Edge versus Cloud Computing

Edge Computing könnte in verschiedenen Automotive-Anwendungen in Zukunft das Cloud Computing ersetzen.

Edge Computing, also alle Arten von Berechnungen und Analysen an den äußersten Enden einer IT-Topologie, hat sich zu einem heißen Trend entwickelt. Laut dem taiwanesischen Institut TrendForce soll der Edge-Weltmarkt bis 2022 mit einer jährlichen Wachstumsrate von mehr als 30 Prozent zulegen. 2025 soll das Marktvolumen dann bei 3,24 Milliarden US-Dollar liegen. Auch in der Automobilindustrie setzt sich Edge Computing immer stärker durch. Es gibt zwei sehr unterschiedliche Anwendungsfelder: Zum einen gehören alle In-Car-Rechenoperationen dazu, die vor allem durch die neuen Generationen vernetzter Fahrzeuge rasant zulegen. Zum anderen hält Edge Computing verstärkt Einzug in die Fertigung, wo immer mehr Rechenleistung so nah wie möglich an die Sensoren verlagert wird.

Im Bereich Connected Cars gibt es bereits verschiedene Großprojekte: BMW beispielsweise nutzt Amazon Web Services (AWS) für neue Connected-Car-Anwendungen. In nur sechs Monaten wurde der neue Car-as-a-Sensor-Service (Carasso) erstellt. Er nutzt Amazons Simple Storage Service, den Simple Queue Service, DynamoDB, Amazons relationale Datenbank sowie AWS Elastic Beanstalk. „Durch den Einsatz von AWS kann sich Carasso an die sich sehr schnell ändernden Lastanforderungen anpassen. Diese können innerhalb von nur 24 Stunden um zwei Größenordnungen auf- und absteigen“, erklärt Dieter May, der für die Digital Business Models bei BMW verantwortlich zeichnet. Volkswagen ist im Bereich Connected Cars eine strategische Partnerschaft mit Microsoft eingegangen. Die neue Volkswagen Automotive Cloud soll als große industrielle Cloud alle künftigen digitalen Dienste und Mobilitätsangebote des Wolfsburger Autobauers umfassen. Mittelfristig soll so das größte digitale Ökosystem der Automobilbranche entstehen. Hierzu baut VW in der Nähe des Microsoft-Hauptsitzes in Redmond (US-Bundesstaat Washington) ein neues Entwicklungszentrum auf. Zukünftig sollen alle Services in den VW-Fahrzeugen sowie die konzernweite, cloudbasierte Träger­architektur One Digital Platform (ODP) auf der Microsoft-Cloudplattform Azure basieren.

Auch im Telekommunikationssektor gibt es Bewegung: Ericsson hat im Sommer 2018 das Automotive Edge Computing Consortium (AECC) ins Leben gerufen. Die branchenübergreifende Allianz, der unter anderen AT&T, Denso, Intel, KDDI, NTT, Sumitomo Electric und Toyota angehören, will „sicherstellen, dass die neuen Technologien und Standards den zukünftigen Anforderungen der Wertschöpfungskette der vernetzten Autos entsprechen“, heißt es in einer Presseerklärung des Verbandes. Die Allianz geht davon aus, dass „vernetzte Autos bis 2025 das 10 000-Fache der heutigen Datenmengen untereinander austauschen werden“. Das ist wichtig, wie man im Bereich Produktionsmaschinen und Roboter sieht: Auch dort breitet sich Edge Computing aus, zumeist jedoch mit Systemen verschiedener Hersteller und mit proprietären Protokollen. Das erhöht die Komplexität erheblich und verlangt Zwischenschritte, um Daten und Prozesse zu vereinheitlichen. Die Software AG bietet mit Cumulocity IoT bereits ein Tool, das alle Geräteverbindungen- und Datenerfassungsaufgaben abdeckt. Kepware von PTC ist ein ähnliches Produkt, das verschiedene Geräte mittels einer Protokollkonvertierung verbindet. PTC ist hier besonders gut aufgestellt, denn mit der neuen Partnerschaft und Beteiligung von Rockwell Automation verfügt man jetzt über eine durchgängige Produktpalette – von der Cloud bis hinunter zum entferntesten Sensor. „IT und OT konvergieren. Folglich gibt es eine natürliche gemeinsame Ausrichtung zwischen unseren Unternehmen. Gemeinsam verfügen wir über das umfassendste und flexibelste IoT-Angebot im Industriebereich“, sagte Rockwells CEO Blake Moret anlässlich der Bekanntgabe der neuen Partnerschaft im Juni 2018. Sein neuer Geschäftspartner, PTC-Chef Jim Heppelmann, sieht das ähnlich: „Die Integration unserer beiden führenden Technologiebereiche bedeutet, dass viele Industrieunternehmen die Vorteile des Industrie-IoT wesentlich besser nutzen können.“

Klassische Cloudprovider wollen natürlich auch ein gewichtiges Wort mitreden. Vor allem Amazon ist sehr aktiv. Jüngst kündigte der Webriese aus Seattle vier neue Dienste an, die die Datenerfassung im Bereich IoT und Edge Computing vereinfachen sollen. Dazu gehören IoT SiteWise, IoT Events, IoT Things Graph und der IoT Greengrass Connector. „Unsere Kunden sagten uns, dass es einfacher sein muss, verschiedene Geräte schnell zu verbinden und zu nutzen – genau darauf haben wir jetzt reagiert“, gibt Dirk Didascalou von AWS als Grund für die neuen Services an. Sie sollen vor allem Kosten und Komplexität reduzieren. IoT SiteWise ist ein Managed Service zur Datenerfassung und -katalogisierung. Er ist derzeit im Preview verfügbar und wird vor allem von Energieversorgungsunternehmen und in Fertigungsbetrieben erprobt. IoT Events dient der Reaktion auf Vorkommnisse, die von IoT-Sensoren oder -Anwendungen generiert werden. Steigt beispielsweise die Temperatur in einem Kühlraum an, kann das ein Hinweis darauf sein, dass die Tür nicht korrekt geschlossen ist. Umgehend wird eine SMS an den zuständigen Techniker geschickt, der dann dem Problem nachgehen kann. Dieser Service ist derzeit auch nur im Preview verfügbar. Gleiches gilt für den IoT Things Graph, mit dem sich IoT-Apps auf visueller Basis mit Drag-and-drop erstellen lassen. Hinzu kommt eine Bibliothek mit vordefinierten Cloud- und Devicemodellen. Amazon meint, dass sich auf diese Art Applikationen mit nur wenig oder gar keiner Codierung entwickeln lassen. Ab sofort verfügbar ist der neue IoT Greengrass Connector: Er hilft App-Entwicklern dabei, externe Anwendungen sicher an die Greengrass-Geräte anzubinden. Bei seinen IoT-Aktivitäten kooperiert Amazon mit verschiedenen Spezialanbietern, etwa dem US-amerikanischen Solution Provider Klika Tech oder dem Berliner M2M-Spezialisten EMnify – beides Unternehmen, die tief in der Maschinensteuerung und Automatisierung zuhause sind.

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