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E-Auto-Weltreisender Wiebe Wakker und sein „Blue Bandit“. (Bild: Plug me in/Wiebe Wakker)

Rekordfahrten um die Welt begeistern die Menschen und füllen die Panorama-Seiten der Tageszeitungen. Ob nun die jüngste Weltumseglerin Laura Dekker, die mit 16 Jahren 27.000 Seemeilen in einem Jahr absolvierte oder eine Britin, die vergangenes Jahr für die Weltumrundung auf dem Fahrrad nur 125 Tage brauchte. Die Faszination für solche unglaublichen Leistungen unter offenkundig widrigen Umständen bleibt ungebrochen.

Weltreise mit grünem Gewissen

Als eine vergleichbare Mission Impossible könnte man auch das Vorhaben eines jungen Niederländers bezeichnen, mit einem Elektroauto von Holland nach Australien zu reisen. Denn bislang gelten Stromer nicht unbedingt als die Kamele unter den Antriebsarten. Doch genau dieses Misstrauen gegenüber der Reichweite elektrifzierter Fahrzeuge wollte Wiebe Wakker vor drei Jahren mit einer Rekordfahrt von Amsterdam nach Adelaide in Australien und damit rund 89.000 mit E-Motor absolvierten Kilometern aus dem Weg räumen. Ende Januar 2019 erreichte Wakker nach 1050 Tagen die Stadt im Südwesten Australiens und überbot den bisherigen Streckenweltrekord eines Elektroautos um 67.000 Kilometer.

„Ich wollte schon immer mal eine Reise um die Welt auf nachhaltige Weise unternehmen“, erzählt Wiebe Wakker carIT. Die Antwort sei für ihn das Elektroauto gewesen, denn es ist schnell, leise, ein High-Tech-Produkt und hinterlässt keine Emissionen. „Überraschenderweise wollen nicht viele Menschen ein E-Auto fahren, da bei diesem Thema viele Vorurteile im Hinblick auf Zuverlässigkeit und Reichweite existieren.“ So entschied sich Wakker, das Gegenteil zu beweisen und einen „verrückten Roadtrip“ zu planen. „Dass er mehr als tausend Tage dauern würde, hätte ich zu Anfang nicht vermutet“, sagte Wakker.

Mit dem E-Golf durch die Wüste

Im März 2016 startete Wakker in Amsterdam mit einem umgerüsteten Golf Variant, der ursprünglich von einem niederländischen Energieversorger zur Erforschung der Vehicle-to-Grid-Technologie genutzt wurde. Die eingebaute Batterie des „Blue Bandit“ genannten VWs hat eine Kapazität von 37 kWh und eine Reichweite von 200 Kilometern – für ein 2009 umgerüstetes E-Auto durchaus beachtliche Werte.

Wakkers Weltreise führte über Nordeuropa gen Süden, durch den Mittleren Osten, Südostasien bis zum Zielkontinent Australien.

Vor Wakker und dem Blue Bandit lag ein Weg, der sie durch 33 Länder führen sollte, von Europa über den Mittleren Osten, Südostasien und schließlich nach Australien. Vielen Beobachtern dürfte dieses Unterfangen damals einem Himmelfahrtskommando gleichgekommen sein. Während die Ladeinfrastruktur in Wakkers Heimat, in Norwegen oder Schweden 2016 teilweise schon vorbildhaft gewesen sein dürfte, fand der studierte Event-Manager in Öl exportierenden Ländern wie dem Iran oder den Vereinigten Arabischen Emiraten nachvollziehbarerweise kaum Ladestationen für E-Autos vor.

Doch die hatte Wakker auch gar nicht auf seinem Ressourcenplan für den E-Roadtrip. „Natürlich war mir vor der Reise klar, dass es eine große Herausforderung werden würde – aber es schien nicht unmöglich“, betont Wakker. Er stellte Recherchen an und fand heraus, dass auf der avisierten Strecke überall elektrischer Strom zu bekommen war. „Ich wusste, dass es in vielen Ländern bisher wenig bis gar keine Infrastruktur gibt und ich nur bei Menschen an der heimischen Steckdose laden werden könnte – eine Ladestation war da nur ein Bonus.“ Zu dem schlechter ausgebauten Raum gehörten interessanterweise auch viele asiatische Staaten, die Wakker durchquerte: In Indien habe es nur in größeren Metropolen Ladesäulen gegeben, in Malaysia sei die Lade-Situation zwar annehmbar gewesen, doch führe dort kaum jemand ein E-Auto, erinnert sich Wakker.

Ladeinfrastruktur hat Luft nach oben

Zahlen der International Energy Agency für das Jahr 2017 – also dem zweiten Jahr von Wakkers Weltreise – zeigen, dass Länder wie China, die USA oder auch Großbritannien beim Ausbau der Ladeinfrastruktur weit vorne liegen. China verfügte damals schon über mehr als 200.000 öffentlich zugängliche Ladepunkte, die USA immerhin über 45.000. Dagegen lagen Etappenziele wie Indien oder Thailand in diesem Ranking mit dreistelligen Zahlen abgeschlagen weit unten. Und auch das Zielland Australien verfügte vor zwei Jahren nur über knapp 480 Ladepunkte.

Trotz seiner erfolgreichen E-Autotour über drei Kontinente sieht Wiebe Wakker ohne Zweifel die großen Herausforderungen, vor denen noch zahlreiche Länder stehen. „Es ist eine riesige Transformationsphase momentan und viele haben die Dimensionen dieses Wandels unterschätzt“, sagt der E-Auto-Pionier. „Die meisten europäischen Staaten hängen beim Ausbau der Infrastruktur zurück. Auch drei Stationen für jedes E-Auto, wie in den Niederlanden, ist nicht ausreichend. Wir brauchen dringend gewaltige Investitionen in diesem Bereich“, fordert Wakker. Sollte die Welt das bewältigen, würde das ungläubige Staunen über eine Rekordtour wie die von Wiebe Wakker und dem Blue Bandit einem eher anerkennenden Nicken weichen.  

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