Matthias Feulner, ADAS-Experte von NXP

Lidar-Sensoren weisen im Vergleich zu Radar mittlerweile einige Nachteile auf, erklärt Matthias Feulner, Senior Director ADAS bei NXP. (Bild: NXP)

Wie funktioniert ein 4D Imaging Radar und bei welchen SAE-Leveln wird er eingesetzt?

Ein 4D Imaging Radar kann die Umgebung detailliert erfassen, indem er Objekte detektiert, separiert und anschließend klassifiziert. Die vier Dimensionen entsprechen dabei Distanz, Objektgeschwindigkeit, Direction of Arrival (DOA) und Höhe. Letztere benötigt es etwa zur Erfassung von Brücken oder Randsteinen sowie zur verbesserten Klassifizierung von Objekten oder Verkehrsteilnehmern. Das klassische Einsatzgebiet hochauflösender Sensoren sind Applikationen der SAE-Level 4 und 5. Diese Anwendungsfälle werden mit Robotaxis zunehmen und bringen zugleich eine höhere Toleranz für teurere Sensoren mit sich. Fahrzeuge auf SAE-Level 2+, die bis 2030 nahezu die Hälfte des Marktes ausmachen könnten, haben hingegen ganz andere Anforderungen. Wir glauben, dass die gängigen HR-Sensoren aufgrund ihrer Kostenstruktur und Komplexität dafür nicht geeignet sind. Deshalb haben wir zwei Prozessoren auf einer gemeinsamen Architektur entwickelt, die zum einen für Level 2+, und zum anderen für Level 4 und 5 verwendet werden.

Welche Vorteile bietet ein 4D Imaging Radar gegenüber Lidar-Sensoren und kann er sie vollständig ersetzen?

Lidar-Sensoren eignen sich für die SAE-Level 4 und 5, um eine hochauflösende Punktwolke zu erzeugen. Allerdings haben sie als laserbasierte Sensoren die klassischen Probleme optischer Systeme: Schlechtes Wetter, staubige Umgebungen, blendendes Licht oder sichtbehindernde Objekte erschweren die Erfassung oder lassen den Sensor erblinden. Radar ist somit einerseits die deutlich robustere, andererseits aber auch kosteneffizientere Lösung. Insbesondere die hohen Kosten, die selbst im Volumen heutzutage noch vorherrschen, haben Lidar-Sensoren trotz ihrer Fähigkeiten in der weiteren Verbreitung beschränkt. Radarbasierte, hochauflösende Sensoren können diese Schwelle überbrücken und den Einsatz im Volumengeschäft vorantreiben. Bei vollautonomen Fahrzeugen werden aufgrund notwendiger Redundanz dennoch Kamera, Radar und Lidar im Zusammenspiel genutzt werden. Gleichzeitig wird die Anzahl der Use Cases, bei denen Lidar unbedingt benötigt wird, durch die verbesserten Radarsensoren schrumpfen – bis Lidar in der Zukunft letztlich nur noch eine Nische darstellt.

An welchen Stellen im Fahrzeug wird ein 4D Imaging Radar verbaut und wie viele werden benötigt?

Grundsätzlich werden auf Level 2+ im Jahr 2025 etwa fünf Radarsensoren verbaut sein. Beim Highway Pilot kommt das Imaging Radar dabei als Frontsensor zum Einsatz. Im Gegensatz zu Lidar-Sensoren, die je nach Distanz ein dediziertes Frontend benötigen, können wir jedoch einen 3-in-1-Sensor implementieren. Dabei wird je ein Teil der Antennen für die Erfassung der näheren, mittleren und weiteren Entfernung verwendet. Dies kann parallel betrieben werden. Ein Umschalten von einem Modus in den anderen ist nicht notwendig, da MIMO-Signale auf der Empfängerseite des Sensors auseinanderzuhalten, von welcher Sendeantenne abgestrahlt wurde. Ein Urban Pilot verwendet mit steigendem SAE-Level bis zu zehn Sensoren, um eine 360-Grad-Sicht zu gewährleisten. Es benötigt einen Sensor an der Front, einen am Heck, vier an den Ecken der Stoßstangen, zwei an der Seite, die benachbarte Fahrzeuge oder den Randstein beobachten, sowie eventuell zusätzliche Behelfssensoren, um vertikale Objekte wie Brücken oder Durchfahrten genauer zu erfassen.

Ist die Technologie bisher vorrangig auf Automotive ausgerichtet und wie wird sich Markt entwickeln?

Es gibt eine Reihe von Nachbarsegmenten, die für uns interessant sind – insbesondere die Verkehrsüberwachung. Bislang werden dafür Kameras eingesetzt, die bei Nacht oder schlechtem Wetter klare Nachteile gegenüber Radarsystemen haben. In verschiedenen Regionen wird die Technologie deshalb bereits an großen Kreuzungen und auch auf Autobahnen ausgerollt. China hat etwa ein Programm initiiert, um Autobahnen großflächig mit solchen Traffic-Radar-Systemen auszustatten. Viele solcher Anwendungsfälle können dann mit V2X-Kommunikation kombiniert werden, sodass die Straßenkreuzung beispielsweise erkennt, wenn ein Auto vor einer roten Ampel nicht abbremst und daraufhin andere Verkehrsteilnehmer warnt. Darüber hinaus sind auch industrielle Fahrzeuge, wie etwa autonome Roboter in Lagerhallen, interessant für uns. Selbst bei datenschutzrechtlichen Bedenken hinsichtlich Kamerasystemen im öffentlichen Raum, bei der Überwachung pflegebedürftiger Personen oder im Fahrzeuginterieur finden sich Einsatzmöglichkeiten. Imaging Radar ist noch in einer frühen Phase der Marktentwicklung. Insofern kommen immer neue Use Cases hinzu, die Radar in der Vergangenheit nicht adressieren konnte, weil der notwendige Detailgrad der Erfassung nicht gegeben war.

Werden die Stückzahlen ausreichen, damit sich die Produktion für einen Chip-Auftragsfertiger lohnt?

Wenn die Kapazitäten wie in der aktuellen Situation knapp sind, wird natürlich priorisiert, aber Automotive-Radar birgt ein derartiges Potenzial, dass wir uns der Aufmerksamkeit und Unterstützung durch Foundry-Partner sicher sind. Neben den dominierenden Consumer Electronics sind Fahrerassistenzsysteme und Elektromobilität die großen Wachstumssektoren. Aktuell mag das Volumen noch moderat sein, doch das Gewicht von Automotive wird zunehmen. Die künftige Relevanz ergibt sich sowohl aus der Anzahl der Sensoren pro Fahrzeug als auch durch die Verwendung höher-performanter Sensoren wie etwa für Implementierung von hochauflösendem Imaging Radar. Regulierungsstandards, die 360-Grad-Erfassung und der Trend zu hochauflösenden Sensoren werden bis 2030 zu einem Gesamtmarkt von zirka 300 Millionen Radarsensoren für Automotive-Anwendungen pro Jahr führen. Die nächsten großen Plattformeinführungen der Autohersteller spielen sich alle um 2025 herum ab. Dann werden wir bei der Verfügbarkeit von Level 2+ einen großen Schritt nach vorne machen.

Zur Person:

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Matthias Feulner ist Senior Director für die Produktlinie ADAS bei NXP Semiconductors. Mit über 20 Jahren Erfahrung in der Halbleiterindustrie verantwortet er die Geschäftsbereiche Automotive Radar und V2X-Kommunikation.

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