Frau sitzt am Laptop hinter einem Versuchsfahrzeug

Autobauer bemühen sich nach Kräften, mehr Frauen in den klassischerweise von Männern dominierten Fachbereichen Entwicklung oder IT zu besetzen. (Bild: BMW)

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Die einzige Frau im Team – eine Situation, die ich als Ingenieurin nur zu gut kenne. Anfangs hat mich der Mangel an weiblichen Kolleginnen gar nicht abgeschreckt, da ich dies bereits aus meiner Studienzeit kannte. Dieses Szenario ist in der IT-Branche weit verbreitet, da sich nach wie vor eher junge Männer für technische, handwerkliche oder naturwissenschaftliche Ausbildungen entscheiden – die sogenannten MINT-Berufe. Laut einer neuen Studie zur Geschlechtersegregation in Österreich liegt der Frauenanteil bei Absolventen in Bildungs-, Gesundheits- und Sozial-Studiengängen bei beeindruckenden 78 Prozent, während der langsame Anstieg von 12 auf 15 Prozent zwischen 2005 und 2020 in MINT-Fächern den langen Weg zeigt, den wir noch vor uns haben.

Um diese bestehende Geschlechterungleichheit im Studium anzugehen und Vielfalt zu fördern, setzen Automobilkonzerne verschiedene MINT-Initiativen ein. Junge Frauen erhalten so Einblicke in technische Ausbildungsberufe über Tech Days, Informationsveranstaltungen zu Einstiegspositionen oder spezielle Programme für Top Talente. Mercedes-Benz beispielsweise hat die Bildungsinitiative Genius ins Leben gerufen, um Kinder und Jugendliche für technische Berufe zu begeistern.

Wie wichtig ist Diversität in der Autobranche?

Barbara Sichler, Leiterin der Abteilungen Digital Business Market Relations & Digital Business Support bei Audi, betont, warum diese Vielfalt weit über die bloße Gleichstellung hinausgeht: „In der Automobilindustrie ist die Produktkomplexität extrem hoch. Es ist daher nicht nur wichtig, Vielfalt in Bezug auf das Geschlecht zu fördern, sondern auch unterschiedliche Hintergründe und internationale Diversität einzubinden, um alle notwendigen Perspektiven abzudecken.“

Diese Komplexität spiegelt sich deutlich in den IT-Aufgaben und -Prozessen wider. Agile Methoden wie Scrum lösen die traditionellen Wasserfallmodelle ab. Der Fokus liegt auf einer engen Zusammenarbeit zwischen Business und IT sowie auf iterativem Arbeiten: „Es handelt sich um ein hoch agiles und komplexes Arbeitsmodell, bei dem Probleme nicht mehr monolithisch gelöst werden können. Kreativität spielt eine zentrale Rolle, und Quereinsteiger können äußerst wertvolle Elemente in diesem Kontext sein“, erklärt Sichler.

Außerdem geht die Nachfrage im Ingenieurwesen heute mehr in Richtung Digitalisierung als in Richtung Maschinenbau. Dies eröffnet neue Möglichkeiten für weibliche Nachwuchstalente, aktiv an der Gestaltung dieser digitalen Transformation mitzuwirken.

Was hilft gegen den „Drehtüreffekt“?

Laut IHS-Experten arbeitet lediglich ein Viertel der Frauen mit MINT-Ausbildung tatsächlich in einem entsprechenden Beruf. Der als „Drehtüreffekt“ bekannte Trend beschreibt, dass Frauen nach einer Zeit in männlich dominierten MINT-Branchen oft wieder in geschlechtstypische Berufe wechseln oder sogar aus dem Arbeitsmarkt austreten. Verschiedene Gründe wie der Wunsch nach Familiengründung, ein toxisches Arbeitsklima, hoher Wettbewerbsdruck oder fehlende Vielfalt können dazu führen, dass sich Frauen in MINT-Umfeldern unwohl fühlen.

Um diesem problematischen Trend entgegenzuwirken, entwickelten sich verbesserte Rahmenbedingungen wie Teilzeitarbeit und hybride Arbeitsmodelle, die mittlerweile als Standard gelten. Diese Maßnahmen sollen Frauen dabei unterstützen, Familie und Karriere besser miteinander zu vereinbaren. Zusätzlich werden gezielte Maßnahmen wie Mentoring-Programme speziell für weibliche Führungskräfte angeboten, um Frauen in ihrer individuellen Karriereplanung zu fördern.

Weibliche Rollenvorbilder und der Weg zur Normalität

 Als Ingenieurin wurde mir oft ein herzlicher Empfang bereitet und meine männlichen Kollegen waren begeistert, eine Frau in ihrem Team zu begrüßen. Dennoch kamen gelegentlich diese Fragen auf: Bin ich hier nur als Quotenfrau dabei, um eine gute Optik zu wahren? Könnte ich mir in diesem Kontext eine Führungsposition vorstellen? Doch auch wenn noch ein gewisses Normalitätsgefühl fehlt, bewegen sich die Dinge in die richtige Richtung. Mit Vielfalt kommt schließlich ein größeres Gefühl der Balance und Normalität. Ein vielfältiges Umfeld zieht zudem mehr Vielfalt an - ein positiver Kreislauf.

„In den letzten 10 Jahren habe ich immer mehr Rollenvorbilder, Top-Managerinnen und sehr talentierte Frauen gesehen. Dies hilft enorm, junge Kolleginnen zu motivieren und sie dazu zu ermutigen, Führungsverantwortung zu übernehmen“, so Audis Expertin für Digital Business.

Diese Rollenvorbilder verdeutlichen, dass Frauen auch in einer von Männern dominierten Branche erfolgreich an die Spitze gelangen können. Eine bedeutende Botschaft ist zudem, dass sie in ihrer Karriere auch Zeit für Familie oder andere Lebensprojekte finden können. Eine Mitarbeiterin sollte niemals befürchten, kein Kind neben der Karriere haben zu können. Ganz im Gegenteil können Frauen auch durch Ihre Rolle als Mutter zu besseren Führungskräften werden, wie auch Barbara Sichler von sich überzeugt ist.

Um überholte Denkweisen und Ängste zu überwinden, die aus negativen Erfahrungen, hartnäckigen Vorurteilen oder ungünstigem Umfeld resultieren, können Rollenvorbilder den nötigen Impuls geben, um den Mut und das Selbstvertrauen wiederherzustellen und letztendlich aus den alten Mustern auszubrechen.

 

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