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(Bild: Continental)

Sicherere Straßen, weniger Staus, autonomere Fahrzeuge – so lautet das Versprechen der Car-to-X-Kommunikation. Dank Ad-hoc-Netzwerken zwischen Autos untereinander oder zwischen Fahrzeugen und Infrastrukturelementen wie Baustellenschildern oder Ampeln bekommen die Fahrer sehr aktuelle Verkehrshinweise für ihre Strecke – und vermeiden so Unfälle oder Staus. Noch in diesem Jahrzehnt soll die Vision der Car-to-X-Kommunikation wahr werden. Es ist eine Vision, die über Marken- und Landesgrenzen hinweggeht und als ein rasch wachsender Zukunftsmarkt gilt: Laut dem US-Marktforschungsunternehmen Navigant Research soll sich der weltweite Umsatz mit entsprechenden Technologien zwischen 2016 und 2025 fast vervierhundertfachen – von 96 Millionen US-Dollar auf 36 Milliarden US-Dollar. Viele der hierfür erforderlichen Systeme und Verfahren sind in den vergangenen Jahren entwickelt, erprobt und simuliert worden.

Aus technischer Sicht könnte es eigentlich losgehen. So gibt es zum Beispiel in Europa seit Februar 2014 einen offiziellen Standard für kooperative intelligente Transportsysteme, auf den sich die Normungsorganisationen ETSI und CEN im Rahmen eines EU-Mandats verständigt haben. Ziel ist letztlich eine globale Harmonisierung, so dass Car-to-X-Hardware weltweit einsetzbar wird. Flankierend fanden in den vergangenen Jahren Feldversuche wie SimTD in Deutschland, Score@F in Frankreich oder das EU-Projekt Drive C2X statt, um praktische Erfahrungen mit den Technologien und Verfahren zu sammeln. Die Zeit für die Umsetzung im Markt scheint nun reif zu sein. „Gerade die deutschen Automobilhersteller und großen Zulieferer haben in den vergangenen Jahren intensiv an Car-to-X gearbeitet“, sagt Stefan Bratzel, Professor an der Fachhochschule der Wirtschaft in Bergisch Gladbach und Leiter des dortigen Centers of Automotive Management. Manchmal habe es etwas lange gedauert, was wohl auch „an Eitelkeiten unter den Beteiligten“ gelegen habe. Nun ist Bratzel aber überzeugt, dass „in den nächsten drei bis fünf Jahren Car-to-X-fähige Premiumfahrzeuge auf den Markt kommen werden“.

Frequenzen könnten sich gegenseitig stören

Trotz erfolgreicher Normung gilt es jedoch noch zwei Hürden aus dem Weg zu räumen: das Frequenz- und das Zertifikateproblem. Die Probleme bestehen dabei weniger in technischer Hinsicht, sondern erwachsen letztlich aus der Vielstaatlichkeit Europas. Das hatte bereits Folgen: „Ursprünglich war die Industrie von einer Einführung der Car-to-X-Lösungen in diesem Jahr ausgegangen“, sagt Niels Peter Skov Andersen, General Manager des Car 2 Car Communication Consortiums, „aber aufgrund der Probleme mit den Frequenzen und Zertifikaten haben die Unternehmen ihre Pläne zunächst zurückgestellt.“ Dem Car 2 Car Communication Consortium gehören 13 Fahrzeughersteller, 26 Zulieferer und Systemanbieter sowie 30 Forschungseinrichtungen an. Es ist sozusagen die Stimme der Industrie im Bemühen um eine europa- beziehungsweise weltweite Vereinheitlichung der Car-to-X-Lösungen. Das Frequenzproblem entsteht dadurch, dass künftige Car-to-X-Lösungen und bestehende Mautsysteme in europäischen Staaten wie Frankreich, Italien, Österreich und einigen skandinavischen Ländern auf benachbarten Frequenzen funken, nämlich im Bereich um 5,9 Gigahertz. Will ein Car-to-X-ertüchtigtes Fahrzeug in der Nähe einer Mautstation ein Ad-hoc Netzwerk zu benachbarten Fahrzeugen aufbauen, befürchten die Mautbetreiber, dass das Car-to-X-System die Mautstelle stören könnte. Diskussionen, wie sich die Signale der Car-to-X-Systeme im Umfeld der Mautstationen verringern lassen, dauern an, „da die Car-to-X-Funktionen jedoch für sicherheitsrelevante Anwendungen eingeführt werden, möchte die Industrie die Signalstärken von Car-to-X-Systemen möglichst wenig begrenzen“, sagt Andersen. Es ist vor allem ein Problem, das grundsätzlich gelöst werden muss – bevor die Industrie damit beginnen kann, Fahrzeuge mit Car-to-X-Hardware auszurüsten, denn „wegen des Sicherheitsaspekts sind spätere Updates im Feld kein gangbarer Weg“, so Andersen weiter.

Umgekehrt sorgen sich die Besitzer der Mautsysteme um den reibungslosen Betrieb der Infrastruktur – finanzielle Ausfälle will bei der Maut verständlicherweise keiner riskieren. Also setzten sich Industrie und Behörden zusammen, um nach einer Lösung zu suchen, mit der beide Seiten leben können. Es war rasch klar, dass die existierenden Mautsysteme einen Bestandsschutz genießen werden. Technisch lässt sich das über eine Datenbank lösen, mit deren Hilfe die Car-to-X-Systeme erkennen können, an welcher genauen geografischen Position die Mautstationen betrieben werden. Unklar ist dagegen, wie man mit Mautneuinstallationen umgehen soll. Irgendwie muss dazu ja ein sicherer Prozess aufgesetzt werden, durch den sich gewährleisten lässt, dass auch diese relevanten Informationen über neue Mautinstallationen den Car-to-X-Systemen in den Fahrzeugen zur Verfügung stehen. Wie das gemacht wird, ist offen. Andersen spricht in diesem Zusammenhang von einer „andauernden Diskussion“ und will keine zeitliche Prognose wagen.

Das Frequenzproblem könnte künftig durch eine andere Entwicklung weiter an Dramatik gewinnen. Die Wi-Fi-Hersteller nämlich haben ebenfalls Bedarf an zusätzlichen Frequenzen, weil die aktuell für WLANs genutzten 2,4- und 5-Gigahertz-Bänder in dicht besiedelten Regionen auf Dauer nicht ausreichen werden. Schon heute können Bewohner von Mehrfamilienhäusern davon ein Lied singen. Daher haben die Wi-Fi-Hersteller auch ihr Interesse an dem Frequenzbereich um 5,9 Gigahertz bekundet. Anfang 2013 gab es in den USA, wo dieser Frequenzbereich wie in Europa für die Car-to-X-Kommunikation vorgesehen ist, Äu- ßerungen seitens des Vorsitzenden der dortigen Regulierungsbehörde FCC, die die Telematikorganisation ITS America als verfrühten Persilschein für die Wi-Fi-Hersteller interpretierte. Obwohl – so die damalige Kritik – doch noch eine Analyse laufe, welche grundsätzlichen Folgen eine solche Öffnung des Frequenzbereichs für die sicherheitsrelevanten Funktionen der Car-to-X-Kommunikation hätte.

Wer stellt die Sicherheitszertifikate aus?

Das zweite Problem neben den Frequenzen, das Europas Industrie und Behörden noch aus dem Weg schaffen müssen, betrifft die infrastrukturseitigen Sicherheitszertifikate der Car-to-X-Systeme. Im Rahmen der Standardisierung im vergangenen Jahr durch ETSI und CEN ist natürlich auch ein Security Framework für die Car-to-X-Kommunikation verabschiedet worden. Allerdings ist in der Norm nicht geregelt, wer die Zertifikate für die Authentifizierung zwischen zwei Fahrzeugen oder zwischen Fahrzeug und Infrastruktur ausstellt. Das ist auch keine Aufgabe für eine Standardisierungsorganisation. Aber natürlich gilt: Ohne ausgestellte Zertifikate keine vertrauenswürdige Kommunikation. „Für die Industrie ist es kein grundsätzliches Problem, sich auf einheitliche Zertifikatausgabestellen für die Systeme in den Fahrzeugen zu einigen“, sagt Andersen. „Jeder hatte dort seit Anfang an ein Interesse daran, dass diese Ausgabestelle europaweit agiert.“ Anders sehe es bei den Zertifikaten für die Infrastruktur aus, die sich ja im Besitz der Länder befindet: „Einige Staaten betrachten das als nationale, hoheitliche Aufgabe und wollen nicht nur eigene Zertifikate ausgeben, sondern sogar eigene Formate für die Zertifikate etablieren“, weiß Andersen. Das brächte natürlich eine ungeheure Komplexität mit sich, die praktisch wohl nur sehr aufwendig handzuhaben wäre. „Wir hoffen, dass wir hier mit Hilfe der EU-Kommission einen Weg finden, der europaweit einheitliche Zertifikate für alle Systeme ermöglicht, die an der Car-to-X-Kommunikation beteiligt sind – egal ob sie im Fahrzeug sind oder am Straßenrand stehen“, sagt Andersen. Doch auch dabei gilt: Solange es hierfür keine Lösung gibt, wird sich Car-to-X nur sehr schwer im Alltag umsetzen lassen.

Autor: Michael Vogel

Bild: Continental

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