ZF ist für seine zahlreichen Hardware-Komponenten bekannt, die in allerlei Fahrzeugklassen verbaut werden. Mittlerweile investiert der Zuleiferer aber auch zunehmend in Software.

Mit Software-Lösungen erschließt ZF ein neues Geschäftsfeld. (Bild: ZF)

Die Vernetzung und der Austausch großer Datenmengen gelten als Grundlage für autonome Fahrzeuge. Auf ihrem Global Technology Day in Friedrichshafen adressiert die ZF Group diese Binsenweisheit mit der Konnektivitäts-Plattform ZF ProConnect. Sie soll Fahrzeug, Cloud und Verkehrsinfrastruktur über verschiedene Schnittstellen miteinander verbinden. Die Daten der Plattform könnte anschließend der Hochleistungsrechner ZF ProAI verarbeiten und mit Sensor- sowie Fahrzeugdaten kombinieren. Mittels künstlicher Intelligenz ließen sich daraus Fahrstrategien ableiten und die Aktuatorik steuern.

Die Kommunikation erfolgt bei ProConnect über Standards wie DSRC (Dedicated Short Range Communication) oder (C-)V2X, die Mobilfunkstandards LTE und 5G sowie Bluetooth oder WiFi. Autonome Autos können dadurch etwa über die Ampelschaltung oder ein Stauende informiert werden. Die zentimetergenaue Ortung erfolgt indes über das Global Navigation Satellite System (GNSS), HD-Karten sowie Informationen über den Straßenzustand bezieht das System aus der Cloud. Als Anwendungsfelder nennt der Zulieferer etwa autonome Überholmanöver oder das Meiden von Schlaglöchern.

Eine Grafik zum ProConnect-System der ZF Group.
ProConnect verbindet das Fahrzeug auf verschiedene Weise mit der Umwelt. (Bild: ZF)

Ausweichmanöver profitieren von bei Steer-by-Wire

Ebenfalls zum Portfolio gehören sogenannte By-Wire-Systeme. Sie werden allen voran aufgrund besserer Fahrzeugkontrolle, kürzeren Bremswegen oder höherer Lenkflexibilität angepriesen. Doch der Wegfall mechanischer Verbindungen bei Steer-by-Wire oder Brake-by-Wire bedeutet für ZF viel mehr als das. „Es ermöglicht nicht nur neue Funktionen, sondern ebnet auch den Weg für autonome Fahrzeuge“, betont ZF-CEO Michael Klein während seiner Präsentation auf dem Global Technology Day.

Assistenzsysteme können durch die moderne Fahrzeugsteuerung nämlich auf untypisches, menschliches Fahrverhalten reagieren, indem sie autonome Ausweichmanöver einleiten. Zudem erleichtert die Weiterentwicklung der elektrischen Servolenkung das Fahren oder Parken auf engstem Raum und eröffnet neue Entwicklungsfreiheiten bei vollautonomen Shuttles oder Robotaxis.

Hardware und Software sorgen für Fahrkomfort

Die Verbindung aus Hardware und Software wird indes beim Smart Chassis Sensor deutlich. Der im Kugelgelenk der Querlenkerachse integrierte Sensor erkennt, wie schnell ein Rad ein- und ausfedert. Das dabei erzeugte Signal sendet das System gemeinsam mit den GPS-Daten per Echtzeit in die Cloud. Nachfolgende Fahrzeuge können dadurch bei schlechtem Straßenzustand gewarnt und deren Navigation oder Fahrweise gegebenenfalls angepasst werden.

In eine ähnliche Richtung stößt eine neue Software von ZF vor – CubiX. Während ein schlechter Fahrstil vom Beifahrer durchaus kritisiert, aber als Teil des Alltags akzeptiert wird, könnte er bei autonomen Autos nachhaltig das Vertrauen in die Systeme schädigen. Deshalb sei es laut ZF besonders wichtig, die Längs-, Quer- und Vertikaldynamik möglichst komfortabel zu koordinieren. Ruckartige Lenk-, Brems- oder Beschleunigungsvorgänge sollen ausbleiben, indem alle aktiven und semiaktiven Aktuatoren zentral gesteuert werden.

CubiX koordiniert in diesem Sinne als zentrale Kommunikationsschnittstelle zwischen den ADAS-Funktionen und Aktuatoren. Jüngst wurde mit dem Lotus Eletre das erste Fahrzeug auf den europäischen Markt gebracht, das mit diesem System ausgestattet ist. Die Software steuert dabei alle Fahrwerkfunktionen wie Bremse, Vorder- und Hinterachslenkung, die aktive Wankstabilisierung sowie den Elektroantrieb.

Gurte warnen vor Gefahrensituationen

Und auch auf vermeintliche Kleinigkeiten kommt es beim autonomen Fahren an. So ist insbesondere bei Level 3-Systemen – die eine Übergabe an den Fahrer vorsehen – die Sitzposition und Übernahmebereitschaft von immenser Bedeutung. Der Active Control Retractor (ACR) soll dies mittels einer elektromechanischen Straffung des Gurtes gewährleisten. Erkennt etwa das kapazitive Lenkrad, dass der Fahrer seiner Übernahmepflicht nicht nachkommt, können Vibrationen über das Gurtband in unterschiedlicher Intensität vermittelt werden. Dies führe laut ZF zu einer bis zu einer Sekunde schnelleren Reaktionszeit – im Vergleich zu audiovisuellen Warnungen.

Ebenfalls beeinflussbar sind die Körperhaltungen. Im Falle einer kritischen Situation oder eines drohenden Unfalls können die Gurte durch ACR vorgestrafft oder die Insassen aus einer ungünstigen Körperhaltung in die Normalposition „zurückgezogen“ werden. In Kombination mit der Innenraumüberwachung könnte gar das Einklemmen von Gliedmaßen oder falsches Anschnallen verhindert werden. Damit entwickelt der Zulieferer vom Bodensee nicht nur die bestehenden Gurtstraffer weiter, sondern nimmt sich auch den Herausforderungen autonomer Shuttles an, die mitunter eine andere Sitzanordnung aufweisen und den Insassen mehr Bewegungsfreiräume lassen.

ZF steigert Reichweite durch Assistenzsysteme

Zum Gegenstand der Optimierung wurde bei ZF auch die Adaptive Cruise Control (ACC). Sie ist in den meisten Modellen zum Standard geworden. Doch bei allem Komfort, die der „adaptive Tempomat“ mit sich bringt, effizient ist er nicht zwangsläufig. Daran ändert auch der Eco-Modus meist recht wenig. Das Fahrzeug fährt zwar gemächlicher an, bremst – je nach Hersteller – aber auch abrupter ab oder bezieht Verkehrssituationen nur unzureichend ein. Abhilfe soll Eco Control 4 ACC schaffen. Die Zusatzsoftware wird über das Domain-Steuergerät auf die bestehende ACC „aufgedockt“ und soll im Vergleich zu aktuellen Konzepten bis zu acht Prozent an Energie im realen Fahrbetrieb einsparen.

Dafür berechnet ein Algorithmus mittels Model Predicitve Control alle 500 Millisekunden die vorausschauende Fahrweise für die nächsten 500 Meter. Hat der Fahrer keine Navigation aktiviert, wird die wahrscheinlichste Route als Grundlage verwendet. Zu Lasten der Reisezeit geht die Energieoptimierung laut ZF nicht. Im Gegenteil: Das effizientere Anfahren und Abbremsen sorge sogar für Zeiteinsparungen. Wieviel Freiheit das System genießt und ob die Priorität auf Zeit- oder Energieersparnis liegen soll, könne der Fahrer zudem über drei verschiedene Modi bestimmen.

ZF Visual hilft Entwicklern von ADAS-Funktionen

Neben klassischer Hardware sowie dazugehörigen Software-Lösungen arbeitet ZF aber auch an einem neuen Entwicklungstool. Es soll einerseits den Kunden des Zulieferers die Funktionsweise der Kameras und Sensoren veranschaulichen und andererseits den Ingenieuren bei der Validierung von ADAS-Funktionen helfen. In einer Punktewolke stellt ZF Visual hierfür Kamera-, Sensor- und Referenzdaten auf möglichst einfache und interaktive Weise dar. Dies soll bei der Analyse sowie Bewertung der Komponenten oder Systeme helfen. Der Push in Richtung autonomes Fahren findet bei ZF somit aktuell auf allen erdenklichen Ebenen statt.

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