Mit 4,88 Milliarden Euro ist der Umsatz der 25 Digitalisierungsspezialisten im vergangenen Jahr erneut gestiegen und hat die „magische“ Grenze von fünf Milliarden nur knapp verfehlt. Das ergab die zehnte exklusive Umfrage von automotiveIT für das IT-Dienstleister-Ranking. Obwohl mit einem Wachstum in Höhe von 8,2 Prozent die Auftragsbücher der Digitalisierungsspezialisten gut gefüllt sind, hat sich die Umsatzentwicklung verlangsamt. Zum Vergleich: Von 2016 zu 2017 stieg der Gesamtumsatz der 25 IT-Dienstleister mit 10,9 Prozent noch zweistellig.
Nach zehn Erfolgsrunden mit zum Teil bemerkenswerten Wachstumsraten könnte sich nun die Stimmung in den nächsten Jahren eintrüben: Technologischer Transformationsdruck, Brexit-Chaos und globale Handelskriege machen der Automobilbranche extrem zu schaffen. Zahlreiche Gewinnwarnungen bei Herstellern und Zuliefern zeichnen für die nächste Zeit ein düsteres Bild. Das bekommen auch die 25 wichtigsten IT-Häuser zu spüren. Den Prognosen zufolge könnte zwar im kommenden Jahr zum ersten Mal die Marke von fünf Milliarden Euro geknackt werden, das Wachstum aber wird aller Voraussicht nach noch einmal um 1,9 Prozent nachgeben – trotz der Branchengrößen, die mit zweistelligen Umsatzzuwächsen große Sprünge im aktuellen Ranking machen.
Einer dieser Gewinner ist die Porsche-Tochter MHP. Mit einem Umsatzwachstum von mehr als 30 Prozent schiebt sich das Beratungshaus vom sechsten auf den dritten Platz. Auch für das Jahr 2019 rechnet MHP nochmal mit einer Steigerung von satten 20 Prozent auf 480 Millionen Euro. Grund dafür sind unter anderem die anhaltend hohen Investitionen der Autohersteller in Zukunftsthemen wie Elektromobilität und Digitalisierung. An der Spitze des IT-Rankings thront wie in den Vorjahren T-Systems: Mit einem Umsatz von 740 Millionen kann die Telekom-Tochter zwar nicht an die Zahlen aus dem Vorjahr anknüpfen, aber die Führungsrolle im Wettbewerb nach wie vor verteidigen. Nach dem Umsatzrückgang in den vergangenen Jahren rechnet man in der Frankfurter Konzernzentrale für das laufende Geschäftsjahr mit einem stagnierenden Umsatz in Höhe von 740 Millionen Euro. Seit diesem Frühjahr kooperiert T-Systems mit der Conti-Tochter Argus Cyber Security. Gemeinsam etablieren beide Unternehmen ein Automotive Security Operations Center, spezialisiert auf vernetzte Fahrzeuge.
Für neuen Schwung soll künftig auch eine Umstrukturierung der Geschäftssparten sorgen. Der Bonner Mutterkonzern baut eine neue Einheit für Telekommunikationsservices mit Geschäftskunden auf, die den bisherigen Geschäftskundenbereich der Telekom Deutschland sowie die Portfolioeinheiten TC Services und Classified ICT von T-Systems umfassen soll. Die beiden Geschäftseinheiten Security und IoT bleiben dabei weiter Teil von T-Systems, werden aber als eigenständige Gesellschaften tätig sein. Sie sollen den Konzern wettbewerbsfähiger gegenüber flexiblen Wettbewerbern mit schlanken Entscheidungsstrukturen machen. Die Unabhängigkeit der Bereiche erleichtere neue Wege, etwa bei Partnerschaften mit Wettbewerbern, erläutert T-Systems-Chef Adel Al-Saleh. Auch IBM als Zweitplatzierter sieht sich gut gewappnet für die Zukunft und verbuchte mit einem Umsatz von 570 Millionen ein Plus von 30 Millionen Euro.
Auf den weiteren Plätzen folgen Computacenter, die NTT Gruppe – dank steigender Umsätze 2018 konnten die Münchner zwei Plätze nach oben klettern – sowie Accenture. Insgesamt sind die Top Five für die Hälfte des Branchenumsatzes verantwortlich, kleinere und mittlere Dienstleister steigerten ihren Anteil am Gesamtmarkt im Vergleich zum Vorjahr nochmals um einen Prozentpunkt. Das liegt unter anderem an den Technologieberatern von Capgemini, die ihr Ergebnis um fast 33 Prozent auf 245 Millionen verbessern konnten. Das Berliner Beratungshaus schiebt sich vom zehnten auf den neunten Rang. Zweistellige Zuwächse verzeichnen auf den Rängen dahinter auch Atos, Wipro und Cancom. Mit Allgeier und ESG Mobility, einer Ausgründung aus der ESG Elektroniksystem- und Logistik GmbH, finden sich darüber hinaus zwei Newcomer in den Top 25. Die Stimmung in der Branche könnte also kaum besser sein.
Brancheninsider warnen jedoch vor allzu großer Euphorie. Nach Jahren, in denen die OEMs das Feld Digitalisierung mit massiven Investitionen bespielt haben, könnte es künftig zu einem gezielteren Innovationsmanagement kommen. „Ich denke, dass genauer darauf geachtet wird, welche digitalen Projekte umgesetzt werden sollen. Hier wird man sich sehr genau ansehen, welche Vorhaben den meisten Mehrwert bringen und welche kurzfristig keinen Wertbeitrag liefern können“, ist Sebastian Zeeb überzeugt, der das Automotive-Team beim Consultingunternehmen Deloitte leitet. Die Branche hätte zudem erkannt, dass sie viele Digitalisierungsprozesse inhouse anstoßen kann. Allein General Motors hat in der Vergangenheit über 10 000 IT-Fachkräfte in den Konzern zurückgeholt.
Der Volkswagen-Konzern bündelt seine Kompetenzen im Bereich Softwareentwicklung und hat dafür eine neue Geschäftseinheit unter dem Namen Car-Software ins Leben gerufen. 5000 Digitalexperten arbeiten dort an neuer Software für den Wolfsburger OEM. Trotz dieser Signale aus der Autoindustrie muss den IT-Dienstleistern nach Einschätzung von Deloitte-Manager Zeeb aber nicht bange werden: „Autobauer haben besonders im Umfeld der Digitalisierung der eigenen Produkte umfangreiche Einstellungen getätigt. Jedoch ist es schwer für Unternehmen, in allen notwendigen Bereichen geeignete Mitarbeiter vorzuhalten. Viele Unternehmen gehen dazu über, in Ökosystemen zu denken und sie mit eigenen Mitarbeitern, Partnern, Dienstleistern und Lieferanten zu entwickeln – so wollen sie sicherstellen, auf alle notwendigen Skills zur richtigen Zeit zugreifen zu können. Ich glaube vor diesem Hintergrund werden IT-Dienstleister auch weiterhin auf absehbare Zukunft nicht obsolet.“