Lamborghini, bekannt für seine schnittigen und sportlichen Luxuswagen, beweist auch im Rahmen der modernen, agilen Arbeitsmethoden Geschwindigkeit. In Zusammenarbeit mit der Gewerkschaftsvertretung hat das Unternehmen bereits Ende 2023 einen Entwurf zur Erneuerung der Betriebsvereinbarung vorgestellt, der zu einer besseren Vereinbarkeit von Berufs- und Privatleben führen soll.
Konkret wird in der Produktion ein nach Geschäftsbereichen differenzierter Schichtplan eingeführt, der durch eine Neuverteilung der Arbeitszeiten und den Wechsel von Vier-Tage-Wochen zu Fünf-Tage-Wochen einen freien Freitag alle zwei Wochen (für Zwei-Schicht-Abteilungen) beziehungsweise zwei freie Freitage alle drei Wochen (für Drei-Schicht-Abteilungen) vorsieht.
„Die Motivation aller Menschen im Unternehmen ist der wichtigste Motor für den Erfolg, denn sie bündelt die besten Energien und Fähigkeiten der Menschen für ein gemeinsames Ziel. In diesem Rahmen sorgt das von uns entwickelte innovative Schichtsystem dafür, dass wir die Kapazität unserer Werke erhöhen, um die wachsende Zahl unserer Kunden in der ganzen Welt rechtzeitig bedienen zu können“, kommentiert Umberto Tossini, Personalchef bei Lamborghini, die bislang einmalige Vereinbarung.
OEMs lehnen Vier-Tage-Woche mehrheitlich ab
Mercedes-Vorstandschef Ola Källenius hingegen lehnte im vergangenen Jahr die Forderungen nach einer Vier-Tage-Woche samt Lohnausgleich strikt ab. „Wenn unsere erste Priorität ist, bei vollem Lohnausgleich weniger zu arbeiten, gewinnen wir international kein Spiel mehr“, sagte Källenius der Bild am Sonntag. „Unsere Industrie befindet sich in einer Jahrhundert-Transformation. Da müssen wir die Ärmel hochkrempeln.“
BMW-CEO Zipse vertritt einen ähnlichen Standpunkt und äußert sich gegenüber dem Handelsblatt: „Wollen wir in der aktuellen Situation wirklich über Arbeitszeitverkürzung diskutieren? Die Debatte um eine Viertagewoche ist doch ein irritierendes Signal, wenn wir eigentlich den Fachkräftemangel bekämpfen müssen“.
Auch VW-Chef Blume positionierte sich im vergangenen Jahr zum lautgewordenen Wunsch nach der Vier-Tage-Woche und erteilte dem Arbeitsmodell eine klare Absage. „Das passt für mich nicht zusammen“, sagte Blume gegenüber Medienvertretern. „Der Wettbewerb wird schärfer und da spielen auch Arbeitszeiten und Kosten eine Rolle. Wohlstand und soziale Leistungen müssen wir erarbeiten – das haben wir über Jahrzehnte hinweg in Deutschland geschafft.“ Tatsächlich gab es die Vier-Tage-Woche bei Volkswagen vor 30 Jahren schon einmal. Damals allerdings ohne Lohnausgleich. Im Jahr 1993 griff der damalige VW-Arbeitsdirektor Peter Hartz zu diesem drastischen Mittel, um Kosten zu sparen - und rettete damit wohl rund 30.000 gefährdete Arbeitsplätze.
Expert:innen warnen vor Verschlechterung der Servicequalität
Berylls-Expertin Laura Kronen teilt die Bedenken der Branchenakteure, obwohl sie den Faktor Mensch ebenso als wichtige Größe für die Wettbewerbsfähigkeit der Automobilindustrie einstuft: „Eine generelle 4-Tage-Woche kann dafür aber nicht die Antwort sein. Weil sie in solch pauschaler Form lediglich mehr finanziellen Druck auf eine ohnehin schon mit sinkenden Margen und abnehmender Wettbewerbsfähigkeit kämpfende Industrie ausübt", mahnt die diplomierte Wirtschaftsingenieurin. „Vielmehr geht es doch darum Arbeitsbedingungen zu schaffen, die Talente für diese Industrie begeistern und hält, um dem Fach- und Arbeitskräftemangel entgegenzuwirken und eine stabile Fertigung zu vertretbaren Kosten im Hochlohnland Deutschland sicherzustellen."
Sie erklärt gegenüber automotiveIT, dass sich Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen in unterschiedlichen Lebensphasen befänden. Während einige gerade eine Familie gegründet haben oder einen Angehörigen pflegen und sich aus diesem Grund eine Verkürzung ihrer Arbeitszeit wünschen, sind andere wiederum voller Energie und Einsatzbereitschaft in ihren Job investieren wollen. Die Vier-Tage-Woche allein bewertet Kronen daher nicht als wettbewerbsentscheidenden Benefit. Basierend auf Ihren Erfahrungswerten – beispielsweise durch ihre Position als ehemalige Inhouse-Beraterin bei Audi – warnt sie zudem vor negativen Auswirkungen des neuen Arbeitszeitmodells: „Aus meiner Sicht ist eine Verschlechterung der Servicequalität vor Kunde aufgrund der Flexibilisierung von Arbeitszeiten in keiner Weise akzeptabel. Wäre dies der Fall, werden sich die Kunden an die Wettbewerber wenden."
Deutsche Unternehmen pilotieren Vier-Tage-Woche
Außerhalb der Automobilindustrie scheint das Interesse an verkürzten Arbeitswochen deutlich höher zu sein. Mindestens 45 Unternehmen und Organisationen in Deutschland haben zu Beginn des Jahres projektweise die Vier-Tage-Woche eingeführt, wie der Initiator der Aktion, die Unternehmensberatung Intraprenör, der Deutschen Presse-Agentur mitteilte. Die Namen der Teilnehmer wurden zunächst nicht genannt.
Die Unternehmen sollen ab Februar für sechs Monate die Vier-Tage-Woche ausprobieren - und zwar nach dem Modell 100 Prozent Leistung in 80 Prozent der Zeit bei 100 Prozent Bezahlung. Innerhalb des Projektzeitraums können die Unternehmen Intraprenör zufolge auf Experten zurückgreifen, neue Methoden lernen und mit den anderen teilnehmenden Arbeitgebern in den Austausch gehen. Die wissenschaftliche Auswertung übernimmt die Universität Münster.
Ein ähnliches Projekt in Großbritannien habe laut Berichten der Tagesschau die positiven Effekt des verkürzten Arbeitsmodells bereits unter Beweis stellen können. „Die Vorteile der Vier-Tage-Woche halten an und verpuffen nicht nach wenigen Monaten. Mitarbeitende sind weniger krank, kündigen seltener und es ist auch einfacher, Fachkräfte zu finden.“
Mit Material der dpa.