Supply Chain im Wandel

Warum Logistik eine Digitalisierungskultur braucht

Die Logistik verlagert ihren Schwerpunkt vom Materialfluss auf Daten und Informationsnetze. Warum Kultur, Datenqualität und Architektur entscheidend für den digitalen Erfolg werden, zeigte Thorsten Sommer von Volkswagen auf dem automotiveIT Kongress.

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Thorsten Sommer, Volkswagen
Thorsten Sommer von Volkswagen zeigt auf dem automotiveIT Kongress 2025, wo die Digitalisierung Logistikprozesse unterstützen kann – und wo die Grenzen der Technologie sind.

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Die Digitalisierung in der automobilen Logistik hat ihre klassischen Grenzen hinter sich gelassen. Prozesse, die früher über Behältertechnik, Transportketten oder Routenzüge optimiert wurden, stoßen zunehmend an strukturelle Limits. Heute liegen die Hebel der Effizienz nicht mehr primär im physischen Materialfluss, sondern im Informationsfluss und damit in Daten, Architektur und Kultur. Diese Perspektive prägte den Vortrag von Thorsten Sommer, Leiter Produktion & Logistik IT im Volkswagen-Konzern, auf dem automotiveIT Kongress, der die aktuellen Umbrüche in der industriellen Logistik präzise auf den Punkt brachte.

Digitalisierung wird zur Kernkompetenz der Logistik

Eine interne Analyse im Logistikbereich von Volkswagen markiert dabei einen Wendepunkt: 60 Prozent des Zielbilds für 2030 lassen sich nur noch durch digitale Mittel erreichen. Für Sommer ist diese Zahl weniger technisch als kulturell brisant. „Die Technologie funktioniert“, betonte er, „die eigentliche Herausforderung ist die Kultur.“ Der Wandel fordere nicht nur neue Werkzeuge, sondern eine grundsätzliche Öffnung gegenüber Informationsmodellen, Datenflüssen und IT-Kollaboration. Dies besonders im Mittelmanagement, das sich laut Sommer mit Digitalisierung „oft schwerer tut als die Mitarbeitenden“.

Zentral in Sommers Argumentation ist der Gedanke, Logistik künftig nicht mehr primär über physische Netzwerke zu definieren, sondern über Informationsnetzwerke. Diese müssten dieselben Prinzipien erfüllen wie klassische logistische 6R-Regeln: richtige Information, zur richtigen Zeit, am richtigen Ort, in der richtigen Qualität, für den richtigen Empfänger. Damit verschiebt sich die Kompetenzbasis der Logistik. Sommer formulierte eine provokante These: „Alle Logistiker werden in spätestens fünf Jahren Informatiker sein.“ Gemeint ist nicht die Abkehr vom physischen Prozess, sondern die Notwendigkeit, Datenmodelle zu verstehen, Informationsflüsse zu beherrschen und digitale Abhängigkeiten aktiv zu managen.

Die Technologie funktioniert, die eigentliche Herausforderung ist die Kultur

Thorsten Sommer, Volkswagen

Daten als strategisches Asset – nicht als Nebenprodukt

Mit Blick auf KI stellte Sommer klar: Ohne moderne Datenarchitektur sei jeder Technologie-Hype wertlos. „KI ist total cool, aber haben Sie es schon mal mit BI versucht?“ Seine Botschaft: Unternehmen investieren massiv in GenAI-Plattformen, ohne zuvor die Grundlagen – Datenqualität, Schnittstellen, Applikationslandschaft, semantische Modelle – zu konsolidieren. Hier schließt Sommer an eine breitere Branchenentwicklung an: weg von pauschalen „Cloud-first“-Vorstößen hin zu Cloud-smart-Strategien, die Datenhoheit, Kosten und Architekturkohärenz in den Mittelpunkt rücken. Daten werden damit zu einem ökonomischen Asset, das nicht nur gespeichert, sondern bewertet, gesteuert und operationalisiert werden muss.

Scharf formulierte Sommer seine Kritik an technikgetriebenen Digitalisierungsprojekten: „Für mich gibt es keine strategischen Investitionen in Digitalisierung.“ Damit adressiert er eine verbreitete Praxis, Technologieprojekte mit unklarer Wertschöpfung unter dem Schlagwort „strategisch“ durchzuschleusen. Sein Gegenvorschlag: Ein KPI, der den Business Value ins Verhältnis zum Hype Factor setzt. Technologien mit geringer Marketing-Strahlkraft – etwa Prozessmonitoring oder Transparenztools – lieferten oftmals den höheren Effizienzhebel. Der Vortrag von Thorsten Sommer war weniger ein Blick auf die neueste Technik als ein klares Plädoyer für die Professionalisierung des digitalen Unterbaus der Logistik. Die Botschaft ist deutlich: Die Zukunft der Logistik entscheidet sich nicht im Lager, sondern im Informationssystem. Wer Daten, Kultur und Architektur im Griff hat, gestaltet die nächsten Jahrzehnte logistischer Wertschöpfung – alle anderen laufen dem nächsten Hype hinterher.

Digitalisierung der Logistik

1. Informationsnetzwerke aktiv gestalten 

Logistik wird zunehmend zur Informationsdomäne. Informationsstrukturen müssen gestaltet werden wie Materialflüsse – mit eigenen Regeln, Verantwortlichkeiten und Standards.

2. Daten als Werttreiber etablieren 

Datenmodell, Semantik und Architektur sind keine IT-Details, sondern strategische Produktionsfaktoren. Wer die Grundlagen nicht sauber definiert, kann weder KI noch Automatisierung skalieren.

3. Digitalisierung am Geschäftsnutzen ausrichten 

Technologien müssen immer am operativen Mehrwert gemessen werden: Effizienz, Transparenz, Stabilität – nicht an Innovationsglanz oder Trendzyklen.