Lutz Morich, der das Forschungsprojekt SAVeNoW in Ingolstadt leitet, blickt zuversichtlich in die Kamera.

Projektleiter Lutz Morich: „Schaffen die methodischen Grundlagen, um automatisierte und vernetzte Fahrfunktionen zu entwickeln und abzusichern.“ (Bild: SAVeNoW)

Das Projekt SAVeNoW will den Verkehr Ingolstadts in einem digitalen Zwilling abbilden. Welche Erkenntnisse versprechen Sie sich davon?
Wir erzeugen ein virtuelles Testfeld für automatisierte und vernetzte Mobilität im urbanen und ländlichen Raum. Damit schaffen wir methodische Grundlagen, um automatisierte und vernetzte Fahrfunktionen und Simulationsanwendungen entwickeln und absichern zu können. Das Projekt bezieht explizit den gesellschaftlichen Nutzen sowie ökologische Aspekte mit ein.

Neben Audi engagieren sich zwölf weitere Partner in diesem Vorhaben. Welche Kompetenzen versammeln Sie am Tisch?
Wir gehen Fragestellungen nach, die in unterschiedlichen Domänen verankert sind. Entsprechend breit gefächert und interdisziplinär hat sich das Team aufgestellt. Technische Kompetenz, um hochgenaue und hochauflösende 3D-Karten zu erstellen, ist ebenso gefragt wie Automotive-Knowhow rund um assistierte und hochautomatisierte Fahrfunktionen und softwarebasierte Lösungsansätze. Wir haben Spezialisten für Sensorik und Leistungselektronik an Bord, Informatiker sowie Wissenschaftler aus verschiedenen Disziplinen. Sie kommen unter anderem von der TH Ingolstadt, der TU München, dem DLR, von der Uni Stuttgart, dem Fraunhofer IVI und der Katholischen Universität Eichstätt.

In welcher Detailtreue soll das virtuelle Abbild Ingolstadts entstehen?
Der digitale Zwilling wird das gesamte Stadtgebiet abdecken, alle Hauptverkehrswege bis in den ländlichen Bereich hinein. Wir erfassen die Autobahn A9, Innenstadtbereiche, Gewerbegebiete und große Kreuzungen mit komplexer Verkehrslogik, mehreren Fahrspuren, Fahrradwegen und Gehwegen. Technisch ist es möglich, mit einer Genauigkeit auf Zentimeterebene zu arbeiten und zu simulieren. Aber das ist nicht überall sinnhaft. Es kommt darauf an, wozu man die erhobenen Daten nutzen möchte. Will man Schäden im Straßenbelag detektieren, muss der „geometrische Zoom“ sehr detailgenau eingestellt sein. Will man wissen, wie viele Fahrzeuge mit Elektroantrieb gerade im Stadtgebiet unterwegs sind und mit welchem Energiebedarf an den zur Verfügung stehenden Ladestationen während der nächsten Stunden zu rechnen ist, kommt es eher auf die richtige Kombination verschiedener Metadaten an. Ist das georeferenzierte Gebilde „Digitaler Zwilling“ erst einmal aufgebaut, steht ein vielseitiges Werkzeug zur Verfügung, um alle denkbaren Informationen zu hinterlegen, zu verknüpfen, zu analysieren und dann zu optimieren.

Die Computer-Simulation einer großen Kreuzung in Ingolstadt mit mehreren Fahrstreifen, Fuß- und Radwegen zeigt, wie komplex die Verkehrsströme sind.
Im Innenstadtbereich werden große Kreuzungen mit komplexer Verkehrslogik simuliert. (Bild: SAVeNoW)

Was genau wird simuliert?
Tatsächlich sind den Aufgabenstellungen, die wir mit einem detaillierten digitalen Zwilling nachgehen können, keine Grenzen gesetzt. SAVeNoW wird unter anderem den Verkehrsfluss in Ingolstadt abbilden, die Geschwindigkeit, mit der Autos im Stadtgebiet unterwegs sind, aber auch Verbrauchswerte, Lärm- und Abgasemissionen sowie Informationen, die die Verkehrssicherheit in detaillierte Szenarien an Kreuzungen mit allen Verkehrsteilnehmern betreffen. Das Prinzip ist bekannt: Wir beobachten die Realität und spiegeln sie in einem Modell. Ist dieses Abbild hinreichend präzise, können Simulationen mit Was-wäre-wenn-Szenarien starten. Finden wir eine Lösung, können wir sie in der Realität verproben, das Ergebnis messen und bestätigen. Einmal in Gang gesetzt, entstehen kontinuierliche Verbesserungen.

Wie wichtig ist es Ihnen, in der Gesellschaft für Akzeptanz gegenüber neuen Fahrzeugtechnologien und Mobilitätsangeboten zu werben?
Transparenz und Vertrauen sind das A und O für einen dauerhaften Projekterfolg. Es geht nicht um eine verklärende Darstellung technischer Mythen, sondern um eine glaubhafte und klare Beschreibung der Tatsachen. Mit der Arbeit an den Themen Vernetzung und Datenanalyse berühren wir die Privatsphäre von Bürgerinnen und Bürger. Selbstverständlich halten wir hierbei alle Vorgaben und Verordnungen zum gesetzlichen Datenschutz ein. Dennoch haben die Bürgerinnen und Bürger von Anfang an das Recht zu erfahren, was mit ihren Daten geschieht. Der große Mehrwert entsteht durch die aktive Einbindung und Partizipation möglichst vieler Parteien. In einer modernen westlichen Gesellschaft braucht es dafür Transparenz in jedweder Hinsicht, die die Grundlage für Vertrauen ist.

Sind Sie guten Mutes, Unterstützung auf breiter Front zu erhalten?
Ja. Die Erfahrungen im Vorgängerprojekt SAVe haben uns gezeigt: Viele Menschen sind wissbegierig und offen gegenüber neuen Lösungen, die Verbesserungen versprechen. Um die einzelnen Silos aufzubrechen, braucht es gute Beispiele für einen verantwortungsvollen Umgang mit Daten und neuen Technologien. Sie werden uns darin bestärken, konsequent den nächsten Schritt auf dem Weg der Vernetzung zu gehen. Gefragt sind Geduld, Gelassenheit, ein langer Atem und die Überzeugung, dass man das Ziel erreichen wird.

Vernetzte Mobilität: Potenzialträger Digital Twin

Lutz Morich von der Audi AG ist einer der Referenten beim nächsten digitalen Themen-Talk von automotiveIT. Am Donnerstag, 22. April 2021, gehen wir ab 10 Uhr der Frage nach, ob wir mit Connected Cars und einer digitalisierten Verkehrsinfrastruktur dem Dauerstau entkommen werden.

 

Neben Lutz Morich zeigen in Impulsvorträgen Professor Alois Knoll, Verkehrsexperte der TU München, und Tobias Geber-Jauch von Fujitsu Deutschland, welche Möglichkeiten in digitalen Zwillingen stecken, um die Verkehrseffizienz zu steigern und die Sicherheit im Straßenverkehr zu erhöhen. Auch über die Aspekte Ökologie und gesellschaftliche Akzeptanz werden wir sprechen.

 

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