Miniaturisierung Lidar

(Bild: Continental)

Googles erstes autonomes Fahrzeug erinnerte nicht nur wegen des verwendeten Basisfahrzeugs Toyota Prius an eine dahinrollende Kugel, auch der Knubbel auf dem Dach verstärk­te diesen Eindruck. Im Knubbel steckte das Lidar. Das Akro­nym steht für Light Detection and Ranging und leistet quasi das im Infrarotlicht, was Radar bei Radiowellen kann: Objekte im Umfeld erfassen und ihre Entfernung bestimmen. Über ei­nen rotierenden Spiegel schickte das Lidar dazu Laserstrahlen in die Umgebung und detektierte die schwachen Reflexe, die wieder zurückkommen. Das damalige System stammte vom kalifornischen Unternehmen Velodyne, wog einige Kilogramm und kostete über 70 000 US­-Dollar. Jeder wusste, dass das viel zu teuer und die Anbringung zu komplex war, um jemals inte­ressant für Serienfahrzeuge zu werden. Die Position auf dem Dach war zudem aerodynamisch ungünstig. Und die mecha­nischen Komponenten, die für den rotierenden Spiegel erfor­derlich waren, wären mit Blick auf die Lebensdauer eines Pkw viel zu wartungsanfällig gewesen.

Aber die Entwicklung ist an diesem Punkt nicht stehengeblieben. Etablierte Zulieferer und Startups arbeiten an Lidarkonzepten, damit die genannten Nachteile Geschichte werden. Ein Lidar würde maßgeblich zur Redundanz der Umfeldsensorik eines autonomen Fahrzeugs beitragen. Ein Radar misst Distanz und Geschwindigkeit von Objekten und funktioniert bei Nacht und Nebel, wenn die Ka­meras ihre Schwierigkeiten haben. Allerdings erkennt das Ra­dar zum Beispiel keine Überreste eines Autoreifens, die auf der Fahrbahn liegen. Denn dieses Material reflektiert keine Radar­strahlung. Ein Lidar dagegen hätte damit bei Nacht kein Pro­blem, bei Nebel würde es ebenfalls an seine Grenzen stoßen. Lidar ist also kein Allheilmittel, doch es wäre ein dritter unab­ängig arbeitender Informationskanal zur Umfelderfassung. Es steht für Redundanz.

Aus Investorensicht ist das eine heiße Sache, wie die Entwick­lungen der vergangenen Monate zeigen. Der Zulieferer ZF hat sich im Sommer 2016 mit 40 Prozent am Hamburger Lidarher­steller Ibeo beteiligt. Ziel ist es, gemeinsam einen kompakten Sensor ohne verschleißanfällige Spiegel zu entwickeln. Infineon hat im vergangenen Herbst die niederländische Innoluce gekauft, ein Spinoff von Philips. Innoluce hat sich auf minia­turisierte Laser­-Scanning­-Module mit integrierten mikroelek­tromechanischen Systemen (MEMS) auf Siliziumbasis speziali­siert. „Unser Ziel ist es, Lidar zu einer preisgünstigen Option für jeden Neuwagen weltweit zu machen“, kündigte Peter Schie­fer, der bei Infineon den Geschäftsbereich Automobilelektronik leitet, anlässlich der Übernahme an. Bosch wiederum hat sich diesen Februar gemeinsam mit weiteren Investoren an der ka­lifornischen TetraVue beteiligt, die ein sogenanntes Flash­-Lidar entwickelt. Dabei wird das Umfeld durch kurze Laserpulse erleuchtet und die schwachen Reflexionen werden detektiert. Zulieferer Continental kommuniziert für den Start der Serien­produktion das Jahr 2020.

Vergangenen April hat nun Velodyne ein halbleiterbasiertes Lidar für den Automobilbereich angekündigt, das ab 2018 in die Massenfertigung gehen soll. Mit Abmessungen, die unge­fähr den Dimensionen eines Brillenetuis entsprechen, ließe sich das Lidar in die Windschutzscheibe und in die Seiten des Fahrzeugs integrieren. Der Preis einer Einheit soll bei einigen hundert US­-Dollar liegen. Das kalifornische Startup Quanergy wiederum hatte schon auf der CES­-Messe 2016 vollmundig ein halbleiterbasiertes Lidar angekündigt, das höchstens 250 US­-Dollar kosten werde. Praktisch belegen konnte Quanergy sei­ne kommunizierten Spezifikationen damals nicht. Frühestens ab 2020 soll die Massenproduktion dieses Lidars bei Sensata, einem mit der Automobilindustrie vertrauten Auftragsfertiger, beginnen. Die Richtwirkung der Abtastung möchte Quanergy durch die Überlagerung elektronisch steuerbarer einzelner La­ser bewerkstelligen, ein Verfahren, das als Optical Phased Array bezeichnet wird.

Auch das israelische Startup Innoviz kündig­te – aufgepumpt durch eine weitere Finanzierungsrunde von neun Millionen US­-Dollar – im vergangenen Sommer ein Lidar an. Bis 2018 will man „ein wegweisendes, hochauflösendes Halbleiterlidar“ entwickeln. Auch das Fraunhofer­-Institut für mikroelektronische Schaltungen und Systeme (IMS) in Duis­burg arbeitet mit Industriepartnern in mehreren Lidarprojekten zusammen. „MEMS, Halbleiter und Optical Phased Arrays sind drei maßgebliche Ansätze für miniaturisierte, wartungsarme Lidarsensoren“, bestätigt IMS­-Wissenschaftler Werner Brock­herde. „Während bei allen Lidartypen die größte technische Hürde auf der Detektorseite die Unterdrückung von störendem Hintergrundlicht ist, gibt es beim Laser je nach verwendetem Ansatz unterschiedliche Hürden.“ Ein MEMS­Lidar arbeite entweder relativ langsam oder erfordere einigen Aufwand, um stabil zu laufen. Beim Optical Phased Array komme es auf eine extrem präzise Formung und Führung des Laserstrahls an. „Solche Probleme hat Flash-­Lidar nicht, weil es keine beweg­lichen Elemente gibt“, sagt Brockherde, dessen Institut in Sa­chen Flash­-Lidar forscht. „Allerdings erreicht man damit keine so hohe Reichweite, weil das Licht der Infrarotpulse auf eine größere Fläche verteilt wird.“ Eher 100 als 200 Meter.

Verschiedene OEMs haben sich beim Lidar bereits klar positi­oniert. „Lidar ist fürs autonome Fahren die ideale Ergänzung zu Radar und Kamera“, sagt etwa Michael Hafner, Leiter Automa­tisiertes Fahren und aktive Sicherheit in der Entwicklung von Mercedes-­Benz. „Es spielt in unserer Roadmap eine wichtige Rolle.“ Allerdings erst, wenn der Preis stimmt. „In dieser Hin­sicht sehen wir noch deutliches Potenzial“, so Hafner weiter. Tesla dagegen ist wohl der lauteste Lidar­-Verweigerer. Für die Serie, das hat der Hersteller schon mehrfach betont, halte man Kamera und Radar für ausreichend, da Hardware und Algorith­men immer besser würden.

Dieser Artikel erschien erstmals in carIT 04/2017

Sie möchten gerne weiterlesen?