Daimler muss den Verlust einer zentralen Figur verkraften: Sajjad Khan, als Chief Technology Officer der Marke Mercedes-Benz für sämtliche CASE-Entwicklungen (Connectivity, Autonomes Fahren, Shared & Services und Elektromobilität) verantwortlich, wird den Stuttgarter Autobauer auf eigenen Wunsch verlassen, um selbst unternehmerisch tätig zu werden. Khan wird sich dem Aufbau eines Technologie-Venture-Capital-Fonds widmen.
Klar ist, dass CEO Ola Källenius die CASE-Themen nicht wieder in die Hände eines einzelnen Managers legen wird. Stattdessen wird für die Softwareentwicklung eine eigene Funktion geschaffen. Der Schwede Magnus Östberg wird künftig als Chief Software Officer die Entwicklung des Betriebssystems MB.OS leiten. Die weiteren CASE-Themen wandern ins Entwicklungsressort zu Markus Schäfer.
„Mit MB.OS haben wir eine klare strategische Entscheidung für die Zukunft von Mercedes-Benz getroffen: Wir setzen auf eine eigene Software-Plattform für unsere Fahrzeuge. Dafür schaffen wir nun auch eine eigene Software-Position, um die Verantwortung für alle dazugehörigen Entwicklungsaufgaben zu bündeln“, sagt Källenius. „Die Grundlagen für MB.OS hat Sajjad gelegt – mit technologischer Expertise, strategischem Weitblick und einem exzellenten Team.“
Mercedes-Benz entwickelt eigenes Betriebssystem
Die Umstrukturierung nach dem Weggang Khans ergibt durchaus Sinn. Da in Zukunft jedes Fahrzeug der Marke vernetzt und elektrifiziert sein wird, ist eine CASE-Organisation neben dem Entwicklungsressort nicht notwendig. Einen ähnlichen Schritt war Volkswagen mit der Rückführung des Elektromobilitätsressorts in die Technische Entwicklung zu Beginn des Jahres gegangen.
Und ebenso wie Volkswagen mit Cariad hält Mercedes-Benz an einer eigenständigen Softwareeinheit fest. Die deutschen OEMs BMW, Daimler und Volkswagen tanzen in der globalen Autoindustrie in Sachen Betriebssystem fürs Fahrzeug aus der Reihe und setzen auf eine – teure und aufwändige – Eigenentwicklung, während viele Konkurrenten auf die Lösungen großer Tech-Player wie Google setzen. Die genannten OEMs wollen die Kundenschnittstelle selbst besetzen und schließlich auch mit Mehrwertdiensten Geld verdienen.
Ein „Techplayer versus Autohersteller“ sieht der scheidende CTO Sajjad Khan ohnehin nicht mehr. „Wir sind längst eine Tech-Company“, sagte Khan noch vor wenigen Wochen auf dem CCI Summit von automotiveIT. Das ist maßgeblich Khans Verdienst: Nach seinem Amtsantritt 2015 hatte er die Themen Software und Vernetzung ins Rampenlicht eines bis dahin klassischerweise ingenieursgetriebenen Konzerns gestellt.
Das vielbeachtete Infotainmentsystem MBUX gehört ebenso zu Khans Erfolgen wie die Grundpfeiler des besagten Betriebssystems MB.OS. Eine ordentliche Basis, auf der Magnus Östberg nun aufsetzen kann. Der 48-Jährige stößt vom Zulieferer Aptiv zu Mercedes-Benz. Dort hatte er zuletzt die Entwicklung der ADAS Satellite Architecture verantwortet.