Chantal Himmels und Robert Siwy, BMW
„Fahrsimulatoren sind unverzichtbare Entwicklungs-Tools“
Der Trend hin zu SDVs erhöht die Bedeutung von Virtualisierung enorm. Die BMW-Experten Chantal Himmels und Robert Siwy erklären, wie Simulationen, bei denen der Mensch im Fokus steht, die Entwicklung von SDVs beschleunigen und deren Sicherheit erhöhen.
Arbeitskollegen bei BMW: Chantal Himmels, Specialist Driving Simulation and Virtualization, und Robert Siwy, Software Manager.
BMW
Mit ihrer gebündelten Expertise in menschlichen
Verhaltensweisen, Software-Engineering und virtuellem Testing entwickeln Chantal
Himmels und Robert Siwy bei BMW Fahrfunktionen der nächsten Generation –
und validieren sie. Die studierte Psychologin Himmels greift dabei auf Erfahrungen in der ADAS-Entwicklung bei Daimler Trucks und als Dozentin für Informatik zurück. Siwy, ein
erfahrener Softwaremanager und viel zitierter Experte für Embedded- und Autosar-Systeme,
bringt tiefgreifende technische Einblicke in simulationsgetriebene
Softwarevalidierung ein.
Gemeinsam untersuchen sie, wie Virtualisierungen
und Driver-in-the-Loop-Umgebungen zukünftige Fahrzeugsysteme sicherer,
schneller und nutzerzentrierter machen können . Wir haben dem Expertenduo
hierzu drei Fragen gestellt, die sie gemeinsam beantwortet haben.
Frau Himmels, Herr Siwy, virtuelle Entwicklungsumgebungen
werden zu einem entscheidenden Bestandteil moderner Fahrzeugdesigns. Welche
Rolle spielt aus Ihrer Sicht die Driver-in-the-Loop-Simulation, um eine
realistische Bewertung softwarebasierter Fahrfunktionen sicherzustellen?
Um das bestmögliche Produkt zu entwickeln, sollten
zukünftige Kundinnen und Kunden in den Entwicklungsprozess einbezogen werden,
anstatt ein Produkt auf den Markt zu bringen und dann festzustellen, dass es
nicht das ist, was sie möchten. Dafür müssen wir die Technologien von morgen
schon heute erlebbar machen. In diesem Kontext haben sich Fahrsimulatoren als
unverzichtbare Entwicklungs-Tools etabliert. Simulatoren ermöglichen es uns,
Sicherheit in der Bedienung, Kontrollierbarkeit und Usability bereits zum
Zeitpunkt des ersten Produktkonzepts zu untersuchen. Auf diese Weise können
Simulatoren einerseits unseren Entwicklungsprozess beschleunigen, andererseits
Untersuchungen ermöglichen, die sonst unmöglich wären. Unter realen
Testbedingungen hängen Fahrfunktionen stark von der Verkehrsumgebung ab, was es
erschwert, aus naturalistischen Fahrdaten allgemeine Schlussfolgerungen für das
Systemdesign abzuleiten. Gleichzeitig können Testfahrzeuge nicht von
Nicht-BMW-Expertinnen und -Experten gefahren werden. Mit unserem Driving
Simulation Center können wir unsere Kundinnen und Kunden einladen, unsere neuen
Systeme zu erleben und gezielt genau jene Szenarien innerhalb des Kontexts
unserer neuen Software zu erleben, die wir als besonders interessant erachten.
Was genau bedeutet der Ansatz „Testing the Driver’s Software Experience“ – und wie
hilft er dabei, die Lücke zwischen virtuellen Tests und realer
Wahrnehmung zu schließen?
In Fahrsimulatoren geht es nicht darum, Hardware zu testen.
Das lässt sich in Hardware-in-the-Loop-(HiL)-Setups einfacher erledigen. Ebenso
sollte reine Software nicht in den Fahrsimulatoren getestet werden, da es
hierfür ebenfalls effizientere Mittel gibt, etwa
Software-in-the-Loop-(SiL)-Umgebungen. Wofür wir Fahrsimulatoren benötigen, ist
das Testen von Konzepten. Die Erkenntnisse aus diesen Konzeptbewertungen
fließen dann in unseren Softwareentwicklungsprozess ein – zum Beispiel in
fortschrittliche Fahrerassistenzsysteme (ADAS), in die Entwicklung von
Human–Machine Interfaces (HMI) oder in die Fahrdynamik. Um die bestmögliche
Software zu schreiben, reicht es nicht, User-Flows und Funktionalitäten in
isolierten Setups zu testen. Insbesondere Automotive-Software sollte direkt in
der Fahrsituation getestet werden. Daher testen wir in unseren Fahrsimulatoren
nicht nur Software, sondern auch, wie die Fahrerinnen und Fahrer unsere
Softwarelösungen erleben.
Im Rahmen der Virtualisierungsstrategie von BMW haben
sich Fahrsimulatoren zu leistungsfähigen Entwicklungswerkzeugen entwickelt. Wie
tragen sie zu schnelleren Iterationen, höherer Sicherheit und einem stärker
menschorientierten Ansatz in der Softwarevalidierung bei?
Zum einen sind Tests mit realen Fahrzeugen naturgemäß erst
dann möglich, wenn die ersten Hardwareprototypen existieren – also relativ spät
im Entwicklungsprozess. In unseren Fahrsimulatoren können wir zukünftige
Funktionen auf funktionaler Ebene vergleichsweise einfach erlebbar machen, ohne
dass physische Prototypen erforderlich sind. Nach der initialen
Konzeptbewertungsphase können wir zudem Seriensoftware in den Fahrsimulator
integrieren; das heißt Anwendungen, die auf Zielhardware und -software laufen.
Kundenfeedback lässt sich so über den gesamten Entwicklungsprozess hinweg
einholen, was eine wahrhaft nutzerzentrierte Entwicklung ermöglicht. Hinsichtlich
der Sicherheit erlauben uns Fahrsimulatoren Untersuchungen, die in der realen
Welt nicht durchgeführt werden könnten, weil sie zu gefährlich wären. Beispiele
für solche risikoreichen Szenarien sind Fahrerreaktionen auf kritische
Systemfehler, etwa wenn der Notbremsassistent nicht auslöst – oder
fälschlicherweise auslöst. Auf diese Weise haben Studien im Fahrsimulator in
der Vergangenheit bereits Systemhomologationen ermöglicht, wobei
Simulatorstudien selbstverständlich immer durch reale Ergebnisse ergänzt werden
müssen, wenn Entscheidungen mit erheblichen Risiken verbunden sind.