Ein zentraler Treiber in der holistischen Fahrzeugentwicklung ist das
Software-Defined Vehicle (SDV). Wie unterstützt MathWorks Auto-Unternehmen auf diesem
Weg?
Richard Rovner: Die Autobranche
wandelt sich zur Softwareindustrie. Das ist herausfordernd und mitunter
schmerzhaft – eröffnet, aber auch enorme Chancen. MathWorks hat seit
Jahrzehnten eine starke Präsenz in der Autoindustrie und das wird auch so
bleiben. Wir bieten eine Engineering-Plattform, die diese Transformation
ganzheitlich unterstützt – von der Konzeptphase über Design und Entwicklung bis
hin zur Produktion. Unsere Aufgabe ist es, eine Plattform bereitzustellen, die
sich in den gesamten Workflow integriert und Unternehmen hilft, ihre
Entwicklung zu beschleunigen und
gleichzeitig Qualität und Sicherheit zu gewährleisten. Ein
entscheidender Erfolgsfaktor in dieser Transformation ist die effektive
Zusammenarbeit zwischen Entwicklungs- und IT-Organisationen. Aus Plattform-
und Serviceperspektive ist es unsere Mission, diese Zusammenarbeit zu
ermöglichen und zu fördern. Unsere Tools und Services sind darauf ausgelegt,
die funktionsübergreifende Teamarbeit nahtloser und effizienter zu gestalten.
Udo Gohier: Die Komplexität, die mit der Realisierung des SDV
einhergeht, ist enorm. Es handelt es sich nicht nur um eine technologische
Transformation, es geht ebenso um Denkweise, Systems Engineering und Kultur.
Entwicklung und IT müssen effektiv miteinander kommunizieren, wenn Unternehmen
diesen Wandel erfolgreich bewältigen wollen. Das bedeutet, dass Organisationen
Silos aufbrechen und die Zusammenarbeit zwischen traditionell getrennten
Bereichen ermöglichen müssen. Wir haben einige gute Beispiele gesehen, in denen
Unternehmen daran arbeiten, die nächste Generation ihrer Organisation zu
gestalten. Ziel ist es, diese Transformation erfolgreich zu meistern und die
Vision des digitalen Produkts und des digitalen Unternehmens zu verwirklichen.
Warum ist für viele OEMs der Weg zu einer reibungslos
funktionierenden „Software Factory“ so holprig?
Rovner: Eine solche Veränderung ist von
Natur aus schwierig. Die Branche sieht sich gleichzeitig mit wachsender
Komplexität, zunehmendem Wettbewerb und höheren Anforderungen in Sachen Time-to-Market
konfrontiert. Um erfolgreich zu sein, benötigen Unternehmen einen vertikal
integrierten Ansatz, der Hardware, Software und Systems Engineering miteinander
verbindet. Das ist allerdings leichter gesagt als getan. OEMs müssen Sicherheit
und Qualität gewährleisten und gleichzeitig ihre Unternehmensstrukturen transformieren,
also sehr unterschiedliche Welten zusammenbringen: technisches Ingenieursdenken
auf der einen Seite, das IT-Mindset auf der anderen. Diese Disziplinen zu
verbinden, erfordert nicht nur technische Abstimmung, sondern auch einen
kulturellen Wandel.
Gohier: Für traditionelle OEMs kommt eine
zusätzliche Herausforderung hinzu: die Legacy-Umgebungen. Viele bestehende
Softwareprozesse wurden über Jahrzehnte hinweg in isolierten Abteilungen
entwickelt und optimiert. Jetzt müssen sie in eine integrierte Umgebung
überführt werden. Über organisatorische Transformation zu sprechen, ist in der
Theorie einfach – die Umsetzung ist jedoch äußerst komplex. Häufig entsteht
Reibung zwischen den klassischen, abteilungsorientierten Entwicklungsstrukturen
und dem Bestreben, größere, integrierte Software Factory Systeme zu schaffen – und
die werden zudem oft von der IT getrieben.
Welche Tendenzen sehen Sie denn bei der Annäherung zwischen IT und
Entwicklung, vor allem mit Blick auf Technologie und Kultur?
Gohier: Traditionell gab es eine gewisse
Distanz zwischen diesen beiden Welten. IT-Abteilungen übersehen oft das über
Jahrzehnte aufgebaute Ingenieurwissen hinter automobilen Systemen. Umgekehrt
betrachten Ingenieure die IT häufig lediglich als Enabler im Sinne eines
Lieferanten von Infrastruktur und digitalen Ressourcen. Das ändert sich gerade.
Wir sehen zunehmend gegenseitige Wertschätzung: IT und
Entwicklung beginnen, sich als gleichberechtigte Partner zu verstehen. Wenn
beide Seiten mit der Haltung zusammenarbeiten, dass „eins plus eins drei
ergibt“, können die Ergebnisse die Erwartungen übertreffen. Ein gutes Beispiel
dafür ist die Methodenkonvergenz in der Softwareentwicklung. Ingenieure denken
meist in Embedded-Systems-Kategorien mit engen Restriktionen, während für IT-Teams
der Umgang mit cloudbasierten Architekturen Alltag ist. Moderne Ansätze wie
DevOps helfen, diese Welten zu verbinden. Sie vereinen ingenieurtechnische
Strenge mit der Flexibilität und Skalierbarkeit der IT. Bei MathWorks haben wir diesen Trend bereits vor
mehreren Jahren erkannt und daran gearbeitet, unsere Softwareplattformen – MATLAB,
Simulink und Polyspace – so zu integrieren, dass sie das gesamte
V-Modell der Softwareentwicklung abdecken. Dazu gehören das
Anforderungsmanagement, Modellierung und Simulation, funktionale und logische
Tests, Implementierung sowie die kontinuierliche Verbesserung im Betrieb durch
digitale Zwillinge.
Rovner: Der Schlüssel zum Erfolg liegt im gegenseitigen
Verständnis. IT-Organisationen müssen die Herausforderungen verstehen, mit
denen Ingenieure konfrontiert sind – die Komplexität der Plattformen, die
Anforderungen an Sicherheit und Qualität, der regulatorische Druck – und die
Strenge anerkennen, die diese Faktoren den Entwicklungsprozessen abverlangen.
Gleichzeitig sollten Ingenieur-Teams den Wert erkennen, den die IT einbringt:
Expertise in Plattformskalierbarkeit, Cloud-Infrastruktur, Cybersicherheit und
unternehmensweite Integration. All das ist essenziell für den Übergang zum
Software-Defined Vehicle.
Geschwindigkeit, Qualität und Skalierbarkeit in Einklang zu bringen, ist die eigentliche Herausforderung
Udo Gohier, MathWorks
Wie lässt sich der ROI von Entwicklungssoftware gegenüber IT- und
Finanzabteilungen wirksam kommunizieren?
Gohier: Viele Autobauer und Zulieferer
haben Milliardenbeträge in Software und digitale Architekturen investiert.
Jetzt stellt sich die Frage: Was ist eigentlich ein guter ROI? Das ist nicht
immer leicht zu definieren – insbesondere angesichts der Disruption durch den
Wandel hin zum Software-Defined Vehicle. Dennoch gibt es Kennzahlen, die
helfen, den ROI greifbarer zu machen. Zum Beispiel: Wie hoch ist der
Automatisierungsgrad Ihrer Software Factory? Wie ist die Codequalität? Solche
Metriken geben Aufschluss über Effizienz- und Qualitätsgewinne. Wir sehen
bereits Kunden, die solche Indikatoren nutzen. Sie könnten jedoch noch
konsequenter angewendet werden. Unternehmen erzielen beeindruckende
Fortschritte bei der Systematisierung der Softwareentwicklung, um
Entwicklungszyklen drastisch zu verkürzen – von 72 Monaten auf bis zu sechs
Wochen. In China haben Geely und Zeekr hocheffiziente Ökosysteme rund um Softwareentwicklung
aufgebaut, und das spiegelt sich mittlerweile in guter Qualität und schnellen
Release Zyklen wider. Geschwindigkeit ist jedoch nicht alles. Die eigentliche Herausforderung besteht darin,
Geschwindigkeit, Qualität und Skalierbarkeit in Einklang zu bringen.
Rovner: Die Produktivitätssteigerungen
durch Model-Based Design und SDV-Architekturen sind erheblich. Diese
Investitionen machen nicht nur die Entwicklungsteams, sondern ganze Unternehmen
produktiver. Und dabei geht es nicht nur um interne Effizienz, sondern auch um das
Endprodukt. Bessere Software bedeutet bessere Fahrzeuge, treuere Kunden und
höhere Umsätze.
Warum ist Simulation ein entscheidender Hebel für Effizienz und
Qualität in der Fahrzeugentwicklung?
Rovner: Simulation ist seit langem ein
integraler Bestandteil des Engineerings und wir investieren weiterhin stark in
diesen Bereich. Mithilfe von Simulation können Ingenieure – lange bevor ein
physischer Prototyp existiert – einen deutlich größeren Designraum erkunden,
virtuelle Prototypen erstellen, Anforderungen validieren und verschiedene
Szenarien testen. Man braucht keine Hardware, um mit dem Testen zu beginnen.
Die langfristige Vision ist es, das gesamte Fahrzeug zu simulieren. Schon heute
lässt sich auf allen Ebenen simulieren – von einzelnen Komponenten bis hin zu
Systems of Systems. Simulation verbindet den gesamten Entwicklungsworkflow von
Anforderungen bis Implementierung und ermöglicht schnellere Iterationen. Ein
weiterer entscheidender Vorteil ist die Skalierbarkeit: Man kann lokal
simulieren oder je nach Bedarf in die Cloud skalieren. Das gibt Ingenieuren die
Flexibilität, gezielte Studien oder groß angelegte Systemevaluationen innerhalb
einer konsistenten Umgebung durchzuführen.
Wie lässt sich in diesem Zusammenhang der von vielen Herstellern
angestrebte „China Speed“ mit dem klassischen Qualitätsversprechen der
Autoindustrie in Einklang bringen?
Gohier: Zunächst einmal gilt: Je
schneller man sich bewegt, desto größer ist das Risiko, Kompromisse bei
Qualität und Sicherheit einzugehen – und genau darin liegt die zentrale
Herausforderung. Sicherheit darf niemals zugunsten der Geschwindigkeit geopfert
werden. Entwicklungsabteilungen stoßen hier an ihre Grenzen, besonders für
etablierte OEMs mit jahrzehntealten Legacy-Systemen ist das äußerst schwierig.
Greenfield-Player hingegen können ideale Strukturen sowie optimale Prozesse und
Workflows von Anfang an entwerfen und so viel einfacher Tempo aufnehmen. Natürlich
wird es mit zunehmender Komplexität von Software immer schwieriger, hohe Qualitäts-Standards
aufrechtzuerhalten – aber sie bleiben unverhandelbar. Was wir häufig beobachten, ist, dass Unternehmen Schwierigkeiten haben,
Geschwindigkeit mit Sicherheits-, Regulierungs- und Homologationsanforderungen
in Einklang zu bringen. Diese natürlichen Rahmenbedingungen können die
Entwicklung verlangsamen. Dennoch sehen wir insbesondere in Europa und
Deutschland bemerkenswerte Fortschritte, wo sich Produktionszyklen signifikant
verkürzt haben. Meiner Beobachtung nach sind die Entwicklungszeiten im
Vergleich zu vor sechs oder sieben Jahren um etwa ein Drittel geschrumpft. Das
ist eine enorme Leistung.
Rovner: Ich stimme vollkommen zu, und genau an dieser Stelle spielen Model-Based
Design, Modellierung und Simulation eine entscheidende Rolle. Sie ermöglichen
es, sowohl Geschwindigkeit als auch Qualität zu erreichen, ohne Kompromisse bei
der Sicherheit einzugehen. Mit einem Ansatz, der auf Modellierung und
Simulation basiert, können Sie Tests automatisieren, virtuelle Szenarien
entwerfen und ausführen sowie Daten synthetisieren, um auch Szenarien mit
geringer Eintrittswahrscheinlichkeit und Randfälle zu testen, , was in der
realen Welt oft kaum möglich wäre. Sie können Designs gegen Anforderungen
validieren, die Einhaltung von Normen sicherstellen und Sicherheit wie
Zuverlässigkeit in einer virtuellen Umgebung verifizieren. Und dies lange bevor
die Fahrzeuge auf die Straße kommen.
Wie ermöglichen Sie die Integration Ihrer Engineering-Tools in
CI/CD-Pipelines?
Rovner: Wir liefern Software, die offen,
interoperabel und leicht in bestehende Toolchains integrierbar ist –
einschließlich moderner Cloud-Plattformen und CI/CD-Umgebungen. Unser Ziel ist
es sicherzustellen, dass MATLAB, Simulink und deren Output sich nahtlos in
IT-Infrastrukturen von Unternehmen und in cloud-native Workflows einfügen. Mit
unseren Tools können Ingenieure automatisch produktionsreifen Code direkt aus
Modellen generieren, ihn in CI/CD-Systeme einspeisen und so kontinuierlich testen
und validieren. Dadurch entsteht ein reibungsloser Fluss von der
Modellentwicklung bis zur Implementierung, der Konsistenz, Qualität und
Nachverfolgbarkeit sicherstellt. Wir investieren weiterhin stark in die
Interoperabilität unserer Produkte mit führenden CI/CD-Systemen und
Cloud-Umgebungen. Dazu gehören eine robuste API-Anbindung und eine enge
Integration mit Hyperscaler-Plattformen, damit unsere Nutzer ihre Workflows
nahtlos in der Cloud oder auf der Unternehmensinfrastruktur ausführen können.
Gohier: In der heutigen komplexen Toolchain-Landschaft kann
kein einzelner Anbieter alles von A bis Z abdecken. Deshalb entwickeln wir
unsere Software bewusst offen und so, dass sie sich mit anderen Systemen und
etablierten Marktstandards integrieren lässt. Würden wir das nicht tun, würden
wir ein geschlossenes Ökosystem schaffen, das uns isoliert und es unseren
Kunden erschwert, effiziente End-to-End-Workflows aufzubauen. Stattdessen
verfolgen wir einen Plattformansatz und stellen sicher, dass unsere Tools als Teil
eines größeren Ökosystems funktionieren, in dem die Interoperabilität sowohl
Flexibilität als auch Skalierbarkeit ermöglicht.
Wie ist eigentlich die Haltung von MathWorks zu Open Source?
Rovner: Wir unterstützen aktiv Open-Source-Technologien
und -Communities und entwickeln unsere Produkte so, dass sie nahtlos mit
Open-Source-Umgebungen zusammenarbeiten. Nutzer können beispielsweise Modelle
aus Open-Source-Plattformen in MATLAB und Simulink importieren oder aus unseren
Tools generierten Code exportieren, damit dieser in Open-Source-Ökosystemen
ausgeführt werden kann. Seit langem bieten wir offene Schnittstellen und
Integrationen zu Standards wie Adaptive AUTOSAR oder Android Automotive an. Unser
Ziel ist es, Ingenieuren größtmögliche Flexibilität zu geben: Sie können MATLAB
und Simulink als zentrale Entwicklungsbasis nutzen und Open-Source-Komponenten
drum herum integrieren – oder unsere Tools als Bestandteil einer umfassenderen
Open-Source-Toolchain einsetzen.
Wie verändert generative KI den Engineering-Design-Prozess?
Rovner: Es ist eine spannende Zeit. Wir
sehen, dass klassische KI, generative KI und Agentic AI das Potenzial hat, die
Arbeit von Ingenieuren auf ein neues Niveau heben. Diese Technologien
ermöglichen eine höhere Abstraktionsebene, automatisieren wiederkehrende
Aufgaben und erlauben es Ingenieuren, größere Designräume zu erkunden, ohne
sich in detailorientierter Codierung zu verlieren.
Wo liegen die Grenzen?
Rovner: Diese Technologien sind nicht fehlerfrei. Eine falsche Antwort
bei einer Websuche ist das eine, fehlerhafter Code in einem Embedded System ist
etwas völlig anderes. Deshalb ist Model-Based Design so entscheidend: Es
ermöglicht Ingenieuren, KI-generierte Ergebnisse vor der Produktion zu
verifizieren, zu testen und zu validieren. KI kann Workflows automatisieren und
Code generieren, aber Model-Based Design weist nach, dass dieser Code
tatsächlich funktioniert. Diese Kombination, die wir „AI-assisted
Model-Based Design“ nennen, ist die Zukunft des Engineerings.
Gohier: Ganz genau. Die Zukunft liegt
darin, Automatisierung mit der physikalischen Strenge zu verbinden, auf die
Ingenieure angewiesen sind und der sie vertrauen. Gerade im Bereich des
physikalischen Modellierens gibt es noch viel zu tun – und genau dort zeigt AI-assisted
Model-Based Design sein volles Potenzial. Wenn Ingenieure Modelle in
nachgelagerte Produktions-Workflows übergeben, müssen sie absolut sicher sein,
dass diese Modelle korrekt und sicher sind. AI-assisted Model-Based Design
unterstützt dabei, indem es Ingenieure von routinemäßigen oder administrativen
Aufgaben entlastet, sodass sie sich auf die Bereiche konzentrieren können, die
wirklich ihre Expertise erfordern.
AI-assisted Model-Based Design ist die Zukunft des Engineerings.
Rich Rovner, MathWorks
Wie verändert KI das Kompetenzprofil von Ingenieuren, und welche
neuen Rollen oder Fähigkeiten ergeben sich daraus?
Rovner: Ingenieure benötigen neue
Kompetenzen, um künstliche Intelligenz effektiv, verantwortungsvoll und sicher
einzusetzen. Sie brauchen KI-Kompetenz, also das Verständnis dafür, wie KI
Arbeitsabläufe verbessert, aber auch das Bewusstsein für Risiken, Grenzen und
potenzielle Fehlerquellen. Dabei bleibt es entscheidend, Engineering-Methoden
wie Testen, Prüfen und Validierung rigoros anzuwenden, um Fehler frühzeitig zu
erkennen und ihre Ausbreitung zu verhindern. Die Integration von KI braucht
zudem systemisches Denken: das Verständnis für das Zusammenspiel von
Komponenten, Datenflüssen und den Entwurf von Architekturen, bei denen
Sicherheit, Zuverlässigkeit und Compliance im Mittelpunkt stehen. Kollaboration
wird dabei wichtiger denn je. Wir werden vermehrt KI-Spezialisten in
klassischen Entwicklungsteams sehen und engere Partnerschaften mit IT-,
Data-Science- und Softwareentwicklungsabteilungen. Der Erfolg hängt davon ab,
wie gut diese unterschiedlichen Disziplinen zusammenarbeiten.
Wie integriert MathWorks GenAI in seine Produkte?
Rovner: Wir gehen hier sehr überlegt vor.
Wir haben MATLAB Copilot eingeführt, einen KI-Assistenten, der Nutzer dabei
unterstützt, MATLAB-Code besser zu verstehen, zu interpretieren und schließlich
effizienter zu schreiben. Als Nächstes folgen Simulink Copilot und Polyspace
Copilot. Das Ziel: Ingenieure sollen mithilfe von KI Code und Modelle generieren
können. Jeder Entwicklungsschritt ist darauf ausgelegt, Zuverlässigkeit und
Genauigkeit sicherzustellen – Eigenschaften, die Ingenieure von MathWorks
erwarten. Wichtig ist uns dabei auch Flexibilität: Unterschiedliche
Organisationen und Anwender – von Auto-Ingenieuren bis hin zu Forschern –
befinden sich auf sehr unterschiedlichen Reifegraden in der KI-Adoption. Unser
Ansatz ermöglicht ihnen, KI in ihrem eigenen Tempo und unter eigener Governance
einzuführen – und dabei stets die Kontrolle zu behalten.
Gohier: Verantwortung ist dabei das
entscheidende Stichwort. Bei generativer KI folgen wir nicht einfach Trends,
sondern modellieren Innovationen sorgfältig und stellen sicher, dass sie
unseren Qualitätsstandards entsprechen, bevor sie veröffentlicht werden. Ingenieure
müssen unseren Tools vertrauen können – beim Erstellen und Testen von Modellen
ebenso wie beim frühzeitigen Erkennen von Fehlern. Deshalb beziehen wir unsere
Kunden frühzeitig ein, sammeln Feedback, validieren Anwendungsfälle und
verfeinern die Funktionalitäten in enger Zusammenarbeit mit den Anwendern.
Blicken wir nach vorn: Die Fahrzeugentwicklung wird zunehmend
software- und KI-getrieben sowie cloudintegriert. Was sind die größten Chancen
und Risiken für OEMs und Zulieferer in den kommenden Jahren?
Rovner: Die größte Chance liegt im Aufbau
der Software Factory der Zukunft. Die Automobilindustrie entwickelt sich
zunehmend zu einer Softwareindustrie und das eröffnet enormes Potenzial für
Innovation, Effizienz und neue Geschäftsmodelle. Die Risiken liegen in der
wachsenden Fahrzeugkomplexität, im zunehmenden Wettbewerb und in der
Herausforderung, Sicherheit, Qualität und Zuverlässigkeit aufrechtzuerhalten.
Entscheidend ist, diese Transformation methodisch, intelligent und
verantwortungsvoll anzugehen. Bei MathWorks sind wir überzeugt, dass „AI-assisted
Model-Based Design“ den Rahmen bietet, um Risiken zu steuern und Chancen zu
realisieren.
Gohier: Die größte Chance – und zugleich
die größte Herausforderung – besteht darin, systematisch zu bleiben. Der Wandel
von der traditionellen, abteilungsorientierten Entwicklung hin zu einem
modellgetriebenen Ansatz ist entscheidend. Es ist verlockend, alles gleichzeitig
anzugehen – doch das ist selten effektiv. Unternehmen müssen fokussiert
vorgehen, Prioritäten klug wählen und methodisch voranschreiten. Keine einzelne
Abteilung und keine einzelne Disziplin können diese Transformation allein
bewältigen. Unternehmen, die funktionsübergreifende Zusammenarbeit zwischen IT,
Entwicklung, Software und Daten fördern, werden erfolgreich das automobile
Ökosystem der nächsten Generation gestalten.