Ein Handschuh mit Scanner vor einem Regal mit Paketen in der Logistik.

Der Scanner im Handschuh liefert dem Mitarbeiter schnell wichtige Informationen. (Bild: BMW)

In dem Maße, wie Hersteller und Zulieferer Arbeitsprozesse in Logistik, Produktion und Instandhaltung digitalisieren, müssen sich Lagermitarbeiter und Werker mit Geräten wie Tablets, Smartphones oder Smartglasses vertraut machen.

Was im privaten Alltag gut funktioniert, gestaltet sich im industriellen Umfeld mitunter schwierig: Zwischen den Aktions- und Lagerflächen herrscht die komplette Schicht über rege Betriebsamkeit, die Taktung in der Montage ist hoch.

Viel Zeit für prozessrelevante Eingaben bleibt nicht, Lager- und Materialflussplaner jonglieren in ihren Optimierungsberechnungen mit Sekunden. Um neue Technik erfolgreich in einen Arbeitsprozess zu integrieren, ist in robusten Einsatzszenarien neben Zuverlässigkeit vor allem Ergonomie gefragt.

Gestensteuerung in der Produktion

Die Messlatte legt die Consumer-Elektronik. Dort hat man es geschafft, die Bedienung technisch hoch komplexer Endgeräte so einfach zu machen, dass man beim Kauf heute nicht einmal mehr eine Gebrauchsanweisung bekommt.

„Man schaltet das Gerät ein und fängt an, es zu nutzen. Das muss auch der Anspruch in Lager und Montagehalle sein“, sagt Christoph Amma, Gründer und Geschäftsführer von Kinemic in Karlsruhe. Sein Unternehmen, eine Ausgründung des Karlsruher Instituts für Technologie, setzt auf Gestensteuerung: Mit dem Kinemic-Band, das einem Fitnesstracker ähnelt, lassen sich menschliche Bewegungssignale optimal nutzen, um Produktionsprozesse zu steuern.

Erkannt werden zum Beispiel Gesten und in die Luft geschriebene Zahlen. „Wir ersetzen nicht ein komplettes Keyboard mit 105 Tasten, sondern substituieren die vier, fünf am häufigsten genutzten Befehle“, erklärt Amma. Anwender können frei konfigurieren, welche Geste welche Aktion ausführt.

Ein Wischen nach rechts ersetzt dann zum Beispiel das Drücken der Enter-Taste, auch Tasten-Kombinationen sind programmierbar. Der Trend geht hin zur impliziten Erkennung von Handlungen und Aktionen. Werden sie erfasst, erfolgt die Bestätigung im System automatisch und der nächste Handlungsschritt wird aufgerufen.

Handschuhscanner mit Monitor

Zentrale Eingabeterminals haben ausgedient, die Laufwege kann man sich ebenso sparen wie Ausdrucke auf Papier. Sensorik am Körper der Mitarbeiter ermöglicht es, drahtlos und freihändig zu arbeiten. Das geht schneller und ist nachweislich effizienter.

Das bestätigt auch Marc-David Wagner, Sales Director Automotive bei ProGlove, dem Hersteller eines smarten Arbeitshandschuhs, der in Werken von BMW ebenso zum Einsatz kommt wie in der Originalteilelogistik von Volkswagen. Mit nur einem Druck des Daumens auf einen am Zeigefinger angebrachten Knopf wird der Scanner aktiviert.

Ein Mitarbeiter am BMW-Standort Dingolfing steht mit einem smarten Handschuh vor einem Regal mit Kartons.
BMW setzt im Lager seines Dynamikzentrums in Dingolfing auf smarte Arbeitshandschuhe. (Bild: BMW)

Das Wearable spart pro Pick jeweils rund vier Sekunden Zeit ein, was hochgerechnet auf Tag und Mitarbeiter mehrere Stunden Zeitgewinn bringt. Dazu kommen positive Ergonomieeffekte durch natürliche Handbewegungen: Arbeitsschritte werden eingespart, Abläufe vereinfacht. Damit nicht genug: Im April hat ProGlove den ersten Handschuhscanner mit integriertem Monitor vorgestellt.

„Mit diesem Wearable machen wir es Mitarbeitern leicht, wichtige Informationen zu empfangen, damit sie ihre Aufträge schnell und fehlerfrei erledigen können“, erklärt Wagner. Das kann das nächste Regal sein, der richtige Zielbehälter, eine Seriennummer – was immer gerade wichtig ist. Dank integrierter Kamera können zudem Fotos gemacht werden, um beispielsweise beschädigte Teile zu dokumentieren.

Kombination mehrerer Devices

Autobauer wie Mercedes-Benz investieren verstärkt in smarte Fabriken und erfassen viele Maschinen- und Prozessdaten. In der Factory 56 in Sindelfingen ist digitales Shopfloor-Management angesagt. In der Phase, in der Mitarbeiter direkt am Produkt arbeiten, klafft aber oft noch eine Lücke. Deshalb bietet ProGlove die Option, alle vernetzten Devices an eine Cloud anzubinden und mitarbeiterzentrierte Prozessanalysen zu fahren.

„Die erfassten Daten werden in Echtzeit in einen Kontext gesetzt und können zum Beispiel auf das Handschuh-Display übertragen werden“, verdeutlicht Wagner. So lassen sich Engpässe identifizieren und in unvorhergesehenen Spitzenbelastungen kann der Mitarbeitereinsatz optimiert werden.

Durch das Zusammenspiel mit digitalen Produktionsplattformen, an denen viele Hersteller aktuell arbeiten, ergibt sich dann ein vollkommen neuer Transparenzgrad und die zunehmende Komplexität und Varianz in der Produktion bleibt besser beherrschbar.

Die technischen Voraussetzungen, um Gestenbänder oder Handschuhe einzusetzen, sind bei großen Herstellern und Zulieferern meist schon vorhanden: ein Warehouse-Management-System wie SAP, ein Kommissionierungsprogramm, eine automatisierte Schnittstelle zur Datenübergabe – mehr braucht es nicht. Dank Bluetooth-Verbindung ist Plug-and-play möglich.

Unter Umständen kann sich sogar ein Zusammenspiel der einzelnen Devices als sinnvoll erweisen. Kinemic etwa verfolgt die Kombination mit Smartglasses von RealWear oder Vue bereits aktiv. Die Integration der Software erfolgt in direkter Zusammenarbeit mit den Brillenherstellern.

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