Ein Muster eines Hochleistungsrechners (High Performance Computer) für zukünftige Fahrzeugmodelle.

Hochleistungsrechner übernehmen bereits zahlreiche Funktionen im Connected Car. Zukünftige Fahrzeugmodelle werden auf ein noch höheres Maß an Konsolidierung setzen. (Bild: Continental)

Auch wenn es viele Menschen immer noch nicht wahrhaben wollen, so ist für die Automobilindustrie längst Konsens, dass die Zukunft der individuellen Mobilität den Elektroautos gehören wird. Damit einher geht auch der Trend hin zum Software-Defined Vehicle. Der Fahrer merkt dies durch immer neue Funktionen in Sachen Infotainment oder bei Assistenzsystemen. Für die Industrie bedeutet die Entwicklung eine starke Reduzierung von elektronischen Steuergeräten (ECUs) hin zu möglichst wenigen, zentralen High Performance Computern (HPC). Ein HPC ist ein leistungsstarker Computer, der eine entscheidende Rolle bei der Verarbeitung großer Datenmengen und bei der Durchführung komplexer Berechnungen in Echtzeit spielt. Seine Verarbeitungsleistung ist deutlich größer als die von klassisch verteilten ECUs. „Trotzdem bleiben auch ECUs perspektivisch für bestimmte lokale Aufgaben wichtig, wie beispielsweise der Steuerung der Aktorik im Echtzeitbetrieb“, erklärt Gereon Hinz, Geschäftsführer von SSTech. Den Einsatz von noch leistungsfähigeren Quantencomputern im Fahrzeug sieht der Experte dagegen nicht als realistisch an.

Welche Vorteile haben HPCs im Auto?

Grundsätzlich bringt die Reduzierung auf sehr wenige High Performance Computer einige Vorteile mit sich. Durch eine Verringerung der Komplexität der Fahrzeugarchitektur, beispielsweise durch eine signifikante Verschlankung des Kabelbaums, wird die Wartung vereinfacht. „Die Nutzung von HPCs verbessert die zentralen Verarbeitungsmöglichkeiten von Daten im Fahrzeug, steigert die Entwicklungseffektivität und ist letztlich die logische Konsequenz aus der fortschreitenden Miniaturisierung der Elektronik“, ergänzt Hinz.

Zudem arbeiten viele Zulieferer daran, Domain Controller so zu bauen, dass sie möglichst unkompliziert ausgetauscht werden können. Die HPCs gibt es mit unterschiedlichen Chiptechnologien, Aufbauten und Skalierbarkeit über mehrere Fahrzeugklassen hinweg. Im Gespräch ist vieles, bis hin zu Aufbautechnik mit steckbare Modulen. Trotz vieler Vorteile betont Hinz: „Auch die HPCs müssen sich dem preislichen Wettbewerb stellen, also viel leisten für wenig Geld.“ Ist ein HPC für weniger Aufgaben im Fahrzeug verantwortlich, wird er auch günstiger ausgelegt. Die Leistungsfähigkeit unterschiedlicher HPCs kann dabei je nach Größenordnung variieren.

Die Geschichte der Steuergeräte im Auto

Blickt man zurück auf die Anfänge von Steuergeräten in Automobilen waren es zunächst einfache Einheiten, die grundlegende Funktionen wie die Kraftstoffeinspritzung oder die Zündung kontrollierten. Sie waren spezialisierte Mikrocontroller, die unabhängig voneinander arbeiteten und nur begrenzte Kommunikationsfähigkeiten hatten. Mit dem Fortschritt der Technologie wurden Steuergeräte zunehmend vernetzt und integriert. Dies ermöglichte eine bessere Kommunikation und Koordination zwischen den einzelnen Steuergeräten. Durch diese Integration konnten auch neue Funktionen und Systeme in Fahrzeuge eingeführt werden.

Was genau steuern HPCs im Auto?

Moderne Autos sind mit wenigen HPCs ausgestattet, die meist für spezifische Funktionen zuständig sind. Ein HPC konzentriert sich auf die Leistung und Steuerung des Antriebsstrangs, einschließlich des Motors, des Getriebes und anderer Antriebskomponenten. Er optimiert die Leistung und Effizienz des Antriebssystems. Ein weiterer HPC fokussiert die Überwachung und Steuerung der Sicherheitssysteme im Fahrzeug. Dazu gehören Systeme wie ABS (Anti-Blockier-System), ESP (Elektronisches Stabilitätsprogramm) und Airbags.

Das Infotainment ist für viele Kunden längst zu einem wichtigen Einflussfaktor auf die Kaufentscheidung geworden. Aufgrund des stetigen Funktionsumfangs bedarf es auch hierfür eines eigenen HPCs, der für die Bereitstellung von Unterhaltungs- und Kommunikationsdiensten im Fahrzeug verantwortlich ist. Er steuert die Konnektivität sowie das Navigations- und das Audiosystem. Der künftig wohl wichtigste HPC befasst sich mit dem autonomen Fahren. Längst forscht die Industrie auch hier gemeinsam an Lösungen. Das Projekt Central Car Server-Supercomputing für Automotive vom Bundesministerium für Bildung und Forschung erforscht beispielsweise eine automobile Supercomputing-Plattform. Eine solche zentrale Recheneinheit soll auf neuartigen automotive-qualifizierten Hochleistungsprozessoren basieren, heißt es auf der Website des Projekts, an dem sich unter anderem Continental, Bosch, Infineon, ZF sowie mehrere Universitäten beteiligen.

Ein zentraler HPC ist unrealistisch

„Der Trend geht im Auto derzeit klar zur Zentralisierung“, sagt Hinz. Dennoch stehe der Abgleich zwischen Kosten und Leistungsfähigkeit von zentraler Rechenleistung gegenüber verteilter Kommunikationsleistung immer im Spannungsfeld. Eine Zukunft, in der es nur noch einen einzigen HPC im Auto gibt, hält der Experte daher für unrealistisch. „Extreme Ausprägungen haben immer auch ihre Nachteile. Lokale Intelligenz bei Komponenten wird es immer geben, daher sind puristische Zentralrechnerlösungen kurzfristig nicht absehbar und auch nicht unbedingt erstrebenswert“, so der Experte für autonomes Fahren, Konnektivität und intelligente Infrastruktur. Dazu könne man auch die aktuell im Trend liegenden Zonenarchitekturen betrachten. Dennoch, betont Hinz, je mehr ein HPC kostengünstig leiste und je mehr Kommunikationsbandbreite verfügbar ist, desto mehr Zentralisierung sei möglich.

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