Zsuzsanna Gnandt am Schreibtisch

Contis Inner-Source-Managerin Zsuzsanna Gnandt propagiert Offenheit und Neugierde in der Softwareentwicklung beim Zulieferer. (Bild: Continental)

Wenn OEMs und Zulieferern eines klar ist, dann das: Ihre Zukunft liegt maßgeblich in selbst entwickelter Software, wenn sie nicht als bloßer Hardware- und Hüllenlieferant das Feld anderen überlassen möchten. Doch daran hapert es noch. Die Branche muss softwareseitig schneller und tiefgehender die eigene digitale Transformation vorantreiben.

Daran wirkt Zsuzsanna Gnandt mit. Sie kümmert sich bei Continental als ContiSource Program Lead um das Inner-Source-Programm des Zulieferers. „Dabei geht es darum, Open-Source-Softwareentwicklungs-Methoden und Prinzipien firmenintern zu etablieren und Mitarbeitende zu motivieren daran mitzuwirken“, erklärt die 35-Jährige. Ihr Job ist es, etablierte Open-Source-Praktiken in der Softwareentwicklung einzuführen und damit oft nicht weniger als einen Kulturwandel innerhalb eines eher traditionell geprägten Unternehmens herbeizuführen.

Was ist das Potenzial von Inner Sourcing?

Technisch bedeutet das, dass dabei alle Mitarbeitenden Zugriff auf Code, Dokumentation und den Verlauf des Entwicklungsprozesses erhalten sowie daran mitwirken können. Mental bedeutet das der Abschied aus dem Silo und einer mitunter jahrelang gelebten – mitunter geheimniskrämerischen – Arbeitsweise allein oder in kleinen Coding-Teams. Sich öffnen, kollaborieren, andere Ideen zulassen – darum geht es: „Mancher fürchtet daher Wildwest und glaubt die Qualität seiner Arbeit leidet, weil zu viele daran mitwirken können“, sagt Gnandt, „doch dem ist nicht so. Im Gegenteil. Und davon muss ich überzeugen.“ Etwa indem sie erklärt, dass gerade durch niedrigschwelliges Inner-Sourcing Entwicklungspotenziale gehoben werden, der Kreativitätsturbo zündet und Codes am Ende besser werden, weil mehr Augen darauf schauen.

„Mit Inner Sourcing möchten wir allen Entwicklern die Freiheit geben, Innovationen ohne Barrieren voranzutreiben und für ihre Beiträge im gesamten Unternehmen geschätzt zu werden“, unterstreicht Gnandt. Sie ist überzeugt davon, dass diese Art der Zusammenarbeit entscheidend dafür ist, dass Continental agil bleibt, gewappnet für die digitale Transformation ist. Gerade in Projekten rund um die Mensch-Maschine-Interaktion, Konnektivität oder den Antriebsstrang sei das wesentlich. Neben Inner-Source-Jobs in Sachen IT-Infrastruktur fänden sich zunehmend auch Entwickler in KI-Projekten. Wobei die Arbeitsweise hier besonders seine Stärke ausspielen könne, wenn Mitarbeiter aus verschiedenen Abteilungen gemeinsamen Ideen entwickeln, pilotieren und testen.

Wie Softwareentwicklung von Open Source profitiert

Praktische Erfahrungen sind die beste Werbung für Inner Source. Was auch anfängliche Skeptiker überzeugt, die bald merken, dass allein schon aufgrund des Mehraugenprinzips Software zuverlässiger wird, die Qualität eben nicht leidet. Coden läuft effizienter und effektiver, was dem Zulieferer eine kürzere Time-to-Market, geringere Entwicklungskosten und größere Innovationen beschert. Motivierend wirkt, dass verteile Teams unkomplizierter kollaborieren können, schneller Effekte sehen, voneinander profitieren, weil Wissen verfügbarer wird und man mehr lernt als allein im stillen Kämmerlein.

Was ist Free and Open-Source Software?

Free and Open-Source Software (kurz: FOSS) ist möglichst frei und quelloffen und nach der englischen Bedeutung „free“ auch kostenlos nutzbar. User sollen Software beliebig anwenden und weitergeben können, die Quellentexte sind dabei einsehbar. Am Fraunhofer-Institut für Software- und Systemtechnik ISST spricht man über FOSS auch als Innovationstreiber der Digitalwirtschaft. Unternehmen profitieren demnach von FOSS nicht nur als Nutzer, sondern auch durch deren Bereitstellung und den Aufbau von Communities.

Alles Argumente, die Gnandt immer wieder bei ihrer Arbeit ins Feld führt, um zu überzeugen. Darüber hinaus bewirbt sie Inhouse-Projekte, schreibt Blogs, dreht Videos, macht Tutorials und setzt E-Learning-Angebote auf, um das Conti Inner-Source-Programm voranzutreiben. Mit einem Wort: Kommunikation ist ihr Code. Dabei ist sie selbst Entwicklerin, codet auch heute noch nebenher. Gnandt hat ein Diplom in Informationstechnologie an der Politechnischen Uni im rumänischen Timisoara und an der OTH Regensburg einen Master in Business Systems, ergo: Informatik, gemacht.

Was ist Continentals FOSS-Manifest?

Danach war sie in einem Telekommunikationsunternehmen als Entwicklerin tätig, bevor sie zu Continental stieß. Nach einigen Stationen dort leitet sie seit 2019 das Inner-Source-Programm. Ihr größter Erfolg bisher ist, daran mitgewirkt zu haben, dass der Zulieferer unlängst das Continental Automotive FOSS Manifest verabschiedet hat. Free and Open-Source Software (FOSS) sei essenziell für die Mobilität von morgen. Das Manifest unterstreicht das Mantra von kooperativer Softwareentwicklung als Schüssel zur digitalen Transformation der Automotive-Industrie.

In dem FOSS-Manifest verpflichtet sich Continental unter anderem dazu, „alle Aspekte der Entwicklung und Nutzung von freier und quelloffener Software in das Tagesgeschäft einzubeziehen, als vertrauenswürdiger Partner zu Open-Source-Communitys beizutragen und als zuverlässiges softwaregetriebenes Unternehmen die Zufriedenheit von Kunden und Mitarbeitenden stets in den Mittelpunkt jedweden Engagements zu stellen“.

Continental beschäftigt weltweit rund 20.000 Ingenieure mit tiefem Software- und IT-Verständnis. Alle arbeiten mit Open-Source-Software. Sie steuern selbst IT-Entwicklungen über entsprechende Daten-Austauschplattformen in den FOSS-Organisationen bei oder profitieren von dort angebotenen Software-Paketen.

Was ein Inner-Source-Manager mitbringen muss

Inner Source trägt dabei wesentlich dazu bei, die Grenzen des eigenen Teams aufzuweichen. Es stellt Mittel und Methoden bereit, mit denen Mitarbeitende über ihr Team hinaus wirksam werden können – bis hin zum organischen Wachstum von Communitys und Komponenten. Damit einhergehend bekommen Entwickler Einblicke in andere Teams. Sie können von deren Erfahrungen profitieren und von deren Wissen lernen.

So hat es Gnandt in ihrer Karriere auch gehalten: Sie hielt stets die Augen offen, saugte Neues auf, veränderte sich. Was eine gute Basis ist, um Inner-Source-Manager zu werden. „Nur technisch interessiert zu sein, genügt nicht“, betont sie, „Man muss sich auch in Gebiete trauen, auf denen man nicht zuhause ist, sich nicht unbedingt wohl fühlt.“ Grenzen überschreiten, neugierig sein und aktiv auf Leute zugehen. Kurz gesagt: Kommunikativ sein und coden können sollten kein Widerspruch darstellen.  

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