Digitale Planungstools in der Planung sind keine Seltenheit mehr.

Digitale Lösungen in der Produktion benötigen vermehrt Kapazitäten in der Cloud. (Bild: Schaeffler)

AWS, Microsoft Azure oder Google in der westlichen Welt, Tencent oder Alibaba im chinesisch-asiatischen Raum: Automobil-Unternehmen haben die Qual der Wahl, wenn es um die richtige Cloud-Strategie geht. Zulieferer Schaeffler zählt sich zu den Early Adopters von Cloud-Technologie. Noch bevor man 2015 eine Cloud-First-Strategie ausrief, wurde in einzelnen Bereichen Infrastructure-as-a-Service und Filestorage eingesetzt.

„Bei der Auswahl des Cloud-Partners sollten die Anforderungen aus dem eigenen Business abgeleitet werden“, so Schaeffler-CIO Marc Votteler. Im eigenen Fall war das der Fokus auf Business-kritische Prozesse im ERP-Umfeld und digitale Services. Die Wahl sei auf Microsoft als Partner auf der „Cloud-Reise“ gefallen, weil der Anbieter für die Schaeffler-Bedürfnisse das umfangreichste Angebot gehabt habe. Bei Lösungen wie Predictive Maintenance gehe es um eine Grundstabilität in den Services über mehrere Jahre hinweg. „Eine gute, langfristige Zusammenarbeit und strategische Partnerschaft sind uns deshalb wichtiger als kleinere Unterschiede im Angebot“, fasst Votteler zusammen.

Unterschiede zwischen Cloud-Anbietern sind gering

Der CIO ist sich sicher: Die Angebote der Hyperscaler unterscheiden sich nur in Nuancen. „Manchmal ist eine virtuelle Maschine günstiger oder das Offering für High Performance Computing besser. Unsere Evaluierung zeigt, dass sich jedes Jahr etwas verändert“, sagt Votteler. Wenn ein Anbieter auf einem Feld besonders stark sei, dauere es jedoch nie lange, bis die anderen Player nachzögen. „Aktuell hat Microsoft durch das Engagement mit Open AI sicherlich die Nase vorn“, nennt der CIO ein Beispiel. „Grundsätzlich zeigt sich, dass sich das Angebot der Hyperscaler immer weiter angeglichen hat. Auch die Sicherheitsverfahren sind ähnlich, es gibt nach unserem Kenntnisstand bei keinem der großen Anbieter weltweit wesentliche Lücken“, stellt auch Sebastian Löw fest, Automotive Lead für Cloud First bei Accenture.

Bei den Kunden seien unterschiedliche Anbieter-Präferenzen zu beobachten, meint Löw. „So wird AWS etwa als größter Provider am Markt für die geringste Latenz und Downtime geschätzt. Das ist besonders bei hohen Anforderungen an die Verfügbarkeit wichtig“, sagt Sebastian Löw. Für Unternehmen, die bereits eine breite Microsoft-Landschaft mit Office 365 und Active Directory im Einsatz haben, spreche aufgrund des geringeren Integrationsaufwands häufig einiges für Azure. Dort, wo der Schwerpunkt auf Data Analytics und DevOps auf Containertechnologie wie Kubernetes liege, werde tendenziell Google bevorzugt. Pauschale Aussagen seien jedoch schwierig zu treffen, meint der Automotive-Experte. Welche Hyperscaler am besten passen, richte sich immer nach dem Use Case. Diese ließen sich unterteilen in die Cluster Enterprise-/Core-IT, Software-defined Vehicle, Produktions-IT, die Customer Experience oder Mobilitätsdienste.

Multi-Cloud-Ansatz ist meist notwendiges Übel

Also ein Cloud-Anbieter je nach Themenfeld? Eine Multi-Cloud-Strategie sieht Marc Votteler aus Kostengründen kritisch. „Einen Hyperscaler für sich nutzbar zu machen, ist mit einem großen Einmalaufwand und Investitionen rund um Informationssicherheit, IT-Security und Compliance verbunden. Diesen Overhead wollen wir möglichst klein halten“, so Votteler. So leicht ist damit auch ein Wechsel nicht möglich. „Wir werden in dieser Konstellation auch in zwei oder fünf Jahren noch unterwegs sein“, prognostiziert Votteler.

Durch die unterschiedlichen Rahmenbedingungen an den internationalen Standorten gibt es zur Zusammenarbeit mit verschiedenen Cloud-Anbietern allerdings keine Alternative, konstatiert der CIO. So steht Azure etwa in China nur funktional eingeschränkt zur Verfügung, Google gibt es praktisch nicht. Umgekehrt sieht es genauso mit Alibaba im US-amerikanischen Raum aus. „Man muss dem Kunden dort begegnen, wo sich der Kunde aufhält. Die Akzeptanz im jeweiligen Markt steht im Vordergrund“, sagt Votteler pragmatisch. Im chinesischen, aber auch im Asien-Pazifik-Raum spiele etwa Alibaba eine große Rolle.

Den Luxus, für verschiedene Use Cases unterschiedliche Cloud-Anbieter zu nutzen, kann sich jenseits der OEMs und Tier-1 also schlicht nicht jedes Unternehmen leisten. Mittelständische Zulieferer müssten sich gut überlegen, ob sie die Ressourcen und die Volumina mitbringen, um das Management mehrerer großer Partner in einem Multi-Cloud-Ansatz zu stemmen, so Sebastian Löw: „Die Hyperscaler rufen erhebliche ‚Minimum Commitments‘ auf, die bedient werden müssten. Besonders unangenehm und teuer wird es, wenn es nicht gelingt, die vertraglich vereinbarten Volumina auszunutzen“. Global agierende Unternehmen kämen jedoch nicht um einen Multi-Cloud-Ansatz umhin, meint auch der Automotive-Experte. Gerade für viele Zulieferer sei zudem der Aspekt der Tisax-Zertifizierung wichtig, die im Automotive-Umfeld erforderlich ist, und die nur einige Hyperscaler in der Region China mitbringen.

Auto-Unternehmen müssen Sicherheit selbst mitdenken

Bleibt die naheliegende Frage nach der Sicherheit der Provider. Solche Aspekte sieht der Schaeffler-CIO jedoch als vergleichsweise losgelöst vom Cloud-Anbieter. „Datensicherheit und Datenschutz sind uns sehr wichtig, unabhängig ob On-Prem oder in der Cloud. Wir investieren hier personell und technologisch, um sicherzustellen, dass personenbezogene Daten und Intellectual Property durch Verschlüsselung geschützt sind. Die Verantwortung liegt bei uns, unabhängig vom Cloud-Provider“, stellt Votteler fest. Anhand von regionaler Regulation entscheide sich, welche Daten wo gespeichert werden.

„Unternehmen sollten bei Cloud-First im Hinterkopf behalten, dass es keine Cloud-Only-Strategie ist. Es ist wichtig, immer in der Lage zu sein, bestimmte Aufgaben aus finanziellen, regulatorischen oder kundenspezifischen Gesichtspunkten anders abzubilden“, rät der Schaeffler-CIO. Beim Cloud-Einstieg gelte es vor allem, hinsichtlich Compliance die jeweiligen gesetzlichen Vorgaben zu kennen. „Wo werden Daten erzeugt, wo werden sie gespeichert, von wo werden sie genutzt – und ist das compliant? Dieser Aspekt ist eine große Herausforderung und wird nicht vordergründig von den Hyperscalern beworben“, meint Marc Votteler.

Die Cloud ist kein Allheilmittel für alle Use Cases

Ob es überhaupt die Cloud sein sollte oder eine On-Prem-Lösung, müsse je nach Business Case entschieden werden, rät der Schaeffler-CIO. Zudem gebe es Anwendungsszenarien, etwa in der Fertigung, die sich in der Cloud nicht immer abbilden lassen.

Nach Löws Erfahrung tun sich viele Unternehmen immer noch schwer, greifbare Ergebnisse aus ihrer Cloud-Strategie zu generieren – oft seien die Probleme aber vermeidbar. „Was sind die Kernziele, wie sollen sie gemessen werden und welche Grundsätze gelten dabei? Diese Fragen müssen beantwortet werden“, erläutert Löw. Wie tief möchte man den Hyperscaler in das Fahrzeug oder das Produkt hineinlassen? Werden die proprietären Services der CSP genutzt oder will man sich mit selbst entwickelten, transportablen Services möglichst unabhängig machen? Angesichts der langen Lebenszyklen, in denen die Fahrzeuge einschließlich der Zulieferer-Module gewartet werden müssen, sei das eine zentrale Frage.

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