Group of robot arms wroking in futuristic factory and digital communication network concept.

Cofinity-X hat sich zum Ziel gesetzt, die einfache und schnelle Einführung von Produkten und Dienstleistungen über die Automobilindustrie zu ermöglichen. (Bild: Adobe Stock / metamorworks)

Ein standardisierter, globaler Datenaustausch in der automobilen Lieferkette – darauf zielt Catena-X. Nachdem damit der Anfang gemacht ist, sollen nun Betreibergesellschaften die Früchte des einheitlichen, aber föderiert organisierten Datenraumes ernten. Für Automotive-Anwendungen macht Cofinity-X den Anfang. „Mit Catena-X ist ein kollaboratives und offenes Daten-Ökosystem für die Automobilindustrie geschaffen worden“, erklärt David Schönwerth, Bereichsleiter Data Economy beim Digitalverband Bitkom, „das auch darauf zielt, unter den Nutzern Vertrauen zu schaffen, weil nicht nur ein Akteur die Hand auf den Daten hat.“

Es geht schlicht um Datensouveränität: Wer Daten zur Verfügung stellt, soll die Kontrolle behalten und individuell entscheiden, wer wie, wann, wo und unter welchen Bedingungen Daten bekommt. Die Konstruktion erinnere, so Schönwerth, an das politische System Deutschlands: „Datenräume werden föderiert betrieben – nicht zentral, aber auch nicht voll dezentral. Instanzen von Datenraumsoftware können wie die Bundesländer miteinander kooperieren.“ Das Kräfteverhältnis sei ausgewogen, was vertrauensfördernd wirke.

Denn bislang neigt die Industrie in vielen Sektoren dazu, auf ihren Daten zu glucken, wie die Henne auf dem Ei. Auf diese Weise Mehrwerte anbieten, Transparenz in den Lieferketten schaffen und innovative vernetzte Services entwickeln wird schwierig, zumindest aber teuer, weil jeder Akteur mit Kooperationspartnern immer wieder neue Verträge aushandeln muss oder Datenformate angeglichen werden müssen. „Durch Datenökosysteme lassen sich die Stückkosten für das Teilen von Daten deutlich senken“, betont Schönwerth. „Denn wenn alle die gleiche Sprache sprechen, also das gleiche Format nutzen, dann ist das eine Art Euro-Paletten-Effekt.“

Cofinity-X soll europäisches Datennetz spannen

Mit Blick auf die Basis, Catena-X, und den Start von Cofinity-X, zeigt sich Timotheus Höttges, Chef der Deutschen Telekom, euphorisch: „Mit der Gründung der ersten Catena-X-Betriebsgesellschaft sind wir unserem gemeinsamen Ziel nun einen großen Schritt nähergekommen: ein cloud-basiertes Daten-Netzwerk über Europa zu spannen. Für eine digitalisierte, europäische Automobilindustrie“ Das Netzwerk basiere auf Datensouveränität, DSGVO-Konformität und höchsten Sicherheitsstandards.

Was ist Cofinity-X?

Die Cofinity-X GmbH wurde 2023 gegründet und ist ein Gemeinschaftsunternehmen, dem unter anderem BMW, Mercedes-Benz, SAP, Schaeffler, Siemens, T-Systems, Volkswagen und ZF angehören. Die Automotive-Plattform hat ihren offenen Marktplatz für die Bereitstellung eigener und fremder Anwendungen und Diensten im Oktober 2023 live geschaltet. „Das Unternehmen soll dazu beitragen, signifikante Fortschritte bei der Operationalisierung und dem Aufbau von durchgängigen Datenketten zur Rückverfolgbarkeit von Materialflüssen über die Wertschöpfungskette hinweg zu schaffen“, so die Betreiber.

„Wesentliche Erfolgsfaktoren sind Datensicherheit und Datenschutz, Interoperabilität, Skalierbarkeit sowie die Integration von neuen Technologien wie KI oder Blockchain“, betont auch Moritz Schmerbeck, Sprecher des Verbands der Automobilindustrie (VDA) für Technik & Innovation. Die Potenziale seien enorm. „Cofinity-X hilft dabei als offener digitaler Marktplatz mehr Unternehmen in das Catena-X-Ökosystem einzubinden und somit diese Potenziale zu heben. Je mehr Akteure sich beteiligen, desto besser.“

Mehr Klarheit für stabilere Lieferketten

Die Chipkrise hat erneut vor Augen geführt, dass Automobilhersteller aufgrund komplexer Lieferketten kaum wissen, was passiert – sondern zuweilen erst, wenn der Teile-Lkw nicht kommt“, sagt Schönwerth, „Mit einem Datenraum hingegen wird die nötige Transparenz geschaffen.“ Darin sieht er eine der großen Chancen für Datenplattformen, durch die für mehr Transparenz, Resilienz und Effizienz in der Lieferkette gesorgt werden könne. „In Zeiten von Lieferengpässen bieten Anwendungen zur Rückverfolgbarkeit entscheidende Einblicke und helfen die Widerstandsfähigkeit der Lieferketten zu erhöhen“, heißt es bei Cofinity-X. Neben mehr Versorgungssicherheit können auch Rückrufe rascher abgewickelt und die Produktqualität erhöht werden.

Volkswagen etwa nutzt die Plattform im Qualitätsmanagement, um aus der Flotte, von Händlern und Kunden aber auch der Lieferkette möglichst früh auf etwaige Probleme hingewiesen zu werden. Aber auch in Sachen Nachhaltigkeit versprechen sich die Cofinity-X-Betreiber insbesondere bei CO2- und ESG-Überwachung, Kreislaufwirtschaft oder Geschäftspartnerdatenmanagement Fortschritte durch den einheitlichen Datenraum – denn so können auf Knopfdruck wesentliche Kennzahlen und Informationen bereitgestellt werden.

Eine Kernanwendung stellt die intelligente Verwaltung von Geschäftspartnerdaten (GPDM) dar: „Unternehmen investieren erhebliche Ressourcen, um Kunden- und Lieferantendaten aktuell zu halten“, so die Betreiber, „Die GPDM-Services von Cofinity-X bereinigen Geschäftspartnerdaten, reichern diese an und halten sie auf dem neuesten Stand.“ Cofinity-X-Nutzer könnten daher von sortierten, analysierten, bereinigten und angereicherten Daten profitieren.

Internationale Datenplattformen stecken noch in den Kinderschuhen

„Die zunehmenden Anforderungen zur Rückverfolgbarkeit aller Materialien über die gesamte Wertschöpfungskette ist einer der Schlüsselfaktoren für Cofinity-X“, betont Alexander Schleicher, Geschäftsführer der Datenplattform, „Wir werden ein wichtiger Teil eines schnell skalierbaren Ökosystems sein, an dem alle Unternehmen der automobilen Wertschöpfungskette gleichermaßen partizipieren können.“

Die Chancen dafür stehen gar nicht mal schlecht. Denn Ähnliches findet sich kaum - vergleichbare Initiativen für das Teilen von Daten befinden sich in anderen Ländern meist im Diskussionsstadium. Das Japan Automotive Data Dissemination Center (JADC) fördert den Datenaustausch und die Standardisierung von Datenformaten in der japanischen Automobilindustrie. In China finden sich derartige Ansätze mit dem China Automotive Data Services (CADS) - ein Datenraum für chinesische Automobilhersteller, ihre Zulieferer und weitere Akteure, der verschiedene Anwendungen wie Telematik, vernetzte Fahrzeuge und intelligente Mobilität unterstützt. Ansonsten prägen private Anbieter für Data-Sharing das Bild, bei denen eben wieder eine Entität die Hand auf den Daten hat, woraus (kostspielige) Abhängigkeiten erwachsen.

„Catena-X und darauf aufbauend Cofinity-X stellen ein umfassendes und zukunftsfähiges Fundament für innovative, datenbasierte Dienste in der Automobilbranche dar – auf Basis europäischer Werte“, so VDA-Sprecher Schmerbeck, „Dies macht Catena-X einzigartig in der Welt und stärkt den Standort Europa.“ Catena-X biete deutlich mehr Lösungen als die bekannten Hyperscaler: „Die europäische Lösung ist auf die Bedürfnisse, Standards und Prozesse der Automobilbranche zugeschnitten und ist dabei Garant für Datenschutz, Transparenz sowie Nachhaltigkeit“, unterstreicht Schmerbeck.

„Spannend wird jetzt, ob die globale Autoindustrie Datenräume samt ihrer Dienste auch nutzt“, sagt Schönwerth. Europa könnte hier die Nase vorn haben. Vor allem aber: „So wird man unabhängiger von einzelnen, großen Anbietern und damit letztlich wettbewerbsfähiger“, betont der Experte. Datenräume können nicht nur Kosten sparen, sondern auch die digitale Transformation vorantreiben.

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