Marco Nunes, Critical TechWorks

Marco Nunes ist beim BMW-Joint Venture Critical TechWorks als Produktvisionär aktiv. (Bild: Critical TechWorks)

Wie sieht das ideale Produkt aus? Wie lassen sich Kundenbedürfnisse am besten befriedigen? Was braucht man dazu? Keine einfachen Fragen. Fragen, die man am besten an jemanden mit Weitblick, Ideen und einer ausgeprägten kreativen Ader stellt. An Menschen wie Marco Nunes. Er ist Produktvisionär bei Critical Techworks, einem Joint Venture von BMW und Critical Software.

Der Informatikingenieur hat in Telekommunikationsunternehmen gelernt, wie er sagt, „disruptiv zu denken“. Das hat er mit seiner Leidenschaft für Autos (und speziell BMW) verbunden – fertig war sein Traumjob als Product Visionary bei dem Lissaboner Unternehmen. Seit vier Jahren ist er als solcher in Diensten von BMW unterwegs.

Sein Job ist es nicht nur, mit seinem Team visionär zu denken, sondern vor allem, die Idee hinter einem Produkt kurz und knackig auf den Punkt zu bringen. Damit jeder versteht, warum die Arbeit etwa an einem neuen Infotainmentsystem lohnt und wie es genau auf Kundenwünsche zugeschnitten werden kann. In diesem Sinne wirkt Nunes inspirierend und motivierend (und was den Vorstand betrifft, mitunter wohl auch überzeugend).

„In der Regel arbeiten wir mit einem oder mehreren UX-Design-Gurus zusammen, damit wir gemeinsam mit den Stakeholdern Geschäftsanforderungen, Bedürfnisse sowie Strategien sammeln und verstehen können“, erklärt der 47-Jährige. Aber warum ist eine Produktvision überhaupt so wichtig? Vor allem, um verstehen, was Autofahrer wirklich wünschen.

Also geht es dem Scrum Team um Nunes unter anderem darum zu definieren, was beispielsweise eine Infotainment-Software für BMW gegenüber der Konkurrenz einzigartig macht. Wie die Benutzeroberfläche aussehen muss, welche Mehrwerte und echten Kundennutzen sie bringen soll. „Das ist die Voraussetzung dafür, dass der Product Owner überhaupt einen Product Backlog mit aussagekräftigen User Stories erstellen und das Entwicklungsteam mit der Arbeit beginnen kann“, erläutert der Visionär. Man sieht: So wolkig, wie es zunächst anmutet, ist sein Job gar nicht.

Das sind die Aufgaben eines Produktvisionärs

„Wir müssen die Produktvision formulieren und formen, die Produkt-Roadmap mitgestalten, die Kommunikation zwischen Business und IT sicherstellen und fördern“, sagt Nunes. „Außerdem geht es darum, gleichermaßen die Bedürfnisse der Benutzer und Stakeholder zu identifizieren und ihre Probleme zu verstehen, damit sie gelöst werden können.“ Dabei muss Nunes sein Team klar instruieren und motivieren. Zuletzt hat es zu der Entwicklung des Navigationssystems iDrive 8 von BMW beigetragen. Ein Beispiel, das Nunes nicht ohne Stolz nennt: „Es ist schön zu sehen, wie unsere Teamarbeit von Millionen von Menschen genutzt wird. Das ist etwas, das uns eine zusätzliche Portion Motivation gibt.“ Aktuell arbeitet der Visionär an einem anderen Projekt im Infotainment-Bereich. Geheimsache.

So sieht der Arbeitsalltag aus

Um Kundenbedürfnisse besser zu verstehen, nutzt das Team diverse Werkzeuge, mit denen es eine Produktvision entwickeln kann. Tools wie Design Thinking, mit dem in fünf Schritten (Empathize, Define, Ideate, Prototype und Test) strikt nutzerorientiert und praxisnah Ideen ersonnen werden. Oder Personas. Eine Persona beschreibt in Steckbrief-Form einen imaginären, aber typischen Nutzer des Produkts samt seinen Verhaltensweisen, Bedürfnisse und Ziele. Oder Empathy Map Canvas: Auf einer Karte werden dabei Informationen zum Nutzer visualisiert, wobei sich an Leitfragen orientiert wird wie: Was denkt und fühlt der Nutzer wirklich? Oder: Was sind die positiven Aspekte in seinem Leben? Die Idee dahinter: Wer sich systematisch und tief in den Kundenkopf gräbt, wird letztlich die User-Experience verbessern. Denn was Entwicklungsingenieure für gut und wichtig halten, muss noch lange nicht deckungsgleich mit den Ansprüchen späterer Nutzer sein. Jedenfalls ist ein Visionär stets ganz vorne mit dabei: „Du arbeitest immer mit State-of-the-Art-Themen“, betont Nunes.

Diese Skills braucht ein Produktvisionär

Nunes sieht sich als ausgeprägten Teamplayer, als Motivator und Mentor. „Man sollte mehrere Rollen in sich vereinen“, sagt er. „Socializer, Influencer, Messias, Unternehmer, Verhandlungsführer, Stratege und ein Meister seines Faches sein.“ Ein Background als Informatiker oder Ingenieur ist nicht schlecht, muss aber nicht sein. Außerdem sollte man flexibel sein, kundenorientiert und disruptiv denken, betont Nunes. „Wichtig ist die Fähigkeit, sich stets weiterentwickeln zu wollen, wissbegierig zu sein – Stagnation ist in diesem Job absolut tödlich“, meint er. Nicht zuletzt muss man empathisch sein, anderen gut zuhören können und lösungsorientiert agieren. „Wie Scrum ist all das leicht zu erlernen, aber in der Praxis schwer zu leben.“

Produktvisionär ist für Nunes ein absolut zukunftsträchtiger Beruf: „Produkte werden sich immer weiterentwickeln müssen, und wir werden immer das Bedürfnis haben, unverwechselbare und disruptive Produktvisionen zu haben“, ist der Portugiese überzeugt. Klar, künstliche Intelligenz könne auch hier künftig in dem Prozess eine Rolle spielen, doch das entsprechende Tools komplett übernehmen, glaubt Nunes nicht. Vielmehr könnten sich die menschlichen Visionäre entsprechende KI-Werkzeuge zunutze machen, um disruptiver zu denken. Denn keine Gewissheit, keine Technologie, kein Produkt ist wie in Stein gemeißelt – ein Fakt, der zum Selbstverständnis eines Visionärs zählt. Das genaue Gegenteil davon betreibt Nunes mitunter nach Feierabend, um herunterzukommen: Dann graviert er Hieroglyphen in Stein. Ein Fall für die Ewigkeit.

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