Antonio Leone von NXP Semiconductors

Für einen großen Teil der Simulationen sei eine Ausführung der Prozesse über Cloud Computing nötig, so Antonio Leone von NXP. (Bild: NXP)

Die vernetzte Batterie wird künftig Teil des vernetzten Fahrzeugs. Wie werden Batterien smart gemacht und inwieweit zahlt dies auf Reichweite und Lebensdauer ein?

Für eine Batterie, bei der man den Zustand in Echtzeit bestimmen kann, ist es notwendig, die elektrochemischen und physikalischen Zusammenhänge in einer Reihe unterschiedlicher Modelle in einem sogenannten Digital Twin zu modellieren. Das ist ein digitaler Zwilling der physischen Batterie, der diese 1:1 auf einem Rechner simuliert. Dazu werden die Modelle vom Batterie-Management-System (BMS) im E-Fahrzeug gemessenen und die gemeldeten Daten laufend in den Digital Twin eingespeist. Auf dieser Basis lässt sich dann eine genaue Darstellung der Echtzeitbedingungen innerhalb der Batterie erstellen. Zudem können so Vorhersagen über den Betrieb der Batterie getroffen und Steuerparameter der Batterie oder des Fahrzeugs berechnet werden. Letztendlich hängen sowohl die Reichweite als auch die SOC-Abschätzung stark von der Alterung ab. Daher wird der Digital Twin in regelmäßigen Abständen durch das BMS trainiert. So entstehen auch historische Daten, auf Basis derer der Digital Twin die SOH-Abschätzungsgenauigkeit verbessert.

Welchen Einfluss haben dabei OTA-Updates, Cloud Computing und Big Data?

Einige der Prozesse des Digital Twin können zwar auch lokal in der im E-Fahrzeug installierten Steuereinheit ausgeführt werden, für einen großen Teil der Simulationen ist jedoch eine Ausführung der Prozesse über Cloud Computing nötig. Cloud Computing stellt dann die zusätzlich notwendigen Rechen- und Speicherkapazitäten außerhalb des Fahrzeugs zur Verfügung. OTA-Updates, also Aktualisierungen der Daten über Mobilfunk oder andere drahtlose Netze, stellen sicher, dass die Modelle der Digital Twins über die Fahrzeuglaufzeit stets auf den letzten Stand gebracht werden können. Zudem besteht durch verbesserte Algorithmen und wachsende kumulierte Flottendaten die Möglichkeit, die SOC- und SOH-Abschätzungen kontinuierlich zu verbessern.

Welche Rolle spielen Halbleiter hinsichtlich der Batteriedaten?

Die Basis für das Batteriemanagement und die Nutzung des Digital Twins sind robuste, zuverlässige und sichere Daten. Bei der Generierung dieser Batteriedaten spielen Halbleiter eine große Rolle. Denn es ist wichtig, dass die Halbleiter, welche Strom-, Zellspannungs- und Batterie-Stack-Spannungsmessungen durchführen, eine hohe und robuste Messgenauigkeit für Temperatur, Lebensdauer und Noise garantieren können. Gleichzeitig müssen sie aber auch höchste funktionale Sicherheitsstandards erfüllen. Die Daten werden dann über die Kommunikations-ICs zu den entsprechenden Verarbeitungseinheiten gesendet. NXPs Microcontroller und Gateway-Prozessoren, wie S32K und S32G, managen dann das Batteriemanagement-System, führen die Digital-Twin-Modelle aus, verarbeiten die Daten sicher in Echtzeit und verknüpfen das Fahrzeug mit der Cloud.

Der Bedarf an Halbleitern nimmt etwa durch ADAS-Funktionen immer weiter zu. Droht mit der Elektromobilität der nächste Engpass für die Autoindustrie?

Durch das Batteriemanagement, Cloud Computing und künstliche Intelligenz im Fahrzeug wird sich die Anzahl der Halbleiterchips pro Fahrzeug zukünftig erhöhen. Daher ist es erforderlich, entlang der gesamten Wertschöpfungskette vorausschauend zu planen, um eventuelle Engpässe zu vermeiden.

Wie steht es um die Skalierbarkeit über unterschiedliche Fahrzeugmodelle? Ist der Trend zu einheitlichen Architekturen unausweichlich?

Der Markt für Elektromobilität ist immer noch ein sehr dynamischer Markt mit viel Potenzial für Innovationen. Dies spricht typischerweise nicht für eine baldige Standardisierung. So sind beispielsweise die Anforderungen für das stark wachsende A00-Segment in China gänzlich anders als die Anforderungen an Fahrzeuge der Mittelklasse und Premiumklasse, wie zum Beispiel Reichweite, Batteriespannung, Preisgestaltung und Werthaltigkeit. Und auch die stark wachsenden Märkte für E-Busse und E-Trucks sowie ESS-Systeme haben teilweise signifikant unterschiedliche Anforderungen bezüglich der Batteriespannung, Energiedichte und Laufleistung.

Zur Person:

Antonio Leone von NXP

Antonio Leone ist Director Battery Management Strategy, Business Development & Ecosystems im Bereich Advanced Analog/Driver Energy bei NXP Semiconductors. Er verfügt über mehr als 30 Jahre Erfahrung in der Automobil-Halbleiterindustrie. Er hat einen Abschluss als Ingenieur in angewandter Physik von der Hochschule für angewandte Wissenschaften in München und einen MBA in General Management von der Universität Augsburg / Pittsburgh Katz Business School.

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