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Bendiek: „OEMs benötigen eine erhebliche Infrastruktur, diese selbst aufzubauen wäre nicht effizient.“ (Bild: Microsoft)

Gerade die deutschen Automobilhersteller auf die Cloud-Software-Expertise des einstmals für seine PC-Betriebssysteme berühmt gewordenen Weltkonzerns Microsoft. Im Interview spricht die Deutschlandchefin Sabine Bendiek über das Potenzial und die Herausforderungen einer sich stark im Wandel befindlichen Branche und warum dieser wohl kaum im Alleingang zu bewältigen ist. 

automotiveIT: Kaum ein Tech-Unternehmen hat in letzter Zeit mit Ankündigungen zu Partnerschaften mit Automobilunternehmen so viel Aufsehen gesorgt wie Microsoft. Wieso fokussieren Sie sich bei neuen strategischen Allianzen gerade so sehr auf die Automobilindustrie?

Bendiek: Fahrzeuge werden immer mehr zu Computern auf Rädern. Keine Branche investiert mehr in Forschung und Entwicklung als die deutsche Automobilindustrie. Sie ist weltweit führend, wenn es um Patente von vernetzten und autonomen Autos geht. Doch die Komplexität moderner Technologien ist mittlerweile so groß, dass sie von keinem Hersteller mehr allein gestemmt werden kann. Autobauer müssen heute Technologien wie Cloud-Computing, künstliche Intelligenz oder das Internet der Dinge schnell und wirksam einsetzen können. Es besteht also ein spürbarer Bedarf. Microsoft versteht sich als Partner der Automobilindustrie, nicht als Wettbewerber. Wir liefern der Branche die Grundlage für skalierbare und vernetzte Mobilitätsdienste, indem wir unsere IT-Expertise teilen und eine sichere sowie weltweit verfügbare Cloud-Infrastruktur bereitstellen.

Auf der Hannover Messe 2019 haben Sie zusammen mit BMW die Initiative Open Manufacturing Platform vorgestellt. Sie soll – in ihren Worten gesprochen – dazu dienen, mit Hilfe einer „branchenübergreifenden Community und einem technologischen Framework, Datensilos in Unternehmen aufzulösen“. Wie hat man sich dies in der Realität vorzustellen und wie sieht Ihre Roadmap aus?

Im Zuge der Digitalisierung entwickeln sich Unternehmen selbst zu Anbietern von digitalen Lösungen. Die OMP-Initiative mit BMW ist ein Leuchtturmprojekt für strategische Partnerschaften in der Automobilindustrie, das aus diesem Verständnis heraus gestartet wurde. Rentabilität und Produktivität in der Produktion sind aktuell zumeist durch komplexe, proprietäre IT-Systeme sowie Datensilos signifikant eingeschränkt. Die OMP soll diese Hürden durch die Etablierung einer offenen Technologieplattform überwinden, indem sie die Entwicklung von IoT- und Smart-Factory-Lösungen vorantreibt, die von der OMP-Community gemeinsam genutzt werden können, um die Effizienz in der Produktion zu steigern. Hierfür werden wir die OMP-Community kontinuierlich erweitern – voraussichtlich bis Ende 2019 um vier bis sechs Partner und mindestens 15 Anwendungsfällen in ausgewählten Produktionsumgebungen. Gemeinsam mit BMW ermutigen wir auch branchenfremde Hersteller und Zulieferer, sich der Initiative anzuschließen.

OEMs wie Volkswagen, Daimler oder eben BMW setzen in den neuen Kooperationen vor allem auf Ihre Cloud-Expertise – auch weil Autobauer nach Ansicht vieler Branchenexperten beim Thema Cloud und Software schlichtweg noch völlig am Anfang stehen. Halsen Sie sich da nicht gerade eine Mission Impossible nach der nächsten auf?

Hersteller aus der Automobilindustrie benötigen eine erhebliche Infrastruktur, diese selbst aufzubauen wäre nicht effizient. Vielmehr sollten Industrieunternehmen auf vertrauensvolle Partner setzen, um im Zusammenspiel die Möglichkeiten der Digitalisierung für ihre ganz speziellen, branchenspezifischen Anforderungen auszuschöpfen. Stichwort vernetztes Fahren – das geht nur mit der Cloud. Besonders digitale Dienste stehen im Fokus, denn das Potenzial ist groß. So wird der Umsatz von Mobilitätsdienstleistungen bis 2025 auf fast 400 Milliarden US-Dollar geschätzt. Führende deutsche Automobilhersteller haben dies bereits für sich erkannt und möchten keine Universallösungen, sondern eigene digitale Mobilitätsangebote entwickeln, die zur Marke passen und den speziellen Bedürfnissen der Kunden entsprechen. So unterstützen wir beispielsweise VW beim gezielten Aufbau eines Entwicklungszentrums für die Automotive Cloud. Mission Impossible? Das wäre der Versuch alles selbst zu machen. Umgekehrt gilt aber auch: Auf dem Reißbrett ist da auch für uns nichts vorgefertigt. Hersteller wie IT-Anbieter werden auch zukünftig permanent gefordert sein, ihre Services und Technologien in kürzeren Innovationszyklen weiterzuentwickeln – und das geht am besten in Kooperation.

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