Neu sei bei der Entwicklung des Fahrzeugs vor allem, dass diese inzwischen immer stärker vom Kunden aus gedacht würde, erklärt Martin Hofmann, CIO bei Volta Trucks. Die Frage, welche Funktionen einen entsprechenden Mehrwert bieten, müssen bei der Konzeptionierung neuer Fahrzeuge den Fokus bilden. Erst auf Basis dieser Betrachtung könne man ableiten, welche Rechenleistung, Sensorik oder Hardware ein Fahrzeug benötige, so Hofmann. Software-Entwickler seien in der Regel deutlich besser befähigt, diese Anforderungen zu erkennen – unter anderem aufgrund des Zugriffs auf Daten aus Fahrzeugen über dessen Lebenszyklus hinweg. „Es ist wichtig, dass bei der Softwareentwicklung alle Beteiligten von Anfang an mit am Tisch sitzen und Dinge nicht hinter verschlossenen Türen entschieden werden“, erklärt der ehemalige IT-Chef von Volkswagen daher. Dies erfordere neue Prozesse und neue Arten der Zusammenarbeit zwischen allen an der Wertschöpfung beteiligten Partnern. In der Hauptrolle auf dem Weg zum Software-defined Vehicle sehe er jedoch vor allem die Tier-1-Zulieferer, so Hofmann.
Neue Formen der Zusammenarbeit beobachtet auch Claudio Longo, VP Research & Advanced Engineering Software and Central Technologies bei Continental Automotive. Vor allem durch die zunehmende Trennung von Soft- und Hardware würden neue Netzwerke aus Herstellern, (Software-)Zulieferern und Hardware-Anbietern entstehen. Gleichzeitig ermögliche die neue Ausrichtung der Fahrzeugarchitekturen neue Wege in der Softwareentwicklung, etwa in Form des Data-driven Development, einer schnelleren Time to Market und der Etablierung komplett neuer Geschäftsmodelle. Bei allen Überlegungen hin zu neuen Software-basierten Funktionen, etwa der Verlagerung nicht-sicherheitskritischer Funktionen in die Cloud, dürfe man jedoch nicht die Hardware-Entwicklung vernachlässigen: „Nur aus Software können Sie kein Auto bauen“, so Longo.
Dennoch ist nach wie vor kaum abzuschätzen, welche schier unendlichen Möglichkeiten die Vernetzung des Fahrzeugs in Zukunft eröffnen wird. „Alles, was wir derzeit beim Software-defined Vehicle erleben, ist nur ein Prolog“, erklärt etwa MHP-Partner Jan Wehinger. In Zukunft könne etwa KI die Interaktion im Fahrzeug auf Basis kontextsensitiver Informationen komplett revolutionieren, während das autonome Fahren neue Räume für innovative Services schaffe. Die Autobranche habe vor diesem Hintergrund zwar verstanden, was zu tun sei, zögere aber noch zu stark bei der Nutzung dieser Potenziale. „Wir haben kein Erkenntnisproblem momentan, es geht um die Umsetzung“, erklärt Wehinger. Helfen könne System Thinking in der Produktebene und der Organisation, kundenzentriertes Design und genug Freiheit von Legacy-Systemen bei der Implementierung neuer Dienste. Zudem müsse die Betrachtung des Fahrzeugs über dessen Lebenszyklus hinweg als zentrale Aufgabe begriffen werden. „Das Auto ist kein abgeschlossenes System mehr nach dem SOP und die Software gibt jetzt den Ton an“, so Wehinger.
Wie der entsprechende Rollout von Software-Funktionen per Over-the-Air-Update hierfür aussehen kann, demonstriert hingegen Peter Geffers, Manager EU Model e Connected Vehicle Software bei der Ford-Werke GmbH. Der Hersteller setzt seit über einem Jahrzehnt auf Connected Services in den eigenen Fahrzeugen. Neben der Anzahl der hierfür notwendigen Updates habe sich vor allem die Art und Weise der Aktualisierungen deutlich verändert: Während Anfangs per USB Updates eingespielt wurden, werden inzwischen neue Software-Versionen für alle Fahrzeugfunktionen über WLan oder das mobile Mobilfunknetz eingespielt.
„Das Connectivity-Universum breitet sich permanent aus“, erklärt Peter Geffers entsprechend die Notwendigkeit, die entsprechenden Dienste besser zu managen als dies traditionell der Fall war. Das Ökosystem dabei nur im Kontext der Infotainment-Systeme zu verstehen, greife dabei deutlich zu kurz: Auch im Aftersales und der Entwicklung seien Daten aus dem Fahrzeug inzwischen unerlässlich. Beim Rollout der entsprechenden Software setze man auf einen Ansatz in drei Phasen: In der Planungsphase bestimme man den Umfang der jeweiligen Updates in enger Abstimmung mit den zuständigen Mitarbeitern und Abteilungen, während in der Validierungsphase umfangreiche Tests der Systeme folgen, die anschließend OTA in die interne Flotte geliefert werden, die Fehler rückmelden kann, bevor Updates zum Kunden gehen. Hier setze man auf einen Staggered-Ansatz, bei dem sicherheitshalber zunächst ein Teil der Fahrzeuge im Markt mit neuer Software versorgt wird.