Was vor wenigen Jahren eher wie eine wirre Idee erschien, ist längst zur gängigen Praxis geworden. Immer mehr Autohersteller produzieren Ersatzteile oder spezielle Komponenten nicht an Drehmaschinen oder aus Kunststoffguss, sondern ganz einfach mit dem Laserdrucker. Lange Zeit waren 3D-Druck-Verfahren zu zeitaufwendig und zu kostenintensiv, um sie für die Massenfertigung von Fahrzeugkomponenten zu verwenden.
Einer der ersten Autohersteller, der auf das Thema Laserprint setzte, war BMW. In den vergangenen zehn Jahren produzierten die Bayern mehr als eine Million Bauteile mit dem modernen Fertigungsverfahren. In diesem Jahr werden im Additive Manufacturing Center nahe München von BMW 200.000 Bauteile gefertigt – über 40 Prozent mehr als 2018. „Der Einsatz von additiv gefertigten Bauteilen in der automobilen Serienproduktion wächst aktuell besonders stark“, erklärt Jens Ertel, Leiter des Additive Manufacturing Centers, „wir verfolgen die Weiterentwicklung und den Einsatz fortschrittlicher Methoden in der additiven Fertigung sehr intensiv – unter anderem durch langjährige Kooperationen mit führenden Herstellern der Branche.“
Noch sind die Autoteile, die im Laserdruckverfahren entstehen, vergleichsweise klein und haben überschaubare Stückzahlen, doch deren Bedeutung wächst. So wurde die Führungsschiene für das Fenster des BMW i8 Roadsters in nur fünf Tagen entwickelt und innerhalb kurzer Zeit in die Leipziger Serienfertigung integriert. Für die Produktion hat BMW zusammen mit HP ein Verfahren entwickelt, sodass pro Tag bis zu 100 Fensterführungsschienen gedruckt werden können. Auch die Halterung für die Abdeckung am Verdeck des Fahrzeugs wird gedruckt. Bereits zuvor waren in kleinen Stückzahlen Komponenten für die DTM-Rennwagen oder Rolls-Royce-Modelle gedruckt worden. Der Kunde profitiert an anderer Stelle auch direkt vom 3D-Print. Bei Mini können spezielle Komponenten wie die Einleger des Seitenblinkers und Dekorleisten des Armaturenbretts in einem Online-Shop nach individuellen Vorstellungen gestaltet und anschließend im 3D-Druckverfahren produziert werden. Ähnliches gibt es bei Volkswagen, wo personalisierte Schlüssel oder Schaltknäufe künftig aus dem Drucker kommen sollen.
General Motors hat sich aus ähnlichem Grund mit dem amerikanischen Software-Anbieter Autodesk zusammengetan. Deren Design-Technologie soll durch 3D-Druck dazu beitragen, einzelne Fahrzeugkomponenten leichter und fester zu produzieren. „Diese disruptive Technologie bietet enorme Fortschritte, wie wir Komponenten für unsere zukünftigen Fahrzeuge entwickeln können, um sie leichter und effizienter zu machen“, sagt GM-Vizepräsident für globale Fahrzeugkomponenten, Ken Kelzer, „die Fahrzeugentwicklung ist komplett verändert und unterscheidet sich grundlegend von der Zusammenarbeit mit dem Computer, wie wir es uns vorher nicht hätten vorstellen können.“ Testweise hergestellten Sitzschalen, die per 3D-Druck hergestellt wurden, waren 40 Prozent leichter und 20 Prozent steifer als das Originalteil.
Eine besondere Bedeutung hat der Bereich 3D-Druck für die Oldtimerfans und Klassikabteilungen, denn nach einigen Jahrzehnten sind viele Ersatzteile nicht mehr zu bekommen. Dem kann mit einem Laserdrucker ebenfalls Abhilfe geschaffen werden. Noch steht selbst ein Autohersteller mit einer gigantischen Historie wie Mercedes noch am Anfang, doch die Schwaben produzieren im Drucker zum Beispiel Kleinkomponenten wie den Innenspiegelfuß oder den Zündkerzenhalter für den Mercedes 300 SL Flügeltürer, die Schiebedach-Gleitbacken für die historische Baureihen wie W 100, W 110 / 111 / 112 oder Module für junge Klassiker wie das hoch komplexe Tachogehäuse für die SL/SLC der Baureihe 107.
Doch nicht nur der Klassikbereich von Daimler nutzt Komponenten aus dem überdimensionalen Laserdrucker. Im Rahmen eines Pilotprojekts arbeitet der Stuttgarter Autobauer unter dem Projektnamen „additive Manufacturing“ an Ergänzungen zu konventionellen Fertigungstechniken. Additiv wird die Technologie genannt, weil bei der Fertigung dünne Schichten übereinander aufgetragen und anschließend von einer Energiequelle verfestigt werden. Neben Kunststoffen und Keramiken lassen sich so auch Metallteile im 3D-Druck herstellen. Adrian Keppler, CEO des Unternehmens EOS, mit dem Daimler zusammenarbeitet: „Das NextGenAM-Projekt zeigt ganz konkret, wie der industrielle 3D-Druck als Teil einer automatisierten Prozesskette auch in der Serienfertigung wirtschaftlich Einsatz finden kann. In Kombination mit den genutzten Möglichkeiten der Digitalisierung ist die Pilotanlage nicht weniger als ein Meilenstein auf dem Weg zur digitalen Fertigung.“ Daimler will den 3D-Druck nicht nur bei Ersatzteilen für Busse, sondern insbesondere auch für Prototypen einsetzen. Jasmin Eichler, Leiterin Future Technologies bei Daimler: „Besonders sinnvoll ist der 3D-Druck auch bei der Vorentwicklung von Fahrzeugen. Die benötigten kleinen Stückzahlen können mit Additive Manufacturing oft günstiger und schneller hergestellt werden, als mit herkömmlichen Produktionsverfahren.“
Auch bei Audi haben die Laserdrucker vor Jahren nicht nur in Büros Einzug gehalten. Überdimensionale Printer stehen zum Beispiel in der R8-Manufaktur in den Neckarsulm. Der Einsatz der Zukunftstechnologie steigert auch bei den Ingolstädtern Flexibilität und Effizienz. „Mit der Gründung einer eigenen Fachabteilung für den 3D-Druck professionalisieren wir das bereits erfolgreich laufende Projekt. In Zukunft können noch mehr Mitarbeiter vom erfahrenen Expertenteam und den individuellen Hilfswerkzeugen profitieren“, so Helmut Stettner, Werkleiter Neckarsulm, „mit der Entscheidung für die neue Abteilung unterstützen wir den Aufbau eines standortübergreifenden Netzwerks. Damit profitiert schlussendlich der gesamte Volkswagen Konzern von der Neckarsulmer Expertise.“
Bei Volkswagen hält der 3D-Druck ebenfalls Einzug. Der Elektrosportwagen VW ID. R, der den Rekord auf dem Pikes Peak holte und nunmehr den Nürburgring in Rekordzeit umrunden soll, entstand auf Basis eines Modells, für das rund 2.000 Teile im 3D-Drucker produziert wurden. Im letzten Jahr verkündeten die Wolfsburger eine Kooperation mit dem amerikanischen Technologiekonzern HP. Zusammen wollen beide Konzerne einem 3D-Metalldruckverfahren für die Serienproduktion von Autos zum Durchbruch verhelfen. „Ein komplettes Fahrzeug wird wohl so schnell nicht aus dem 3D-Drucker kommen“, sagt Martin Goede, bei VW Leiter Technologieplanung und -entwicklung. Ziel sei es aber, gedruckte Strukturteile bereits in die nächste Fahrzeuggeneration zu integrieren. „Dabei erwarten wir langfristig eine kontinuierliche Steigerung der Stückzahlen, Bauteilgröße und der technischen Anforderungen – bis hin zu fußballgroßen Bauteilen mit einer Stückzahl von über 100.000 Einheiten im Jahr.“