Auf der TechShow2023 am 14. Juni in Frankfurt präsentierte Continental ein großes Portfolio mit den Schwerpunkten Nachhaltigkeit und Software-defined Car.

In diesem Jahr bildeten Ausstellungstücke rund um Nachhaltigkeit und Software-Defined Car den Kern der Continental TechShow. (Bild: Continental)

Die TechShow der Continental Automotive Technologies brachte in diesem Jahr Technologiebegeisterte aus über 15 Ländern zusammen. Journalisten und Journalistinnen aus China, Thailand, Indien, Mexiko und vielen weiteren Ländern reisten an, um sich die neuesten Innovationen im Bereich Nachhaltigkeit und softwaredefinierter Fahrzeuge unter dem Titel „Experience Forward Thinking“ anzusehen und getreu dem Motto selbst zu erleben.

"Wir verbinden die Punkte mit unserem Fachwissen über das gesamte Ökosystem und orchestrieren den Kreislauf von der Straße bis hin zur Cloud", verkündet Nicole Orgnon, Leiterin der Automotive Kommunikation und eröffnet die Ausstellung mit zahlreichen Exponaten im Indoor- und Outdoor-Bereich. Besonders die Keywords Modularität und Skalierbarkeit zogen sich während des gesamten Events wie ein roter Faden durch die Ausstellungstücke und dienen der Hardware-Architektur des Zulieferers als Grundpfeiler.

Rotationspositionssensor ersetzt Resolver im E-Motor

Unter anderem erweitert Continental sein Sensorportfolio für Elektrofahrzeuge durch einen induktiven E-Motor-Rotationspositionssensor (eRPS), dessen Produktionsstart für Ende 2025 geplant ist. Dieser erfasst die genaue Position des Rotors in einem elektrischen Synchronmotor und ermöglicht somit einen reibungsloseren Betrieb sowie eine höhere Effizienz. Denn um einen maximalen Wirkungsgrad des Motors zu erreichen, muss die Motorsteuerung die genaue Position des Rotors kennen. Mit dem Stromsensormodul und der Batterieanprallerkennung hat das Unternehmen bereits im Jahr 2022 zwei neue Lösungen vorgestellt, die sich auf den Schutz der Batterie beziehungsweise auf die Batterieerhaltung von Elektrofahrzeugen konzentrieren.

Die Sensorbauweise des eRPS basiert auf dem Wirbelstromprinzip und ist daraufhin optimiert, die Robustheit gegenüber mechanischen Toleranzen zu erhöhen. Für die Signalverarbeitung kommen hochmoderne integrierte Schaltkreise zum Einsatz. Optional können zwei integrierte Schaltkreise in den eRPS eingebettet werden, um Redundanz zu gewährleisten.

Der E-Motor-Rotationspositionssensor soll künftig den in herkömmlichen Lösungen verwendeten Resolver ersetzen. „Ein Resolver hat außerdem den Nachteil, dass er zum einen deutlich schwerer und teurer ist. Zum anderen ist er auch nicht auf Nachhaltigkeit und Lifetime ausgelegt, da er seltene Erden und Magneten enthält“, erklärt Tobias Rompf, Head of Sales E-Mobility, gegenüber automotiveIT. Im Vergleich zu bestehenden Resolversensoren ist der eRPS kompakter und rund 40 Prozent leichter. Im Gegensatz zu Continentals Positionsmesser, der als standardisiertes Bauteil unabhängig von der Anzahl der Polpaare für jeden Motor geeignet ist und sich problemlos von einem Motor auf einen anderen übertragen lässt, erfordert ein Resolver für jede Ausführung von Synchronmotoren eine individuelle Anpassung. Die Elektromobilitätslösung ist so konzipiert, dass sie die für künftige Elektrofahrzeugplattformen erforderlichen Drehzahlen (~24.000 U/min) abdeckt.

Der Smart Cockpit Hochleistungsrechner von Continental dient einer ganzheitlichen Integration von Instrumentierung, Infotainment und Fahrerassistenz.
Mit dem Smart Cockpit Hochleistungsrechner will Continental sein Knowhow auf dem Gebiet der HPC-Projekte unter Beweis stellen. (Bild: Continental)

Smart Cockpit dient im Innenraum als All-in-One-Lösung

Mit dem Smart Cockpit HPC präsentiert Continental einen Hochleistungsrechner (High-Performance Computer, HPC), der ein vorintegriertes Funktionsset mit ins Fahrzeug bringt, aber dem Kunden dennoch spezifische Anpassungen der Human-Machine-Interface und Hardware-Schnittstellen erlaubt. Indem es alle Cluster- und Infotainmentfunktionen in einer Box vereint, reduziert das Smart Cockpit die Anzahl zuvor verbauter Steuergeräte und umfangreicher Kabelbäume. Dadurch wird die Komplexität der Fahrzeugarchitektur verringert. Der Smart Cockpit HPC ermöglicht die Integration verschiedener Domänen und Funktionen, wie etwa Cluster, Infotainment - mit einer Schnittstelle zu einem Android Operating System - (Display, Radio, Telefon, Phone-Mirroring und Navigation) und Advanced Driver-Assistance Systems (ADAS).

Das System ist auf die typische Konfiguration von zwei Displays für das Center Stack und das Kombiinstrument ausgerichtet, kann aber auf bis zu drei Displays erweitert werden. „Wir wollten mit dem Smart Cockpit den Sweet Spot zwischen Nutzererlebnis, Systemleistung, Kosten und kurzer Entwicklungszeit treffen. Bei einer Entwicklungsdauer von gerade einmal 18 Monaten ist uns das meiner Meinung nach sehr gut gelungen“, lobt Stefan Wagner, Projektmanager im Bereich Architecture und Networking, gegenüber automotiveIT. Die erste Variante des HPC kündigt der Software-Experte für Ende 2023 an. Durch vorintegrierte Cluster- und Infotainment-Funktionen können außerdem die Hardwarekosten im Cockpit-Bereich minimiert werden.

Was steckt hinter dem Plug-&-Play-Konzept?

Passend dazu stellt der Zulieferer mit dem Plug-&-Play-Konzept eine modulare und hochskalierbare Lösung für die Integration von HPCs in Fahrzeugarchitekturen vor. Die Besonderheit hierbei: Einzelne Rechnermodule lassen sich austauschen oder aufrüsten, wenn sich das Fahrzeug bereits im Feld befindet. Autobauern können einzelne Hochleistungsrechner integrieren oder auf modulare Stack- bzw. Rack-Lösungen setzen, die verschiedene HPC-Module in einer Einheit zusammenfassen. Die Integration verschiedener Module in einer Box ermöglicht dabei erneut das Einsparen kostspieliger Verkabelungen.

Kombiniert mit einer innovativen Flüssigkeitskühlung auf Basis von Kühlpads behält das System stets eine sichere Betriebstemperatur. „OEMs hassen es, wenn sie Kühlkreisläufe öffnen müssen, um Stacks an die entsprechenden Kühlgeräte anzuschließen. Das kostet Zeit und ist mit ungeheurem Aufwand verbunden“, erklärt Contis Head of Mechatronics Development ADAS, Andreas Heise. Im Gegensatz zu bisherigen Lösungen funktioniert das Kühlkonzept von Continental ganz ohne Wärmeleitpaste. Stattdessen kommen flexible Kühlpads zum Einsatz, die sich durch Flüssigkeitsdruck ganz von allein an die zu kühlenden HPC-Module anschmiegen und problemlos unter oder zwischen die Stacks gesteckt werden können.

Continental bringt Face-ID ins Auto

Zudem zeigte Continental auch das auf der CES 2023 angekündigte Driver Identification Display der Öffentlichkeit in Frankfurt. Dabei handelt es sich um einen Bildschirm mit integrierter Kameralösung zur biometrischen sowie berührungslosen Fahrererkennung. „Das ist ungefähr wie die Face-ID auf jedem IPhone. Aber unsere Anwendung ist besser!“, lacht Daniel Naujack, Product Manager für Interior Camera and Cabin Sensing. „Dank der Zwei-Faktor-Authentifizierung kann sie nicht nur erkennen, ob sich das richtige Gesicht vor der Kamera befindet, sondern auch, ob es tatsächlich aus menschlicher Haut besteht oder ein Täuschungsversuch vorliegt.“ 

In Zukunft soll die erfolgreiche Authentifizierung des Fahrers beispielsweise den Start des Fahrzeuges ermöglichen und so vor Diebstählen schützen. Die integrierte Gesichtsauthentifizierung basiert auf einer von Trinamix entwickelten und patentgeschützten Technologie. Zudem soll das Driver Identification Display mehr Komfort durch Anwendungsmöglichkeiten, wie digitalen Bezahlvorgängen beim Tanken, Parken oder von Mautgebühren sowie bei der Autovermietung ermöglichen. Darüber hinaus kann die Technologie für Zahlungen in App-Stores oder für den Zugang zu digitalen Diensten genutzt werden. In Zukunft könnte die Infrarottechnologie zusätzlich für das Beobachten des Fahrers während der Fahrt genutzt werden und bei mangelnder Aufmerksamkeit warnen, um Gefahren etwa durch Übermüdung am Steuer zu verhindern.

Driver Identification Display von Continental und trinamix
Das Driver Identification Display schützt unter anderem vor Autodiebstahl, da das Fahrzeug erst nach erfolgreicher Authentifizierung der Person im Fahrersitz gestartet werden kann. (Bild: Continental)

Conti will mit Display-Knowhow punkten

In Sachen Display geht der Zulieferer noch mindestens zwei Schritte weiter und präsentiert zunächst auch das gebogene Pillar-to-Pillar-Display, in dem die neue Face ID-Funktion eingebettet wird. Das 47,5 Zoll große TFT-Display reicht mit 1,29 Metern Breite von einer A-Säule zur anderen und soll 2024 in Serienfertigung gehen. Neben der energiesparenden Local Dimming-Funktion, die durch mehr als 3.000 Leuchtdioden ermöglicht wird, zeichnet sich das Display besonders durch jene Komponenten aus, die nicht direkt zu sehen sind: Die In2visible-Display-Bedienoberfläche erscheint nur bei Bedarf unter dem Hauptbildschirm und soll so für ein schlichtes, dennoch futuristisches Design sorgen. Die Wölbung mit einem Radius von 4.200 Millimetern integriert sich in die gerundete Fahrzeugfront, während sie dafür sorgt, dass der Nutzer auch entfernte Bildschirmbereiche sehen kann. Für ein noch weiter reduziertes Ablenkungsrisiko verfügt das Panel über haptisches Feedback.

Das Scenic View Head-up-Display soll dem Fahrer ebenfalls dabei helfen sich auf das Wesentliche zu konzentrieren und Ablenkungen zu vermeiden. „Wir haben für dieses Lösung einfach den Schwarzdruck auf der Frontscheibe etwas höher gezogen und als Spiegelfläche für die Displays, die ganz vorn unter der Scheibe liegen, genutzt“, erklärt Raymond Kriha, Senior Manager Communication UX im Gespräch mit automotiveIT. „So wird der Fahrer weder von möglichen Spiegelungen geblendet, noch läuft er Gefahr, durch die Head-up-Darstellung irritiert zu werden, da sie nicht vor dem Fahrzeug, sondern immer noch im Fahrzeug stattfindet.“ Die baugleichen Displays sorgen außerdem für einen geringen Entwicklungsaufwand sowie optimale Skalierbarkeit und Modularität. Erneut präsentiert Kriha das Local-Dimming-Licht und kommentiert: „Der Fahrzeuginnenraum wurde in den letzten Jahren deutlich aufgewertet.“

Im Video: Continentals Scenic View HUD

Wie will Continental das Software-Defined Car realisieren?

Ergänzt wurde die Tech-Ausstellung auf Continentals Teststrecke in Rödelheim durch eine Pressekonferenz mit CEO Nikolai Setzer und zwei weitere, kurze Vorträge auf einer Nebenbühne im Außenbereich. So nutzte auch Gilles Mabire, CTO Automotive, die Gelegenheit, um die aktuellen Kernthemen und Herangehensweisen des Zulieferers in Bezug auf das Software-defined Car zu verdeutlichen.

„Zur Zeit beschäftigen wir rund 34.000 Ingenieure. Zwei Drittel davon befassen sich mit der Architektur und der Integration von Softwaresystemen. 1.500 Ingenieure im Unternehmen befassen sich mit künstlicher Intelligenz – nur um Ihnen unsere Dimensionen zu verdeutlichen“, so Mabire. „Die Komplexität hinter diesen Themen muss bewältigt werden und niemand kann von sich behaupten, dass er das alles selbst machen kann. Deshalb arbeiten wir in verschiedensten Bereichen mit IT-Unternehmen, kleinen Startups und OEMs zusammen. Denn wir glauben, dass ein Ökosystem der Zusammenarbeit die Lösung ist.“

Eine weitere Chance sehe Continental in der zunehmenden Bedeutung von Cloud und IoT. Diese würden nicht nur neue Usererfahrungen, sondern könnten Mabire zufolge auch die Weiterentwicklung der Mobilität ermöglichen. Durch die Vernetzung verschiedener Verkehrsmittel würde die Vision einer personalisierten und multimodalen Mobilitätserfahrung realisierbar werden. Im Wandel zum Software-Defined Car erkenne Continental zudem ein vielversprechendes Business, weswegen der Hannoveraner Zulieferer ein möglichst umfassendes Produktportfolio anstrebe, so Mabire.

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