrem wichtige Rolle bei den Entwicklungen für die nächsten Jahre“, sagt BMW Sauber F1-Pilot Nick Heidfeld,. „Wir sammeln alle Daten aus dieser Saison, was die Strecken, das Setup und die Balance des Autos betrifft. Auch wenn wir nächstes Jahr ein Reglement habe , das die Autos komplett verändert, geben uns diese Daten die Richtung vor, in die wir das neue Auto entwickeln können und müssen.“
 
Das Team geht dabei an die Grenzen der Simulationstechnik und Rechnerkapazitäten, um herauszufinden, wo noch Leistungsreserven für die Zukunft liegen. Eine entscheidende Rolle spielt in diesem Stadium die computergestützte Strömungssimulation CFD (Computational Fluid Dynamics), mit dem Luftströmungen am Computer sichtbar gemacht werden können. Eine sehr effiziente Methode, die Kosten und Zeit spart. Der große Vorteil: Bereits in den Rechnern und auf den Bildschirmen wird klar, welche Entwicklungsrichtungen viel versprechend sind und mit welchen neuen Teilen sich die teuren Windkanaltests lohnen. Die Änderungen im Reglement machen die Suche nach der besten Lösung nicht einfacher, denn in schnellen Kurven sind die negativen Auswirkungen  der neuen Aerodynamik größer als der positive Effekt durch die profillosen Reifen. Die Folge: Nur in langsamen Kurven führt der bessere Grip der neuen Reifen zu höheren Geschwindigkeiten; in schnellen Kurven fahren die Autos auf Grund der aerodynamischen Einschränkungen künftig langsamer.
 
„Das neue Reglement zwingt uns zu neuen Fahrzeugkonzepten, vor allem im Bereich der Aerodynamik“, sagt Dr. Mario Theissen. „Wir haben sehr intensive Berechnungsarbeiten durchgeführt, über Monate Grundkonzepte entwickelt und das Verhalten des Autos bewertet. Erst wenn diese Konzepte umgesetzt wurden gehen wir in den Windkanal.“
 
Entscheidend hierfür ist vor allem der Supercomputer „Albert 3“ in Hinwil, der aufgrund seiner Rechenleistung enorme Datenmengen in kürzester Zeit auswerten kann. Darüber hinaus ist ein schneller und sicherer Austausch von Daten zwischen sämtlichen Entwicklungsabteilungen der beiden Standorte München und Hinwil elementar. Die Steuerung und Umsetzung des Datenmanagements erfolgt mit Hilfe komplexer ICT (Informations- und Kommunikationstechnologie) Lösungen, die zu den Kernkompetenzen des Teampartners T-Systems gehören.
 

„Die Schnelligkeit und Zuverlässigkeit, die später auf der Rennstrecke sichtbar ist, wird in der Entwicklungsphase auch von allen Beteiligten des Teams und den Partnern gefordert“, so Dirk Stirnberg, Global Account Executive BMW Group bei T-Systems.

Für das BMW Sauber F1 Team gibt es nach dem Saisonfinale in Sao Paulo keine Winterpause, die Ergebnisse aus der „Heimarbeit“ der Computerspezialisten fließen nach und nach in die Simulationen sowie in Testmodelle für den Windkanal  und die Teststrecke ein. Es ist die wichtigste Jahreszeit der Formel 1, denn sie legt die Basis für eine erfolgreiche Saison. In diesem Jahr ist die Berechnungsarbeit intensiver denn je – nicht zuletzt wegen der in der Formel geltenden Testbeschränkungen. Dadurch werden Technologiepartner wie Intel oder T-Systems noch wichtiger für die Teams.
 
„Wir legen großen Wert darauf, dass wir Partner haben, die nicht nur Sponsoren sind“, unterstreicht Dr. Mario Theissen. „Wir wollen Partner, die unser Team mit eigener Expertise unterstützen. Und wir haben den Anspruch, zusammen mit unseren Partnern auch der Serienentwicklung neue Impulse zu liefern.“

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