Paneldiskussion zum Thema Ladeinfrastruktur auf dem Mobility Circle 2023 (v.l.n.r): Gastgeber Stefan Bratzel, Marcus Krieg, VP Mobility- & Energy Services der BMW Group, Joschi Jennermann, Vice President Elli Residential und Jörg Reimann, CEO der Digital Charging Solutions GmbH.

Paneldiskussion zum Thema Ladeinfrastruktur auf dem Mobility Circle 2023 (v.l.n.r): Gastgeber Stefan Bratzel, Marcus Krieg, VP Mobility- & Energy Services der BMW Group, Joschi Jennermann, Vice President Elli Residential und Jörg Reimann, CEO der Digital Charging Solutions GmbH. (Bild: Faces by Frank)

„Wir sind in der Entwicklung der Infrastruktur und der Services deutlich weiter, als man in der öffentlichen Debatte sieht“, erklärt Jörg Reimann, CEO von Digital Charging Solutions, zu Beginn seines Vortrags. Die Behauptung, Ladesäulen wären immer besetzt, entkräftet der Geschäftsführer mit eindeutigen Zahlen: Laut der nationalen Leitstelle für Ladeinfrastruktur sind aktuell lediglich 16 Prozent der Ladepunkte gleichzeitig besetzt. Auch der Ausbau der Netzanschlussleistung liege im Plan der EU, die Kapazität der installierten Ladeinfrastruktur sogar schon deutlich darüber. Nutzern stünden jetzt bereits Plug&Charge-Lösungen zur Verfügung, die sämtliche Lade-Services so integrieren, dass sie für den Kunden nicht zu spüren sind. Die Authentifizierung, die Kommunikation zwischen Infrastruktur und Fahrzeug sowie letztlich die gesamte Abrechnung – alles findet ohne Bezahlkarte oder QR-Code statt.

Zentral für den Nutzer sei auch eine optimal geplante Route mit ideal berechneten Ladestopps. Das heißt beispielsweise, das Auto nicht jedes Mal vollzuladen, wenn absehbar ist, dass mit einer kleineren Zwischenladung eine Schnellladestation in Reichweite kommt.

Den nächsten großen Schritt bei der Ladeinfrastruktur sieht Reimann im Smart Charging: Künftig soll das Lademanagementsystem nicht nur automatisch regeln, wann das Fahrzeug am günstigsten aufgeladen wird, sondern auch die volle bidirektionale Kommunikation und das Entladen des Fahrzeugs steuern. Im günstigsten Fall könnten sich sogar Ladekosten selbst finanzieren, wenn das Auto als attraktiver Stromspeicher im Netz agiere.

Reimann gibt zu, dass der Elektrifizierung durch lange Lieferzeiten, wenig Lademöglichkeiten in den Innenstädten und relativ hohe Anschaffungskosten noch Hürden im Weg stehen. Jedoch: „Infrastruktur ist nicht das Bottleneck“, so Reimanns klares Fazit.

Mobile Service Provider bündeln Flickenteppich der Tarife

Als Marke des Volkswagen-Konzerns arbeitet Elli an den Schnittstellen zwischen Elektromobilität und Energiewende. Ellis Vice President Joschi Jennermann gliedert die Aktivitäten des Anbieters für Energie- und Ladelösungen in insgesamt vier Bereiche. Zum einen sieht sich das Unternehmen als Mobile Service Provider, der den Flickenteppich an Hunderten verschiedener Tarife innerhalb Europas bündelt und als möglichst einfachen Tarif dem Kunden anbietet. Zweitens sollen mit Hilfe von intelligenten Steuerungen für marktpreisorientiertes Laden und bidirektionalem Laden Privatkunden in naher Zukunft die Energiewende im eigenen Zuhause vorantreiben können.

Für Geschäftskunden und Flottenbetreiber setzt Elli unter anderem auf batteriegestützte Schnellladesäulen, sogenannte Flexpoles, die bis zu 160 kW Ladeleistung bieten. Zu guter Letzt will die VW-Tochter den Ausbau erneuerbarer Energien unterstützen und hat deshalb testweise alte Batteriemodule zu stationären Speichern verschaltet. Günstigen, aus erneuerbaren Energien erzeugten Strom will das Unternehmen dort zwischenspeichern und zu Zeiten höherer Marktpreise wieder veräußern. Elli hat dazu in diesem Jahr mit dem Arbitrage-Handel an der europäischen Strombörse Epex Spot begonnen.

BMW geht weiter von massivem Wachstum aus

„Laden ist kaufentscheidend, deshalb müssen wir hier Lösungen anbieten“, sagt auch Marcus Krieg, VP Mobility- & Energy Services bei der BMW Group. Der Manager geht trotz der jüngsten Meldungen über stockende Verkäufe von E-Autos weiter von „massivem Wachstum“ in diesem Bereich aus und setzt dabei auf Zusammenarbeit mit anderen Akteuren. Dazu hat der Automobilhersteller im Sommer zusammen mit Mercedes-Benz und anderen Herstellern eine Allianz geschmiedet, die in den USA ein Schnellladenetz mit 30.000 Säulen errichten will.

Zuletzt hat BMW parallel zu seinem neuen vollelektrischen i5 eine neue Wallbox-Generation vorgestellt, die solar- oder lastoptimiertes Laden bietet. Zusammen mit dem Energiekonzern E.ON will BMW den Aufbau eines Heimlade-Ökosystems und die Vision des bidirektionalen Ladens vorantreiben. Zudem betreibt BMW bereits seit 2017 die Speicherfarm Leipzig, in der mehrere hundert ausgediente i3-Batterien Energie zwischenspeichern können.

In den USA testet BMW bereits seit 2020 im Rahmen seines Pilotprojekts ChargeForward mit derzeit 300 Kunden, wie sich intelligentes, zeitverschobenes und netzdienliches Laden mit Hilfe einer App realisieren lässt.

Als erfolgskritisch für den weiteren Ausbau der Ladeinfrastruktur kristallisiert sich in der anschließenden Paneldiskussion die Zusammenarbeit zwischen den unterschiedlichen Akteuren heraus. „Es sollten keine proprietären, in sich geschlossene Systeme sein“, fordert BMW-Experte Marcus Krieg. Andererseits sieht Krieg gerade auch bei Heimladesystemen das Potenzial, dem Kunden ein eigenes Ökosystem für die Marke zu bieten und so Kunden zu binden.

Die Ladeinfrastruktur werde sich konsolidieren, die Professionalität steigen und die Qualität der Ladeinfrastruktur müsse weiter verbessert werden, stellen die Diskussionsteilnehmer übereinstimmend fest, allerdings: „Es ist für uns als OEM schwierig zu akzeptieren, dass wir die Qualität dieser Ende-zu-Ende-Kette nicht selbst im Griff haben“, konstatiert Krieg.

Gastgeber Stefan Bratzel wirft unter anderem die Frage auf, warum die Akteure die spezifischen Vorteile der Elektromobilität wie Smart Charging, bidirektionales Laden, oder gar energetische Autarkie durch Photovoltaiksysteme nicht stärker in den Fokus rücken. Bei der kommenden, nächsten Evolutionsstufe des Ladens brauche es eine klarere Kommunikation und Begleitung des Kunden, die Vorteile deutlich macht, erklärt Ellis Vice President Joschi Jennermann. Der Fokus für die nächsten Monate müsse darauf liegen, klare Aussagen zu formulieren wie „Du kannst EV für 0 Euro fahren oder sogar perspektivisch über bidirektionales Laden noch Geld damit verdienen“, so Jennermann.

Sie möchten gerne weiterlesen?