Motorhaube eines Fahrzeugs von Mercedes-Benz mit illustrierten grünen Datenpunkten.

In Sachen Software und Fahrzeugvernetzung pochen die deutschen Autobauer auf die eigene Kompetenz. (Bild: Daimler)

„Wir sind längst eine Tech-Company“, frohlockt Daimler-CTO Sajjad Khan auf dem diesjährigen CCI Summit von automotiveIT bei der Frage, ob der Stuttgarter Hersteller auf Augenhöhe mit den Tech-Größen aus dem Silicon Valley sei. Hätte die Aussage früher einmal für große Aufregung in der Automobilbranche gesorgt, ist sie längst Common Sense. In den Konzernzentralen in Wolfsburg, München oder Stuttgart hat sich ein neues Selbstverständnis durchgesetzt: Ohne die Hoheit über Daten und die zugehörige Software im Fahrzeug sind neue digitale Geschäftsmodelle nicht zu realisieren. Und so verwundert es auch nicht, dass die sonst eher moderaten Töne aus den hiesigen Konzernzentralen mittlerweile etwas forscher ausfallen, wenn es um das Rennen im Connected Car geht.

Als Technologieträger hat der Premiumhersteller mit dem Stern dafür die Elektrolimousine EQS auserkoren: „Das Fahrzeug hat einen intelligenten Hyperscreen, ist OTA-updatefähig und bietet autonome Fahrfunktionen auf der Autobahn. Es zeigt, wie Daimler Innovationen auf die Straße bringt“, so Khan. Doch das alles ist nur ein Anfang: Wenn 2024 das eigene Fahrzeugbetriebssystem MB.OS an den Start geht, möchte der Konzern ein noch gewichtigeres Wort beim Connected Car mitreden. Aus Sicht des Daimler-CTOs sind die Themen Cloud und IoT dafür die entscheidenden Bausteine.

Volkswagen setzt auf Eigenentwicklung

Das sieht man 530 Kilometer Luftlinie nördlich von Stuttgart nicht gänzlich anders: auch der Volkswagen-Konzern plant einen umfassenden Shift hin zu mehr Software im Fahrzeug. Die Eigenleistung bei der Softwareentwicklung soll bis 2025 von aktuell unter zehn auf 60 Prozent erhöht werden. Dafür stecken die Wolfsburger in den nächsten Jahren Milliardenbeträge in die hauseigene Softwaresparte Cariad.

Beginnend mit dem ID.3. erproben die Wolfsburger zudem den Rollout von Over-the-Air-Updates in ihren Fahrzeugen. „In zwei Jahren haben wir global eine vollvernetzte Flotte von 500.000 Fahrzeugen auf der Straße. Die Entwicklung in diesem Bereich hat ein enormes Tempo“, skizziert Thomas Ulbrich, Mitglied des Markenvorstands Volkswagen, Geschäftsbereich „Technische Entwicklung“ die Situation. In erste Linie gehe es laut Ulbrich darum, „Mobilität zu demokratisieren“, sodass autonome Fahrfunktionen und neue digitale Features, die in der Entwicklung massive Gelder verschlingen, für den Massenmarkt erschwinglich werden. Dafür habe Volkswagen als Volumenhersteller gute Voraussetzungen.

Innenraum des ID.3 von Volkswagen
Im ID.3 rollt Volkswagen erste OTA-Updates aus. (Bild: Volkswagen)

In einem Zeitraum von fünf bis acht Jahren sieht der VW-Markenvorstand auch ein realistisches Zeitfenster, um das autonome Fahren auf eine neue Stufe zu heben. „Es handelt sich hier um eine evolutionäre und nicht um eine revolutionäre Form der Entwicklung. Wir brauchen einen Dreiklang bestehend aus einer guten technischen Basis, Lösungsansätzen bei den Themen Haftung und Ethik sowie einen regulatorischen Rahmen“, unterstreicht Ulbrich.

Was für Daimler in Sachen Fahrzeuginnovation der EQS ist, ist bei Volkswagen der Trinity. Der Fließheck-Stromer soll nach Ulbrichts Angaben ab 2026 den gesamten Softwarestack der Wolfsburger abbilden. Neben ortsunabhängigen Updates könne das Fahrzeug auch autonome Autobahnfahrten auf Level 4 ermöglichen. Für Elektro-OEM Tesla und ihren CEO Elon Musk ist vieles davon keine Zukunftsmusik, sondern schon Realität.

Tesla gilt bei der Fahrzeugvernetzung als Benchmark

Die Zeiten, in denen auf den Führungsebenen deutscher Autobauer mehr offen als hinter vorgehaltener Hand über die Produktions- und Qualitätsprobleme von Tesla abfällig gesprochen wurde, wirken in der Rückbetrachtung völlig fehl am Platz. Denn neben der Fertigungsqualität, für die sich die hiesigen Hersteller zu Recht rühmen, rücken Services um das vernetzte Fahrzeug viel stärker in den Fokus der Kunden. OTA-Updates, autonome Fahrfunktionen und ein zeitgemäßes Infotainment gehören mittlerweile zu den wichtigsten Verkaufsargumenten.

Allein Teslas Marktkapitalisierung legt nahe, wie sich die Rollen in der Autoindustrie verschoben haben: So ist der kalifornische Autobauer an der Börse mittlerweile mehr wert als Daimler, BMW und Volkswagen zusammen. Auch die roten Zahlen gehören beim Elektro-OEM der Vergangenheit an. So hat Tesla in den letzten Quartalen durchgängig schwarze Zahlen geschrieben. Dem jüngsten Quartalsbericht zufolge belief sich der Betriebsgewinn auf 1,31 Milliarden US-Dollar. Daraus resultiert eine Umsatzrendite von knapp elf Prozent – auf ähnliche Renditen kommt in der deutschen Autoindustrie lediglich noch VW-Tochter Porsche.

CCI-Studie zeigt Zukunftsfähigkeit der OEMs

„In den Zukunftsfeldern steht die beste Zeit in der Autobranche noch bevor, zumindest für die OEMs, die rechtzeitig aktiv geworden sind“, analysiert dazu treffend Stefan Bratzel, Leiter des Center of Automotive Management (CAM) und Mitherausgeber der CCI-Studie von automotiveIT, die die Leistungs- und Innovationsstärke von 30 globalen Automobilherstellern in den Bereichen vernetztes Fahrzeug und vernetzte Dienstleistungen sowie deren Marktstärke anhand verschiedener Indikatoren empirisch erhebt und vergleichend darstellt.

Auf dem Summit wurden die Ergebnisse der CCI-Studie nun erstmals von Stefan Bratzel der Öffentlichkeit präsentiert. Dabei machen insbesondere Volkswagen und Daimler eine gute Figur und belegen bei der Innovationsstärke im diesjährigen Ranking die Spitzenpositionen. Der Award für die innovativste Connected-Car-Lösung ging in diesem Jahr an BMW. Der bayerische Premiumhersteller erhielt den Preis für die aktive Ampelerkennung.

Bei den Connected Services liegt wiederum das Unternehmen von Elon Musk auf Platz 1. Doch für die deutschen Automotive-Größen geht der Blick längst nicht mehr nur über den großen Teich Richtung USA. Insbesondere China legt bei der Fahrzeugvernetzung ein gehöriges Tempo vor. Mit Great Wall, SAIC, Geely, BAIC und BYD schaffen es gleich fünf Autobauer aus dem Reich der Mitte in die Top-20 des Rankings der CC-Innovationsstärke. „Software und Vernetzung werden immer wichtiger, ohne Connected geht das Auto der Zukunft nicht mehr“, betont Bratzel. Sicherlich ein Satz, der in letzter Zeit wohl auch häufiger in Stuttgart und Wolfsburg zu hören war.

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