Von der vernetzten Fertigung bis zur Cloud-basierten Fahrzeugentwicklung: IT-Dienstleistungen sind längst zum Rückgrat der Automobilindustrie geworden. Wir zeigen, mit welchen digitalen Lösungen Hersteller Effizienz steigern, Risiken minimieren und Innovationen beschleunigen.
Softwarekompetenz wird in der Autoindustrie immer wichtiger.(Bild: Canva)
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Im Interview: Bernd Gilgen, Ferchau Automotive
Die digitale Transformation und die umfassenden Umwälzungen in der Automobilindustrie machen auch vor Engineering-Spezialisten nicht Halt. Im Kurzinterview erklärt Bernd Gilgen von Ferchau Automotive, wie Engineering-Dienstleister den Fachkräftemangel meistern und welche Chancen neue Technologien eröffnen.
Herr Gilgen, mit der AI Core Group treiben Sie das Thema
KI intern voran. Was war der Auslöser für diese Initiative – und wie verändert
sie die Zusammenarbeit im Unternehmen?
Wir haben früh erkannt, dass Künstliche Intelligenz kein
Zukunftsthema, sondern ein strategischer Innovationstreiber ist. Mit der AI
Core Group haben wir bereits vor drei Jahren eine interne Plattform geschaffen,
um KI-Kompetenzen systematisch auszubauen. Initiiert von Philipp Nolte und
Daniel Obrenovic, vernetzt die Gruppe heute Fachbereiche wie Maschinenbau,
Elektrotechnik und Softwareentwicklung standortübergreifend. Schulungen und
Pilotprojekte fördern eine neue Form interdisziplinärer Zusammenarbeit – mit
dem Ziel, KI gezielt in Kundenprojekten zur Anwendung zu bringen.
Wie verändert KI die Anforderungen an
Engineering-Dienstleister?
KI erweitert den klassischen Engineering-Begriff. Neben
Hardware- und Softwareentwicklung rücken Datenmanagement und
Algorithmenkompetenz in den Mittelpunkt. Projekte erfordern zunehmend die
Verbindung verschiedener Disziplinen: Wer Maschinenbau, Elektrotechnik,
Regelungstechnik und Softwareentwicklung integriert, kann komplexe KI-Systeme
umsetzen. Gleichzeitig verändert sich der Kundenbedarf. Viele Unternehmen
stehen beim Thema KI noch am Anfang. Wir übernehmen daher zunehmend eine
vermittelnde und erklärende Rolle: Wir zeigen, wie sich KI praktisch einsetzen
lässt – etwa mit Projekten wie dem „Hexapod“-Demonstrator, der die Prinzipien
von Reinforcement Learning aufzeigen kann, oder
Predictive-Maintenance-Lösungen. Entscheidend ist, dass KI nicht als theoretisches
Konzept verstanden wird, sondern als Werkzeug, das datenbasiert Effizienz und
Qualität messbar steigert.
Wenn Sie einen Blick in die Zukunft wagen: Welche
KI-Trends werden Ihrer Meinung nach die Automobilbranche nachhaltig verändern –
und welche bleiben eher Vision?
Nachhaltig prägen die Branche vor allem Datenmanagement,
Predictive Analytics und Edge AI. Unternehmen beginnen, ihre Datenbestände
strategisch zu nutzen. KI macht daraus verwertbares Wissen, ermöglicht
präventive Wartung und Echtzeitentscheidungen im Fahrzeug. Ebenso wichtig sind
Human-in-the-Loop-Systeme, bei denen KI den Menschen gezielt unterstützt,
anstatt ihn zu ersetzen. Großes Potenzial sehe ich auch in der Smart
Production: KI-gestützte Bildverarbeitung, Robotiksteuerung und digitale
Zwillinge erhöhen Qualität, Effizienz und Nachhaltigkeit bis hin zur
datenbasierten Reduktion des CO₂-Fußabdrucks in der Fertigung. Visionär bleiben
dagegen vollständig autonome Fahrzeuge (Level 5) oder KI-gesteuerte
Entwicklungsprozesse und Lieferketten. Sie sind technisch faszinierend, aber in
der Breite noch Zukunftsmusik, vor allem wegen regulatorischer Hürden und
Sicherheitsanforderungen.
Forterro und blp setzen auf KI-basierte Automatisierung
von Dokumenten
Wie der Softwareanbieter Forterro und der in der Schweiz angesiedelte Spin-off der ETH Zürich, blp, ankündigen, erweitern sie das Portfolio mit KI-gestützter Automatisierung von ERP-Prozessen für ein- und ausgehende Dokumente. Dank KI-Einsatzes werden Dokumente nicht mehr digitalisiert, sondern echt automatisiert, heißt es bei Forterro. Dokumente sollen nicht mehr nur digital erfasst und an Mitarbeiter weitergeleitet werden, sie werden dank KI auch inhaltlich verstanden und mit den richtigen ERP-Daten validiert. Somit wird der ERP-Prozess automatisiert verarbeitet – dies vollständig ohne manuelles Eingreifen, so das Unternehmen weiter. „Durch die Partnerschaft mit blp sind mittelständische Unternehmen in der Lage ihre dokumentbasierten ERP-Prozesse bis zu 85 Prozent voll zu automatisieren, also jegliche menschliche Interaktion zu eliminieren", sagt Marcus Pannier, LoB Präsident bei Forterro. Out of the Box seien Automationsgrade zwischen 60 und 70 Prozent realisierbar.
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SAP-Architektur stärkt Prozesse bei BMW
BMW meldet erfolgreiche Projekte in seiner Produktionslogistik und dem Finanzwesen.(Bild: BMW Group)
Im Rahmen der Initiative „RISE with SAP“ hat die BMW Group bereits 2023 einen umfassenden Transformationsprozess gestartet, mit dem Ziel einer Migration bestehender SAP-Systeme in eine moderne, cloudbasierte Architektur, die zugleich den verstärkten Einsatz von KI ermöglichen soll. Der OEM meldet nun erfolgreiche Projekte in seiner Produktionslogistik und dem Finanzwesen mit Blick auf den Aufbau einer neuen, cloudbasierten IT-Architektur. Im Rahmen der Partnerschaft mit SAP habe man zentrale Unternehmensprozesse auf eine serviceorientierte und cloudbasierte Plattform übertragen und erreiche damit ein neues Level an Effizienz, Qualität und Automatisierung, so BMW-CIO Alexander Buresch.
Gerade in der Produktion ermöglicht die sogenannte Prozesskette Teile (PKT) eine digitale Steuerung sämtlicher inhouse produzierter Komponenten sowie der von externen Zulieferern. Bislang wurde neben dem Mini-Werk Oxford auch das volumenstarke Werk in Regensburg erfolgreich auf die digitale Produktionslogistik umgestellt. Bis Ende des Jahres sollen das Stammwerk München sowie das neue Werk im ungarischen Debrecen folgen. Letzteres wird ab Ende des Jahres mit dem vollelektrischen BMW iX3 das erste Modell der Neuen Klasse produzieren. Als Teil der BMW iFactory wird die digitale Logsitik schrittweise weltweit an allen Produktionsstandorten eingeführt. Neben den Fahrzeugwerken werde man zukünftig auch die neuen Montagestandorte für die Hochvoltspeicher der sechsten Generation integrieren, ergänzt Michael Nikolaides, Leiter Produktionsnetzwerk, Logistik bei der BMW Group.
Contact Software und Unity pushen die Digitalisierung
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Unity und Contact Software zielen auf eine ganzheitliche Digitalisierung von Entwicklungsprozessen.(Bild: Unity/Contact Software)
Die Managementberatung Unity und der Anbieter von offener StandardsoftwareContact Software verkünden eine Kooperation, mit der sie eigenem Bekunden zufolge eine Verbindung zwischen strategischer Prozessberatung und der konkreten Implementierung passender IT-Systeme schaffen. Man wolle diese Lücke schließen und Kunden aus verschiedenen Branchen eine ganzheitliche Digitalisierung ihrer Entwicklungsprozesse bieten, heißt es dazu. Die modulare Technologieplattform Contact Elements soll konkrete IT-Tools bereitstellen und Künstliche Intelligenz systematisch und anwendungsübergreifend einbetten. Mit Code the Product bringe Unity einen Beratungsansatz mit, bei dem Produkte, genau wie Software, durchgängig digital entwickelt werden. Gemeinschaftlich könne man die bestmöglichen Lösungen für die Kunden entwickeln und implementieren. Der Weg zu Software-definierten Produkten erfordere PLM-Fähigkeiten neu zu orchestrieren, betont Patrick Müller, CCO bei Contact Software.
GlobalLogic und Volvo Cars vertiefen ihre Zusammenarbeit
Im Bereich Digital Engineering vertieft Volvo sein Teamwork mit GlobalLogic.(Bild: Volvo Cars)
Ziel der Zusammenarbeit sei es, gemeinsam eine neue Generation schnellerer, intelligenterer und skalierbarer digitaler Mobilitätserlebnisse und -lösungen zu entwickeln, betont man beim Anbieter im Bereich Digital Engineering, GlobalLogic. Das zur Hitachi-Gruppe gehörende Unternehmen bringt dazu sein globales Delivery-Modell in die Partnerschaft mit dem schwedischen Automobil-OEM ein. Eigenem Bekunden zufolge soll es technische Kompetenz mit tiefem Branchenwissen und skalierbaren, verteilten Teams verbinden, um softwarebasierte Lösungen entlang des gesamten Fahrzeuglebenszyklus zu entwickeln. Als bevorzugter Innovations- und Engineering-Partner bringe man über 20 Jahre Erfahrung in der Entwicklung von Fahrzeugsoftware sowie Plattformen für Connected Cars ein, heißt es im Team um Ramki Krishna, Group Vice President & General Manager, Mobility & Industrial bei GlobalLogic. 2024 wurde das Unternehmen mit dem Resilience Award auf der Volvo Cars Supplier Expo ausgezeichnet. Der Award zeichnet die Fähigkeit aus, nachhaltigen Mehrwert durch innovative Lösungen zu schaffen.